Google Pixel C im Test: Produktiver als das iPad Pro?

Tablets haben mittlerweile kaum noch Platz in meinem Technikalltag und bekommen damit entsprechend wenig Raum hier im Blog. Das iPad (Pro) habe ich zuletzt für seinen fehlenden Dateimanager mächtig gescholten, die Versprechen der Post-PC-Ära halte ich ohnehin für gebrochen und einzig die Surface-Serie von Microsoft entlockte mir noch Anerkennung für den Formfaktor. Zwar nutze ich aktuell durchaus auch ein iPad Mini 4, aber das eigentlich nur, um auf Reisen etwas komfortabler Netflix zu schauen oder im abendlichen Hotelzimmer durch Youtube und Twitter zu browsen.

So ist es auch keine Überraschung, dass ich mir das „aktuelle“ Spitzen-Tablet aus dem Hause Google im vergangenen Jahr gar nicht mehr groß angesehen habe. Das Google Pixel C (ein früher Namensvetter der aktuellen Google Pixel Phones) stammt tatsächlich bereits aus Dezember 2015 und wurde mit dem damals noch brandneuen Android 6 „Marshmallow“ veröffentlicht. Die Reviews und Meinungen zum Pixel C waren im Verlauf des Jahres 2016 dann auch eher verhalten. Zumeist wurde zwar die schicke Hardware gelobt, aber auch immer wieder die Frage nach dem Sinn eines Android-Tablets gestellt. Treffend formulierte Dieter Bohn von The Verge:

Android can’t keep up with this hardware

– Dieter Bohn, The Verge

Mittlerweile haben wir April 2017 und statt Android Marshmallow läuft auf dem Pixel C jetzt Android 7 „Nougat“. Insbesondere das Update auf Version 7.1.2 soll dem Pixel C sehr gut getan haben, so dass ich mir das Google Tablet fast eineinhalb Jahre nach Release nun doch noch einmal ansehen wollte. Für diesen Beitrag hat Google Deutschland deshalb ein Leihgerät bereitgestellt. Und – Junge, Junge – dieser späte Blick hat sich gelohnt: Das Pixel C zeigt meiner Meinung nach eindrücklich, warum Google derzeit in der wohl günstigsten Ausgangs-Position für die kommenden Plattform-Wettkämpfe ist.

Sehenswertes Design – betagtes Innenleben

Was die äußere Verarbeitung und das Design des Google Pixel C angeht, kann ich mich dem Lob all der anderen Testberichte nur anschließen. Das Design folgt dem industriell-schlichten Look, den Google mit seinem Chromebook Pixel eingeführt hat (der seinerseits recht nah am Macbook Pro von Apple ist, wenn man mich fragt). Die Verarbeitung gibt insgesamt wenig Anlass zu Kritik. Bei meinem Leihgerät lässt sich zwar das Display an einer Stelle deutlich spürbar eindrücken, was ein hörbares Knacken verursacht. Das Testgerät ging allerdings auch schon durch einige Hände und ich kann natürlich nicht garantieren, dass es bei allen Testern mit der nötigen Rücksicht behandelt wurde. Ich will diesen Makel daher nicht überbewerten. Abseits dieser Kleinigkeit sind Handhabung, Finish und auch Details wie die sauber gearbeiteten Tasten jedenfalls tadellos.

Das Gehäuse samt Tasten ist ausgezeichnet verarbeitet

Das Display zeigt ebenfalls wenig Schwächen

Wirklich witzig finde ich den in Google-Farben gehaltenen Batterie-Ladeindikator, der bei kräftigem Klopfen auf das Chassis mittels vier bunter Leuchtstreifen anzeigt, welche Kapazität sich noch im Akku befindet. Auch das Display gefällt mir. Mit 2560 x 1800 Pixel und 10,2 Zoll Displaygröße kommt das Pixel C auf etwas über 300 PPI, was ich bei Tablets als hinreichend scharf empfinde. Farbwiedergabe, Kontrast und Helligkeit sind ok. Sehr willkommen ist mir auch Googles Entscheidung, dem Tablet ein 3 : 2  Bildverhältnis zu geben. Gerade im Querformat ist das Tablet so sehr viel angenehmer zu nutzen, als Modelle mit dem breiteren 16 : 9 Format. Die Lautsprecher links und rechts vom Display sind hingegen leider eher durchschnittlich. Die Anschluss-Situation ist Tablet-typisch gewohnt minimalistisch, dank USB-C aber immerhin vielseitig erweiterbar.

Klopft man auf das Gehäuse zeigen Leuchtstreifen den Akkustand an

Das echte Highlight des Pixel C ist natürlich seine Tastatur, die magnetisch am Tablet haftet und entweder als Deckel dient oder über den integrierten (ebenfalls magnetischen) Ständer das Tablet in ein Laptop verwandelt. Die Magnete im Tablet sind dabei derart stark, das man das Pixel C problemlos auch an die metallene Kühlschranktür „kleben“ kann. Die Tastatur wird per Bluetooth gekoppelt und per Induktion vom Pixel C geladen, sofern das Tablet selbst noch Akkuladung hat. Tastenhub und Druckpunkt sind dem der älteren Macbooks sehr ähnlich und forderten mir nur wenig Umgewöhnung ab. Das Layout ist natürlich auf Android ausgelegt, aber insgesamt ist das Keyboard meiner Meinung nach sehr gelungen. Mein einziger Kritikpunkt an der Tastatur wäre wohl die Positionierung des Gelenks auf etwa 3/4 der Tastaturtiefe. Natürlich sind hier aus Gründen der Balance gewisse Kompromisse nötig, aber so gibt es praktisch keinerlei Platz zum Ablegen und Ausruhen der Handballen. Ich hätte es gern gesehen, wenn das Gelenk ans Ende der Tastatur verschoben worden und so mehr Raum für die Hände oder gar ein Trackpad verblieben wäre.

Das Tastatur-Layout

Der Winkel ist frei verstellbar

Mir hätte das Gelenk weiter hinten besser gefallen

Insgesamt ist das Tablet mit über 500 g auch recht schwer, schwerer jedenfalls als z.B. das iPad Air 2. Dafür hat es allerdings auch weit mehr Akkukapazität spendiert bekommen (stattliche 9243 mAh). Die Akkulaufzeit würde ich trotzdem eher als durchschnittlich bewerten. Einige Reviews attestieren dem Pixel C zwar Akku-Bestwerte, aber mein Leihgerät kam nur knapp über 5 h Display-On-Time hinaus. Der fest verbaute Akku hat allerdings auch schon über ein Jahr Testbetrieb auf dem Lithium-Ionen-Buckel. Die restliche Technik ist mittlerweile ebenfalls nicht mehr taufrisch. 3 GB Arbeitsspeicher und ein Tegra X1 SOC machen das Pixel C im heutigen Vergleich fast zu einem Midrange-Gerät und das spürt man in der Bedienung. Aktuelle Hardware von Google, vor allem die neuen Pixel Smartphones, fühlen sich bedeutend flinker in der Bedienung an.

Zuletzt: Das Pixel C hat natürlich auch eine Front- und Hauptkamera. Über die weiß ich aber beim besten Willen nichts Spannendes zu berichten.

Android? Auf Tablets? Ja, tatsächlich!

Meine eingangs angedeutete kritische Haltung zu (Android-) Tablets würde jetzt natürlich vermuten lassen, dass ich das Thema Android auf Tablets mit dem gewohnten Na­se­rümp­fen abhandle. Und ein bisschen trifft das auch zu, denn grundsätzlich sind die üblichen Schwachpunkte immer noch vorhanden: Spotify oder auch Threema (mein Messenger der Wahl) zum Beispiel weigern sich während des Logins standhaft, in den Landscape-Modus zu gehen. Im Betrieb laufen beide dann aber problemlos und nutzen das größere Display auch gut aus. Instagram hingegen hat noch immer überhaupt keinen Querformat-Modus (man kann ihn scheinbar über Dritt-Apps erzwingen). Weitere Beispiele ließen sich noch viele finden, aber es bleibt derzeit dabei: In Sachen App-Qualität hat Tablet-Android gegenüber dem iPad weiterhin Boden gut zu machen.

Ein KO-Argument ist diese immer kleiner werdende Qualitätslücke für mich aber nicht mehr. Android präsentiert sich in Version 7 mittlerweile einfach mit nicht zu leugnender Finesse und die Qualitätsunterschiede bei den Apps haben ein mehr und mehr zu vernachlässigendes Maß erreicht. Deshalb möchte ich dem „Qualitäts-Gap“ auch nicht viele weitere Worte widmen. Sehr viel spannender finde ich nämlich, wie Android mittlerweile für „Produktivität“-Tätigkeiten gerüstet ist.

Das Ganze fängt damit an, das man seit frühen Android-Versionen die Oberfläche auch per Maus bedienen kann. Der Maus-Support wurde seit den Android-Anfängen immer weiter ausgebaut und unterstützt in Android 7 „Nougat“ nun sogar Details wie situationsabhängige Mauszeiger. Meine günstige Logitech M577 Bluetooth Maus wurde jedenfalls ohne Umstände sofort erkannt und im Nu klickte ich mich durch die bisher nur Touch-erschlossene Android-Welt. Das iPad hingegen bietet noch immer kein Support für die Bedienung per Maus. Apple Enthusiasten müssen sich stattdessen mit Keyboard Shortcuts behelfen. Von denen bietet natürlich auch die Pixel C Tastatur reichlich, aber nichts kann im Produktiv-Bereich meiner Meinung die Bedienung mit einer Maus ersetzen. Per Doppelklick öffnet man Apps, der Mauszeiger manövriert zielsicher durch Text- und Bildbearbeitung und das Maus-Rad scrollt bequem durch Webseiten. In den Office Apps von Microsoft lässt sich per Rechtsklick auch in gewohnter Art und Weise Einfügen, Ausschneiden und die Formatierung abrufen. Nur eines fehlt: Ein Shortcut für Emoji. Für die muss ich immer noch auf die Touchbedienung zurückgreifen. Abgesehen davon konnte ich mit dem Pixel C samt Tastatur und Maus aber derart flott in meinen Schreibfluss eintauchen, dass es eine wahre Freude war. Dieses Review und auch mein Artikel zu Dateneigentum und Cyberpunk entstanden so auch zu Teilen auf dem Pixel C. Wo ich ein iPad für längere Textarbeiten meide wie der Teufel das Weihwasser, kann ich es mir absolut vorstellen, mobil und unterwegs sowie – mit ein paar Abstrichen – auch zuhause produktiv auf dem Pixel C zu arbeiten.

Produktives Arbeiten war mir mit dem Pixel C tatsächlich möglich

Hinzu kommt Androids gewohnte Unterstützung für Dateimanager und der Support von USB-OTG. Leider liegt dem Pixel C kein Adapter von USB-C auf USB-A bei (anders als etwa dem Samsung Galaxy S7), aber über entsprechende Hubs, Docks und Adapter lassen sich problemlos normale USB-Sticks, Ethernet-Kabel, Kompaktkameras und weitere Peripherie anschließen. Auf angeschlossene Speichermedien kann man mit Dateimanagern aller Art ebenfalls ohne Umwege zugreifen. Gerade das Fehlen einer echten Dateiverwaltung hält mich bisher davon ab, ein iPad auch nur ansatzweise für den produktiven Einsatz in Erwägung zu ziehen. Bei Android ist und war das hingegen nie ein Problem und diese Stärke spielt das Pixel C natürlich problemlos aus.

Dateimanager

Ein Kritikpunkt der früheren Testberichte hat sich ebenfalls erledigt: Der früher unter Android 6 „Marshmallow“ nicht vorhandene Splitscreen-Modus. Genau wie iOS hat Android dieses Manko mittlerweile behoben. Unter Android 7 „Nougat“ lassen sich nun problemlos zwei Apps nebeneinander anzeigen. Wie sinnvoll das auf 10 Zoll ist, lasse ich einmal dahingestellt. Ich habe es jedenfalls bisher kaum genutzt, weder auf Android-Smartphones noch jetzt auf dem Pixel C. Mit dem Update auf Android 7.1.2 hat das Pixel C auch einen neuen App-Switcher erhalten. Statt des von Smartphones bekannten vertikalen Karussells zeigt die Übersicht der offenen Apps jetzt die acht letzten Apps in kleinen Kacheln nebeneinander an. Optisch erinnert das an Windows 10 und lässt sich über Alt-Tab auch ähnlich gut bedienen.

App-Switcher

Splitscreen-Multitasking

Das eigentlich Interessante ist allerdings die seit Android 7 ebenfalls vorhandenen Möglichkeiten, Apps in echten freischwebenden Fenstern anzuzeigen, wie es in macOS und Microsofts Windows üblich ist. Das Feature ist aktuell nur über den Entwicklermodus zugänglich ist und vorerst wohl vor allem für Chrome OS gedacht, das seit einer Weile Android Apps starten kann und dort über das freie Anpassen der Fenstergröße echtes Desktop-Feeling erzeugen soll. Auf dem Pixel C stelle ich mir das derzeit hingegen unpraktisch vor. Schon zwei Fenster parallel halte ich angesichts der Display-Größe für grenzwertig. Stattdessen sogar mehrere kleinere Fenster zu verwalten, ist auf 10 Zoll dann doch zu viel.

Wirklich praktisch würde das erst zusammen mit einer Funktion werden, die dem Pixel C leider (noch) fehlt: Der Anschluss externer Monitore. Der USB-C Anschluss ist zwar technisch dazu in der Lage, auch Monitore anzusteuern, das Pixel C unterstützt derzeit aber kein Video-Out über diesen Port. Natürlich lässt sich der Bildschirminhalt per Chromecast streamen, aber wünschenswert wäre nicht bloß das Spiegeln des Displayinhalts, sondern eine Art „Desktop-Modus“, der die Größe des externen Monitors über eine angepasste Oberfläche auch wirklich ausnutzt. Ich vermute aber, dass Google an derartigen Lösungen längst arbeitet. Letztes Jahr wurde so etwas ja auch (eine Zeit lang) unter dem Stichwort „Andromeda“ erwartet.

Fazit: Google hat ein Luxusproblem

Am Ende hinterlässt das Google Pixel C ein ausgesprochen gutes Bild. Zum ersten Mal sitze ich vor einem Tablet, das trotz „mobilem Betriebssystem“ kaum spürbare Nachteile gegenüber klassischen Laptops hat. Wir befinden uns mittlerweile in einer Welt, in der viele Menschen ihre ersten Begegnungen mit Computern und deren Anwendungen nicht mehr über klassische Desktop-Systeme machen, sondern über Android und iPhone. Diese Millionen Nutzerinnen und Nutzer, die zuerst Smartphone und Tablet kennenlernen und dann irgendwann für Hobby oder Prosumer-Tätigkeiten etwas mehr Leistung brauchen, erwarten zunehmend, dass sich ihre bisherigen mobilen Bedien-Erfahrungen auch bei ihren „Arbeitsgeräten“ fortsetzen. Klassische Laptops und selbst Convertibles der großen PC-Hersteller können das oft nicht bieten.

Google hat hier im Grunde ein Luxusproblem. Mit Android 7 und Chrome OS haben die Kalifornier gleich zwei Ansätze zur Auswahl, die beide vielversprechend sind. Beide bieten mit Android Apps ein vertrautes Ökosystem, vertrauten Look sowie bekannte Bedienung. Wo Chrome OS bereits ein bisschen mehr Desktop bietet, dafür aber noch etwas Feinschliff beim Android-App-Support braucht, fehlt Android noch etwas mehr Desktopability. Beide Ansätze sind auf jeden Fall deutlich näher am Ideal vieler Smartphone-Gewohnten als das komplexe und App-unterversorgte Windows 10, das Touch-untaugliche macOS oder das unflexible iOS.

Aktuell ist Google damit in einer sehr komfortablen Ausgangsposition für die kommenden Wettkämpfe um diejenigen Nutzer, die seit Jahren nur Smartphones gewohnt sind und sich Zeit ihres Lebens nie ein Laptop kaufen werden. Spannend ist natürlich, ob Apple und Microsoft in diesem kommenden Wettstreit noch neue Ideen auf den Tisch legen. Microsoft scheint unter dem Stichwort „Windows 10 Cloud“ hier durchaus etwas geplant zu haben, aber hier und heute sehe ich kein System, das so viele Produktivität mit so viel App-Vielfalt und Bedienkomfort verbindet. Das Google Pixel C selbst ist mit über 600 € für Tablet samt Tastatur natürlich angesichts seines Alters nur noch begrenzt konkurrenzfähig. Das Konzept dahinter überzeugt allerdings und zu reduzierten Angebotspreisen würde ich das Gerät keinesfalls abschreiben.

Abseits der anhaltenden Bedenken ob Googles digitaler Übermacht, muss man den Ingenieuren und Designern aus Mountain View hier klar ein Kompliment aussprechen: Android ist endlich bereit fürs Tablet und derzeit zeigt sich das nirgendwo so gut wie beim Pixel C.

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