Dell Venue 8 Pro (5855) im Test: Wie schlägt sich Windows 10 auf 8 Zoll?

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Vor nicht wenigen Jahren galten Tablets noch als Sinnbild der produktiven Zukunft. Aber die flachen Touchscreen-Flundern konnten die in sie gesetzten Erwartungen im produktiven Einsatz nicht vollständig erfüllen. Stattdessen sinken die Absätze längst wieder und das Tablet ist ein Gadget zum Couchsurfen und Medienkonsum geworden. Apple versucht aktuell, das „produktive Tablet“ mit dem iPad Pro wiederzubeleben und scheitert mehr oder weniger. Interessanter finde ich da die anhaltenden Bemühungen von Microsoft, sein vollwertiges Windows 10 Desktop-System auch auf kleinen Tablets zu etablieren. Was dabei herauskommt und wie sich Windows 10 auf 8 Zoll schlägt, habe ich mir am Beispiel des Anfang 2016 vorgestellten Dell Venue 8 Pro (5855) angeschaut. Bereitgestellt wurde mir das Gerät für diesen Testbericht freundlicherweise für einen Monat von Dell Deutschland.

Das Dell Venue 8 Pro (5855)

Rein äußerlich erinnert das neue Venue 8 Pro verflixt an das Nexus 7 (2013), das vielleicht beste Android-Tablet. Die Front gehört einem 8 Zoll großen Display im 16 : 10 Formfaktor mit 1920 x 1200 Bildpunkten. Dass Dell sich statt für das 16 : 9 Breitbildformat für das höhere 16 : 10 Format entschieden hat, finde ich ausgesprochen gut. Noch besser hätte mir allerdings ein 3 : 2 Verhältnis wie beim Surface 3 gefallen, weil viele Apps, Webseiten und insbesondere Dokumente damit noch natürlicher wirken, da es nah am klassischen DIN A4 Format ist.

Die Displayqualität hingegen gibt wenig Raum zur Kritik. Mit einer Pixeldichte von über 280 PPI übertrifft es die Retina-Displays auf iPads und Macbooks teilweise deutlich und enttäuschte mich auch hinsichtlich Bildqualität oder Ausleuchtung nicht. Lichthöfe oder -spalte weist mein Testgerät nicht auf und Farbwiedergabe sowie Kontrast wirken natürlich und knackig. Wie üblich könnte es aber – gerade im Sonnenlicht – noch heller sein.

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Das Full HD Display könnte etwas heller sein, ist ansonsten aber ausgezeichnet

Das Display wird eingerahmt von einem recht großzügigen Rahmen, der aber nicht so groß ist, als dass er zu klobig wirkt, sondern für meinen Geschmack sinnvoll viel Platz zum Anfassen und Halten bietet. Das restliche Gehäuse ist hingegen nicht ganz so hochwertig, wie ich es mir wünschen würde. Der griffige Softtouch-Kunststoff sorgt zwar für einen stabilen Halt in der Hand, das ist allerdings auch nötig, denn mit über 400 Gramm (in der mir zur Verfügung gestellten LTE-Version) ist es eher kein Leichtgewicht. Das ebenfalls 8 Zoll große iPad Mini etwa wiegt in der LTE-Version ca. 300 Gramm und fühlt sich gleichzeitig ungleich besser an.

Das Venue 8 Pro (5855) ist – wie der Name zeigt – nicht das erste Gerät der Venue 8 Pro Serie. Von den Vorgängern unterscheidet sich das aktuelle Modell außer durch das höher auflösende Display vor allem durch den Einsatz eines neuen Prozessors aus der (mittlerweile eingestampften) Intel Atom Serie, dem Atom x5 Z8500 Quad-Core mit bis zu 2,2 GHz Turbo-Takt. So irre neu ist der Chip allerdings gar nicht. Tatsächlich wurde die zu Grunde liegende Cherry Trail Architektur bereits Anfang 2015 vorgestellt. Schon das (mittlerweile etwas ältere) Surface 3 von Microsoft nutzt diese Prozessoren, wenngleich dort der schnellere Atom x7 Z8700 mit 2,4 GHz Turbo-Takt zum Einsatz kommt.

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Der USB-C Port ist der einzige Anschluss

Neu ist auch der Umstieg auf USB-3.0 mit symmetrischem USB-C-Stecker. Über diesen Port wird das Dell Tablet zudem geladen. Dieser USB-C-Port ist neben dem Kopfhöreranschluss sowie SD- und SIM-Slot allerdings der einzige Anschluss. Im Display arbeitet schließlich auch ein neuer Wacom-Digitizer, der für alle Stift-Nutzer von Vorteil sein dürfte. Mangels passendem Zubehör konnte ich mir dazu aber keine Meinung bilden.

Im Inneren bietet mein Testmodell fast die Maximalausführung mit 4 GB Arbeitsspeicher, 64 GB eMMC internem Speicher sowie LTE und SD-Kartenslot. Alles in allem schlägt das von mir getestete Exemplar also mit über 600 € zu Buche. Damit liegt es sogar oberhalb dessen, was ein iPad Mini 4 mit 64 GB Speicher und LTE-Modul derzeit im freien Handel kostet.

Performance und Nutzung

Der Vergleich zu „Spaß-Tablets“ wie dem iPad Mini erscheint natürlich zunächst recht unsinnig. Das Venue 8 Pro ist primär als Arbeitsgerät konzipiert. Und mit dieser Perspektive sollte man es wohl zunächst auch hinsichtlich Bediengefühl und Leistung bewerten. Und diesbezüglich kann man das Dell Venue 8 Pro im Grunde sehr mit dem Surface 3 vergleichen. Der interne Speicher ist zwar minimal schneller, die verbaute Atom-CPU dafür aber etwas langsamerer. Am Gesamtgefühl ändert das wenig. Das Tablet bootet schnell, es bedient sich flüssig und reagiert flink auf Touch-Eingabe. Windows 10 läuft in der aktuellsten Version problemlos auf dem Dell Venue 8 Pro, sowohl in klassischer Windows Umgebung als auch innerhalb moderner Apps, und bietet dabei alle Vorteile, die ein vollwertiges Desktop-Betriebssystem eben mitbringt.

Leistung des internen Speichers

Schwache Leistung des internen eMMC Speichers

Geekbench Benchmark

Geekbench (32-Bit) Benchmark

Die mit Abstand größte Bremse ist leider – wie bei Cherry Trail Systemen typisch – der verbaute eMMC Speicher, der mit Lese- und Schreibraten aufwartet, die meilenweil von aktuellen SSD-Festspeichern entfernt sind. Das erstmalige Starten etwa des Firefox-Browsers, von MS Word oder auch Spotify dauert oft viele Sekunden und hat mich nicht selten ungeduldig wiederholt auf das App-Icon tippen lassen; Mit dem Resultat dass dann in guter alter Manier irgendwann mehrere Instanzen des Programms geöffnet wurden. Sind die Apps aber erst einmal gestartet, lässt das Venue 8 Pro wirklich kaum Raum zur Kritik, was die Performance angeht. Mit 4 GB Arbeitspeicher arbeitet es auch im Multitasking angenehm flott und wechselt ohne Mühe zwischen einem Dutzend offener Programme. Solange also keine besonders anspruchsvolle Videobearbeitung oder Spiele geplant sind, bietet es – wie das Surface 3 – genug Rechenkraft für alle alltäglichen Anforderungen.

„Designed for your workplace“?

Die entscheidende Frage ist natürlich: Welche Anforderungen sind das? Dell selbst bewirbt das Venue 8 Pro klar mit einem Fokus auf Business-Anwender und den Unternehmenseinsatz. Erstaunlicherweise habe ich aber das Gefühl, dass das Dell-Tablet gerade in diesem Kontext seine Stärken nicht wirklich entfalten kann. Da wäre zunächst der einzelne USB-C Stecker, der es notwendig macht, zum Datentransfer oder für den Anschluss externen Displays stets Adapter zu benutzen. Wie beim 12 Zoll Macbook kann das Gerät dann aber nicht geladen werden. Will man gleichzeitig externe Speichermedien, Monitore oder Peripherie nutzen, muss man auf zusätzliche Dockingstations zurückgreifen, wie Dell sie selbst anbietet.

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Dock zur Erweiterung des einzigen USB-C Ports

Unterwegs wiederrum leidet das Venue 8 Pro dann doch etwas unter dem kleinen Display. Mit der voreingestellten 200 % Skalierung sind die Bedienelemente zwar groß genug, um zum Beispiel mit dem Finger Dateien im Explorer zu markieren, aber der angezeigte Desktopplatz ist doch derart knapp, dass nicht einmal das komplette Drop-Down-Menü angezeigt werden kann. An vielen Stellen wirkt das vollwertige Windows 10 einfach zu komplex, um im 8 Zoll Format komfortabel bedient zu werden.

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Auf 8 Zoll wird Windows 10 doch schon recht fummelig

Lösen ließe sich das Problem natürlich teilweise durch externe Eingabegeräte. Bluetooth-Maus und -Tastatur lassen sich natürlich problemlos koppeln. Nur müssen diese Extrageräte dann stets mitgeschleppt werden, was den portablen Vorteil des handlichen 8 Zoll Tablets negiert. Ein eigenes passendes Smartcover, das ähnlich wie bei den Surface Geräten gleichzeitig als Schutz, Tastatur und Trackpad dienen würde, gibt es von Dell selbst leider nicht. Lediglich eine Kombo aus Kickstand-Case und drahtloser Tastatur bot Dell an – jedenfalls für den Vorgänger.

Tastatur (hier mit Vorgängermodell)

Tastatur (hier mit Vorgängermodell)

Nein, für den professionellen Einsatz würde ich wohl klar zum Surface 3 greifen. Das bietet mit 10 Zoll Display einen besseren Kompromiss aus Desktopplatz und mobilem Formfaktor und ist mit dem sehr guten Smart-Tastatur-Cover auch viel eher in ein sehr brauchbares Netbook verwandelt. Im stationären Einsatz lässt sich das Surface 3 zudem via Displayport an einen Monitor anzuschließen, erlaubt es, per USB-Stick Daten zu transferieren und kann aufgeladen werden- und das dank vielfältiger Anschlüsse alles gleichzeitig.

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Als Casual-Tablet kann das Venue 8 Pro noch eher trumpfen

Tatsächlich sehe ich die Stärken des Dell Venue 8 Pro etwas mehr bei Privatanwendern. Wer nicht ständig Textverarbeitung betreiben muss, auf den Anschluss externer Peripherie verzichten kann und stattdessen einfach ein handliches Tablet sucht, das im Notfall etwas mehr Flexibilität mitbringt, der könnte mit dem Dell Tablet sehr gut bedient sein. Ich persönlich zum Beispiel habe das Venue 8 Pro vor allem auf Reisen genutzt, um unterwegs ein .pdf zu lesen, abends im Hotel ein bisschen Youtube zu streamen oder im Zug lokale Medien abzuspielen. Das sind zwar keine Zaubertricks, die ein iPad oder Android Tablet nicht genauso gut hinbekämen, aber gerade gegenüber dem iPad und seinem iTunes-Nadelöhr empfinde ich die flexible Dateiverwaltung eines Windows 10 Tablets nach wie vor als Gewinn.

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iPad Mini 2 (links) und Venue 8 Pro (rechts)

Auf Tablets ist das dünne App-Angebot der noch jungen Windows Universal App Plattform zudem lange nicht so schmerzhaft, da viele Apps entweder durch den Browser (z.B. Google+) oder die x86-Programme ersetzt werden können (z.B. VLC). Als Tablet für anspruchsvolle Casual-Nutzer gefällt mir das Venue 8 Pro daher deutlich besser als als produktiver Zwerg, der mangels Anschlussvielfalt schnell seinen mobilen Charme einbüßt. Der einzige Wehrmutstropfen für Medienkonsumenten dürfte der einzelne Lautsprecher an der rechten Seite sein. Echte Stereolautsprecher wären durchaus nett gewesen, wurden aber dank des Business-Fokus nachvollziehbarer Weise wohl nicht für nötig gehalten.

Windows 10: Stärke oder Schwäche?

Was also hält das Dell Venue 8 Pro davon ab, zu einem Geheimtipp für iPad-Interessierte mit dem Wunsch nach „mehr Freiheit“ zu werden? Die Antwort ist vermutlich Windows 10 selbst. So flexibel und potent das volle Desktop-System auch ist, so sehr dürfte genau das dem Dell-Tablet auch im Weg stehen. Microsoft hat Windows 10 in beeindruckender Weise zu einem Wandler zwischen den Welten gemacht. Es ist sowohl mit Touch-Bedienung als auch mit Maus und Trackpad erstaunlich gut bedienbar und hat sich seit Windows 8 spürbar weiterentwickelt. Im Kern ist Windows 10 aber trotzdem noch immer ein Vertreter der alten klassischen Tage.

Der Mix aus alter und neuer Systemeinstellung, die auf 8 Zoll fummelige Dateiverwaltung und vor allem der Hardwarehunger machen Windows 10 zu einem sehr anspruchsvollen System. Nicht umsonst sind 4 GB und ein Intel Vierkerner verbaut. Nur so kann das Venue 8 Pro das Bedienerlebnis erreichen, das es liefert. Aber der Preis ist hoch: Das Gerät ist schwer, klobig und vor allem kann die Akkukapazität kaum den hohen Leistungsanforderungen der verbauten Hardware gerecht werden: Nicht selten war bei mir nach nicht einmal 4 Stunden Schluss mit Surfen, Arbeiten und Youtuben.

Das Dell Venue 8 Pro zeigt mir deshalb aktuell sehr deutlich, was ich zuletzt in den Artikeln über Chrome OS oder die Zukunft von Windows 10 Mobile geschrieben habe: Microsoft braucht mittelfristig eine Alternative zum behäbigen vollwertigen Windows 10. Das Desktop-OS noch weiter zu verschlanken wird sich dauerhaft nur schwer mit den Forderungen der Enterprise- und Businesskunden vereinbaren lassen. Meiner Meinung nach muss daher eine schlanke Alternative her. Diese könnte in Zukunft in dem liegen, was aktuell noch als Windows 10 Mobile vor allem mit Smartphone assoziiert wird. Man stelle sich einfach vor, was Dell mit einem schlanken System auf ARM-Basis anstellen könnte. Die aktuell nötige Akkukapazität könnte eingespart und in ein schlankeres, leichteres Gehäuse investiert werden. Die teure Intel-Technik samt viel Arbeitsspeicher könnte zugunsten aktueller Qualcomm-Chips eingespart werden und würden unter Umständen den Preis senken. Dass dieses Szenario nicht unrealistisch ist, sieht man derzeit auch daran, dass Intel seine Atom-Serie mangels wirtschaftlicher Aussichten nicht mehr fortführt und Microsoft vor Kurzem die Kompatibilität von Windows 10 Mobile auf Geräte mit bis zu 9 Zoll ausgeweitet hat.

Aber all das ist aktuell noch Zukunftsmusik. Hier und jetzt ist das Venue 8 Pro (5855) ein Tablet, das für mich persönlich wohl im Produktiveinsatz nicht die ideale Wahl wäre, im privaten Umfeld aber durchaus seine Stärken hat. Für alle, die darauf gewartet haben, dass Dell den Vorgänger endlich mit 4 GB Ram, Full HD Display und USB-C aufrüstet, erfüllt Dell alle Wünsche. Für alle anderen, die nach einem weniger kompromissbehafteten Windows Tablet suchen, könnte es sich hingegen lohnen, zu beobachten, wie sich Windows 10 Mobile auf Tablets entwickelt oder ob Dell in einem weiteren Nachfolger vielleicht auf die Intel Core M Plattform umsteigt.

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