Apple TV im Eigenbau: Mit Raspberry Pi 2 und OpenElec (KODI)

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Wer meinen Blog in den letzten Monaten verfolgt hat, der weiß, dass ich keinen klassischen TV-Receiver habe. Stattdessen nutze ich einen Wohnzimmer-(HT)PC sowie einen Apple TV 3. Seit einer Weile stört mich allerdings mein eher klobiger HTPC und es zieht mich hin zu kompakteren Lösungen. Nachdem mich der Intel NUC als Multimedia-Alternative nicht hundertprozentig überzeugt hat, habe ich deshalb einen neuen Versuchsballoon mit dem Raspberry Pi gestartet. In diesem Artikel schaue ich mir an, was der Raspberry im Wohnzimmer leisten kann und ob er es vielleicht sogar optisch mit eleganten Streaming-Boxen wie dem Apple TV aufnehmen kann.

Was kann der Raspberry Pi?

Wer mit dem Raspberry Pi bisher nichts anfangen kann, der darf sich auf dem offiziellen Webauftritt informieren. Zusammengefasst ist der Raspberry Pi im Grunde nur ein Platine, auf die ein kleiner Prozessor, etwas Arbeitsspeicher und ein paar Anschlüsse gelötet sind. Der aktuellste Raspberry Pi ist der Raspberry Pi 2 (Model B), den ich auch für diesen Artikel genutzt habe. Er bietet einen Quad-Core ARM Prozessor, 1 GB Arbeitsspeicher sowie USB-Ports, HDMI und Ethernet. Diese Platine kostet aktuell ca. 40 € und muss selbstständig durch Zubehör (Gehäuse, SD-Karte, Stromkabel) ergänzt werden.

RaspberryPi2Platine

Die nackte Raspberry Pi 2 Platine

Aktuell verfügt der Pi 2 weder über WLan noch über Bluetooth, beides kann aber über USB-Stecker nachgerüstet werden. Auch hat der Raspberry Pi 2 keinen Infrarot-Port, was ich beim Thema Fernbedienung noch einmal ansprechen werde. Der Raspberry wird zudem ohne Betriebssystem geliefert. Der Clou am Raspberry Pi 2 ist aber genau das: Die Wahl des Betriebssystems. Die Möglichkeiten sind dabei nahezu grenzenlos. Von vollwertigem Linux bis hin zu Retro-Gaming-Systemen kann man praktisch alles umsetzen. Der Raspberry Pi kann als Zentrale für Home Automation genauso genutzt werden wie als Hirn für den eigenen VPN-Server. Dank der riesengroßen Community gibt es nichts, was es nicht gibt.

Openelec: Die Basis für den Apple TV im Eigenbau

In der Überschrift habe ich bereits gesagt, dass Openelec die Basis für mein kleines Projekt sein soll. Openelec ist im Grunde nichts anderes als ein zum Betriebssystem mutiertes KODI und hat schon so manchen Open Source Preis abgeräumt. KODI wiederum hieß früher XBMC und ist der goldene Standard im Bereich der Multimedia-Software. Es ist primär dafür da, vorhandene lokale Filmdateien (aller denkbaren Formate) optisch aufzubereiten und in eine Datenbank zu kippen, die dann komfortabel abgespielt werden können.

RaspberryOpenElecFilmdatenbank

Die Kernaufgabe von KODI: lokale Dateien hübsch aufbereiten

Während KODI unter Windows oder Mac OS X eine reguläre Anwendung ist, wird es in Openelec zum Betriebssystem selbst. Sobald der Raspberry Pi Strom bekommt, bootet er binnen Sekunden mitten hinein in die vertraute Oberfläche und ist startklar. Die Installation ist übrigens ein Kinderspiel. Die offiziellen stabilen Versionen werden auf der offiziellen Seite von Openelec heruntergeladen, auf eine SD-Karte entpackt und die Karte in den Raspberry Pi eingesetzt: Fertig. Unter Mac OS X beschränkt sich die Erstinstallation deshalb tatsächlich auf wenige Zeilen Code in Terminal.

Aber KODI kann nicht nur lokale Serien- und Filmdateien optisch aufbereiten. Über Addons lassen sich in KODI dutzende Funktionen nachrüsten. Die öffentlich-rechtlichen Mediatheken von ARD, ZDF oder ARTE sind genauso verfügbar wie Youtube. Und über diverse integrierte IP-TV Addons lässt sich in Minuten vollwertiges Internetfernsehen realisieren.

Weiterhin lässt sich die Bedienoberfläche über viele Skins anpassen. Damit wären wir auch wieder bei dem eigentlichen Ziel dieses Projekts, nämlich einen Apple TV nachzubauen. Als allererstes habe ich deshalb ein neues Skin aktiviert, und zwar SiO2. Dieses Skin wurde extra mit dem Ziel entwickelt, die Bedienoberfläche des Apple TV zu imitieren. Und das funktioniert erstaunlich gut. Nicht nur oberflächlich, sondern auch in den Einstellungen hält sich dieses Skins sehr eng an den Apple TV Look, bleibt aber gleichzeitig übersichtlich und gut bedienbar.

RaspberrySiO2Skin

Das Wichtigste am Apple TV Nachbau: ein Apple TV Skin für KODI

Alles in allem ist die Installation und Anpassung von OpenElec sicher der aufwändigste Teil des „Selbstbaus“. Hat man sich aber durch Installation und Ersteinrichtung gekämpft, öffnet sich die weite Welt der Möglichkeiten von KODI. Gerade im Vergleich zu den Apple TVs der ersten bis dritten Generation (hier mein Vergleichstest zum Chromecast) bietet KODI Unmengen an Möglichkeiten, die der Apple TV nicht hat: Die vielseitige Wiedergabe lokaler Filmdateien, echtes Fernsehen und Mediatheken vieler Sendeanstalten. Die alten Apple TVs sind hingegen auf die wenigen vorinstallierten Apps beschränkt, die Apple für seine Streaming-Box freigegeben hat. Vor einigen Wochen hat Apple allerdings seinen Apple TV der 4. Generation vorgestellt, der unter anderem mit einem neuen Appstore aufwarten wird. Ich plane, einen solchen Apple TV 4 anzuschaffen und dann wird sich zeigen, wie sehr Apple die Flexibilität von KODI erreichen kann (Update: Meinen Testbericht zum neuen Apple TV der 4. Generation findet ihr mittlerweile hier).

Die Grenzen von KODI

Leider haben KODI und Openelec auch ihre Grenzen. Die größte Schwäche dürfte wohl der gesamte Bereich Streaming-Dienste sein. Netflix, Amazon Prime oder Watchever sind unter KODI praktisch nicht verfügbar. Und genau das dürfte für viele Nutzer der bekannten Streaming Boxen der Hauptanwendungsfall sein. Es gibt zwar diverse Bastellösungen, über die man Netflix auch unter KODI nutzen kann, aber hinter deren Legalität muss man wohl ein zu großes Fragezeichen machen.

NetflixLogo

Die größte Schwäche von KODI? Das Fehlen von Streaming-Diensten wie Netflix

Vor allem sind diese Addons oft nicht zu 100 % verlässlich. Die große Community pflegt das Angebot an Addons zwar mit beachtlichem Aufwand, aber es kann durchaus mal passieren, dass ein Dienst seine Schnittstellen ändert und das KODI-Addon nicht mehr funktioniert. KODI ist eben vor allem ein Open Source Projekt, das von unzähligen Freiwilligen gepflegt wird. Ich nutze KODI allerdings schon seit Jahren und jedenfalls die Basics laufen so zuverlässig, dass es sich als Medienzentral völlig etabliert hat.

SCase: Der Apple TV Look für den Raspberry Pi

Bisher habe ich mich nur der Software-Seite zugewandt. Aber ein großer Teil des Apple TV Feeling ist eben auch der Look der Hardware. Zwar ist der Apple TV 3 mit seinem schwarzen Kunststoff-Körper nicht gerade das Edelste aller Apple Produkte, aber ganz so leicht lässt sich der schlichte Charme dann doch nicht nachbauen. Man braucht also ein entsprechendes Gehäuse für den Raspberry Pi 2. Derer gibt es unzählige, aber die Meisten sind eher zweckmäßige Plastik-Hülsen und taugen für ein hochwertiges Wohnzimmer-Feeling nur begrenzt. Während ich diesen Artikel geplant habe, bin ich glücklicherweise auf die Gehäuse von S-Case.org gestoßen. Das in Baden-Württemberg ansässige Unternehmen hat sich zur Aufgabe gemacht, die wohl hochwertigsten Gehäuse für den Raspberry Pi herzustellen. Kurzerhand hat mir das freundliche Team von SCase ein matt-schwarzes Aluminium Gehäuse aus der SCase V1 Serie zur Verfügung gestellt. Dafür besten Dank.

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Im Wohnzimmer macht das SCase eine ausgesprochen gute Figur

Das Ziel, einen hochwertigen Apple TV Look nachzubilden, erreicht das Gehäuse voll und ganz. Das Case ist vollständig aus dickem Aluminium gefertigt und macht einen extrem stabilen und edlen Eindruck. Der Raspberry Pi 2 passt perfekt hinein und die Montage ist schnell erledigt. Alle nötigen Tools und Teile sind im Lieferumfang enthalten und binnen weniger Minuten ist der Zusammenbau fertig. Der Clou an den SCases ist zusätzlich, dass das Alu-Gehäuse innen Stempel hat, die die Chips des Raspberry Pi 2 berühren. Über (ebenfalls mitgelieferte) Wärmeleitpads wird das gesamte Metallgehäuse so zum großen Kühlkörper. Das ist nicht uninteressant für die, die den Raspberry im Dauerbetrieb laufen lassen oder sogar übertakten wollen. Einzig die Tatsache, dass die SCases von Außen keinen Zugriff auf die SD-Karte erlauben, ist etwas bedauerlich. Anderes wäre der edle schlichte Look aber wohl nicht zu erreichen gewesen. Insgesamt hält das SCase aber alles, was es verspricht und für edle Wohnzimmer-Lösungen sehe ich keinerlei Konkurrenz.

Die Montage des SCase

Die Montage des SCase

Rückseite mit Anschlüsse

Rückseite mit Anschlüsse

Vorderansicht

Vorderansicht

Gegen eine grundsätzliche Schwäche des Raspberry Pi (2) ist das schöne SCase dann aber doch machtlos: Die Positionierung der Anschlüsse. HDMI und Stromanschluss sind auf der einen und der Ethernetport auf der anderen Seite verbaut. Es ist also nicht möglich, alle Kabel an nur einer Seite vom SCase wegzuführen. Abhilfe schafft hier nur ein WLan-Dongle, der das Ethernet-Kabel erspart.

Und was ist mit der Fernbedienung?

Bei alledem fehlt natürlich noch ein entscheidendeer Teil: Die Fernbedienung. Leider hat der Raspberry keine Infrarot-Schnittstelle, was die Nutzung klassischer Fernbedienungen erschwert. Als Lösung bieten sich drei Alternativen an: Entweder man nutzt CEC, bastelt etwas oder man nutzt die offizielle KODI-Remote App für iOS und Android.

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Als Fernbedienung benutzte ich die offizielle KODI-App

Die CEC Kompatibilität ist sicher für viele die einfachste Lösung. Auch bei mir konnte ich den Raspberry grundlgend über die Fernbedienung des Fernsehers steuern, aber für den Zugriff auf Sondertasten ist CEC meiner Meinung nach nicht ideal. Die Bastellösung wiederum besteht entweder aus dem Flirc-USB-Dongle, der einen Infrarot-Port nachrüstet oder aus einem Selbstbau. Man löte sich dafür einfach kurzerhand selbst einen Empfänger auf die dafür vorgesehenen Kontakte der Raspberry Platine. Eine Anleitung dafür findet ihr unter anderem im sehr lesenswerten PowerPi.de Blog. An dieses kleine Detail will ich mich auch noch wagen. Vorerst nehme ich aber mit Variante Drei Vorlieb, der offiziellen KODI-App, die alles mitbringt, was ich zum Bedienen meines Apple TV Nachbaus benötige.

Fazit: Ein lohnenswertes Experiment?

Am Ende dieses kleinen Experiments stehe ich nun mit einem schicken kleinen Raspberry Pi 2 da. Das hochwertige SCase sorgt für den notwendigen edlen Look auf dem Wohnzimmer-Tisch und das installierte Openelec bietet alles, was auch mein dicker HTPC über KODI bot. Tatsächlich funktionieren Live TV, Datenbank und Mediatheken so gut, dass ich meinen dicken PC im HiFi-Format vorerst aus dem Wohnzimmer verbannen konnte.

Natürlich summieren sich alle nötigen Teile aber zu einer recht beträchtlichen Summe von gut 100 € zusammen. Das schicke Case, der Raspberry selbst sowie Stromadapter und Kabel kommen am Ende auf eine Gesamtsumme, für die man teilweise schon Komplettlösungen wie die WeTek OpenElec Box bekommt. Genau die werde ich mir auch als Nächstes anschauen, vor allem weil dort WLan, Bluetooth, DVB-S2 und sogar eine Fernbedienung bereits im Lieferumfang enthalten sind. Allerdings: So klein und edel wie mein Apple TV Nachbau sind alle diese Komplettsysteme nicht. Wer nicht nur ein pragmatisches Zweckgehäuse, sondern einen wirklichen Hingucker aus seinem Raspberry Pi 2 machen will, der kommt kaum an dem SCase und einem Selbstbau vorbei.

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