Die Smartwatch ist als „Next Big Thing“ gescheitert

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Man könnte denken, es wäre mein literarisches Hobby, den Untergang aller möglichen Gadgets, Plattformen oder Hersteller heraufbeschwören. Nun gut, ich gebe zu, dass mich das große Finale, der große Knall, das Apokalyptische immer schon mehr gereizt haben als die hoffnungsvollen Anfänge. Vielleicht war ich deshalb auch mit meiner Untergangs-Vorhersage für Windows Phone so früh dran und vielleicht beschwöre ich deshalb auch schon jetzt umwälzende Veränderungen durch Googles Chrome OS herauf. Ich kann mir jedenfalls nicht anders helfen, als heute ein weiteres Scheitern anzusprechen: Das der Smartwatch.

Ich bin Smartwatch-Fan

Dabei muss ich aber zunächste klarstellen, dass diese Prognose nichts damit zu tun hat, dass ich Smartwatches sinnlos oder unnütz finde. Nein, im Gegenteil: Ich bin bekennender Fan der Pebble Uhren und trage meine Pebble Time Steel täglich. Ich werde mir im Herbst garantiert auch den Nachfolger, die Pebble Time 2, zulegen. Die komfortablen Benachrichtigungen und das Fernsteuern von Spotify direkt vom Handgelenk aus sind aus meinem Alltag nicht mehr wegzudenken. Auch die schicke Moto 360 (2015) schnalle ich mir derzeit immer wieder um mein Handgelenk.

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Trage ich regelmäßig: Die Moto 360 und die Pebble Time Steel

Aber ich bin auch Fan von Heavy Metal oder Home Theater PCs, ohne dass dieser Musikstil oder diese Geräte deshalb gleichbedeutend mit immenser wirtschaftlicher Bedeutung oder populärer Verbreitung sind. Genau das hat man sich allerdings von Smartwatches erhofft.

Anfang 2014 habe ich in einem Artikel vollmundig geschrieben: Das Jahr 2014 wird das Smartwatch-Jahr. Damals dürfte der Smartwatch-Hype auf seinem Höhepunkt gewesen sein. Google hatte gerade auf der Google I/O 2014 Android Wear vorgestellt, Pebble lieferte die endlich sehenswerte Pebble Steel aus und am Horizont war die Apple Watch absehbar, mit der man sich den endgültigen Durchbruch der Produktkategorie „Smartwatch“ erhoffte.

Die Hoffnung war 2014 schlicht und ergreifend, in der Smartwatch die neue Cash Cow gefunden zu haben. Die Industrie brauchte einen Goldesel, der – ähnlich wie das Smartphone-  zum Massengeschäft werden konnte. 2014 dürfe gleichzeitig auch das Jahr gewesen sein, in dem die Tablet-Blase zu platzen begann. Die Absätze gingen zurück und das Versprechen neuer Produktivität verpuffte. Es galt also, ein Produkt zu finden, das man wie das Smartphone und das Tablet in kurzen Produktzyklen praktisch jedermann verkaufen konnte. Die Hoffnung also: Wie beim Smartphone würde man nun jedem Konsumenten auch die passende Smartwatch andrehen, Milliardenabsätze inklusive.

Die Suche nach dem „Next Big Thing“

Und genau damit, so meine ich, ist die Smartwatch gescheitert. Nicht als valides, nützliches Gadget, sondern als „Next Big Thing“ für die verkaterten Hersteller, die am Morgen nach der rauschenden Smartphone-Party nach dem neuen Kick suchten. Da wäre etwa Samsung, das sich komplett von Android Wear verabschiedet hat, oder Pebble, das jüngst mit unerfreulichen Entlassungen auf sich aufmerksam machen mussten. Vor allem aber hat sich noch immer keine richtige Antwort auf die Frage gefunden, was genau eine Smartwatch denn nun sein soll. Fitness-Gadget? Nachrichten-Anzeiger? Home-Automation-Fernbedienung oder gar Ersatz für das Dumbphone? So richtig konnte sich keines dieser Szenarien durchsetzen. Aber selbst die fundamentalen Fragen sind weiterhin ungeklärt. Sollen Apps zum Beispiel auf der Uhr laufen oder nur Informationen vom Smartphone durchreichen? Funktioniert eine Smartwatch besser mit Tasten oder per Touch-Bedienung?

Bisher scheint nicht einmal Apple eine Antwort auf diese Sinn-Frage zu haben. WatchOS, das Betriebssystem auf der Apple Watch, hat seit dem Release der Uhr vor gut einem Jahr bereit das dritte große Software-Release durchgemacht. Mit WatchOS 3 werden die ehemaligen Vorschau-Anzeigen („Glances“) quasi abgeschafft und die Tasten mehr oder wenig komplett neu belegt. Das gleiche Spiel geschieht bei Android Wear, das mit Version 2.0 sein Konzept auch weitgehend überdenkt. Bei Android Wear geht es sogar so weit, dass ein früher optionales Bauteil, die Standby-Taste, plötzlich unverzichtbar wird und die neue Software daher nicht auf der gerade einmal zwei Jahre alten LG G Watch laufen wird. Konzeptionelle Klarheit sieht anders aus.

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Nach zwei Jahren schon keine Updates mehr: LG G Watch

Natürlich waren auch Smartphones nicht aus dem Stehgreif das, was sie heute sind. Mit dem iPhone wurde 2007 aber unmissverständlich klar, was der Reiz und was der Mehrwert eines Smarthones ist und auch heute, zehn Jahre später, hat sich an dem Konzept des Smartphones praktisch nichts gegenüber den Kern-Argumenten geändert, die Apple damals mit dem ersten iPhone auf den Punkt brachte. Die Smartwatch hingegen kämpft noch immer um ihre Identität.

Mit VR wartet schon der nächste Hype

Was mich neben der anhaltenden Selbstfindung und der damit einhergehenden Verunsicherung bei Herstellern und Käufern aber letztlich zu der Annahme führt, die Smartwatch hat ihre Heilsbringer-Tage hinter sich, ist die Tatsache, dass wir bereits einen Nachfolge-Hype haben: Virtual Reality. Die Smartwatch war so lange im Fokus, wie die Industrie nichts Besseres finden konnte. Aber das hat sie nun: Von HTC über Samsung bis Microsoft: Alle großen Elektronikkonzerne versuchen sich an diversen VR-Konzepten. Denn erneut winkt das Versprechen, ein Produkt schaffen zu können, das praktisch jedem Menschen auf der Erde verkauft werden kann und für das viele Hundert, wenn nicht Tausend, Euro verlangt werden können.

Die Smartwatch hingegen hat ihren Moment im Rampenlicht gehabt und konnte ihn nicht nutzen. Man muss angesichts dessen im Grunde Oneplus ein Kompliment dafür aussprechen, dass deren gesunde Skepsis so groß war, sich gar nicht erst auf den Smartwatch-Hype einzulassen. HTC hingegen soll laut evleaks noch immer mit dem Gedanken zu spielen, im Sommer seine Uhr zu veröffentlichen. Doch warum jetzt noch?

Ist die Smartwatch ähnlich wie 3D-Displays auf Smartphones komplett gescheitert? Nein, das denke ich nicht: Die Smartwatch hat in der ein oder anderen Form ihre Nützlichkeit bewiesen. Es gibt einen Markt für sie. Aber dieser Markt ist eine Nische, so wie es High-End-Grafikkarten oder Heim-Server sind.

Wird die Smartwatch aus dem Portfolio aller Hersteller verschwinden? Nein, auch das nehme ich nicht an: Jedenfalls Apple scheint – trotz etwas enttäuschender Absatzzahlen – mit seiner Apple Watch genug Gewinn zu machen, dass es sich das Hobby weiter „gönnt“. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir wie beim iPhone jährliche Hardware-Updates sehen werden. Stattdessen wird die Apple Watch wohl wie der Apple TV nur hin und wieder ins Rampenlicht gerückt werden und ansonsten als Nischenprodukt gepflegt.

Die Frage ist doch letztendlich: Wie vermarktet man eine Smartwatch? Ich persönlich halte die Basics noch immer für die überzeugendsten Argumente: Benachrichtigungen, Fernsteuerung und grundlegende Gesundheitsfunktionen. Mein Mit-Autor Christian etwa hat sich vor Kurzem für eine Pebble Time entschieden, primär um ein bisschen mit dem Schlaftracking zu spielen. Mittlerweile schwört er auf die nützlichen Benachrichtigungen und die Möglichkeit blind am Handgelenk seine Hörbücher zu steuern (Aber vielleicht berichtet er davon bald besser selbst). Entscheidend scheint mir dabei, dass es eben nur schwer auf den Punkt zu bringen ist, welche Vorteile eine Smartwatch bringt. Stattdessen muss man sie einfach ausprobieren.

Einen selbstständigen „Haben Will“ Faktor hingegen konnte die Smartwatch bisher im Massenmarkt nicht auslösen. Und das dürfte ihr Scheitern maßgeblich verursacht haben.

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