Das Smartwatch Jahr 2014: Rückblick und Ausblick

Smartwatches gelten als die neue Goldmine im mobilen Markt. Jedenfalls sind sich die meisten Technikseiten, Blogger und Youtuber darin einig, dass Wearables der Trend der Stunde sind. Auf der IFA wird reihenweise neue Android Wear Hardware erwartet und vor allem die Moto 360 steht vor der Tür. Allerdings: So richtig in Fahrt kommen die Absatzzahlen bisher nicht und so mancher fragt sich, was genau überhaupt eine Smartwatch ausmacht. Für alle, die erst jetzt ins Thema einsteigen, und solche, die vor der IFA noch einmal ihre Gedanken sammeln wollen, hier mein Rückblick und Ausblick auf das Smartwatch Jahr 2014.

Rückblick: Der Aufstieg einer neuen Klasse

Die Geschichte der Smartwatches beginnt natürlich nicht erst dieses Jahr. Wie so oft gab es erste Versuche in der Geräteklasse schon vor Jahren. Beispielsweise hat Microsoft schon 2004 mit der SPOT eine Art Smartwartch vorgestellt. Es dürfte aber wenig Streit darüber herrschen, dass die klassische Pebble Anfang 2013 die wohl erste ernstzunehmende Vertreterin dieser Klasse war (mehr: Pebble 2.0 Review und Vergleich: iOS, Android und WP8). Die Kombination aus nerdig farbenfroher Optik, langer Laufzeit und der guten Zusammenarbeit mit Android und iOS machte Pebble praktisch über Nacht zum Vorreiter und Taktgeber der neuen Gerätekategorie.

Pebblerechts

Der Pionier: Die klassische Pebble

All das war aber nur ein Vorspiel im Vergleich zu dem, was Pebble im Frühjahr 2014 überraschend vom Stapel ließ. Im Januar stellte Pebble auf der CES 2014 die Pebble Steel vor und brachte mit dem edlen Design zum ersten Mal echte optische Alltagstauglichkeit in den Markt. Zusammen mit den bekannten Stärken der Pebble Uhr ergibt das auch in meiner Review zur Pebble Steel ein Gesamtpaket, das noch immer meine Smartwatch der Wahl darstellt.

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Der Durchbruch? Pebble Steel

Fast zeitgleich startete Samsung seinem eigenen Versuch und veröffentlichte Ende 2013 und Anfang 2014 binnen kürzester Zeit die erste und zweite Generation seiner Galaxy Gear Serie auf stark modifizierter Android Basis. Während die erste Version dank klobigem Design und schwacher Akkulaufzeit eher belächelt wurde, hat Samsung zuletzt mit dem Komplettaustausch des Betriebssystem (Tizen!), neuer Varianten und besserer Akkulaufzeit ordentlich Boden gutgemacht. Das Problem: Bisher arbeiten die Galaxy Gear Geräte nur beschränkt mit Geräten außerhalb des Samsung Kosmos zusammen.

Wirklich spannend wurde es im März 2014, als Google zusammen mit Motorola Android Wear und die immer noch heiß erwartete Moto 360 vorstellte. Android Wear habe ich mir auf der LG G Watch bereits ausführlich angesehen und was bisher zu sehen ist, verspricht durchaus Großes. Zudem kündigt sich bereits der Nachfolger, die LG G Watch 2 an.

Auch im Vergleich zum Gehäuse ist das Display recht klein

Android Wear naht mit großen Schritten

Zwar ist die Software noch nicht überall ausgereift und die Kombination aus Touchscreen und Always-On-Konzept stellt die Batterietechnik doch noch arg auf die Probe, aber die nahtlose Integration in Android und die Spracheingabe machen Android Wear bereits zu einem sehr spannenden Paket. Die derzeit verfügbare Hardware ist zwar noch recht schlicht, aber die Moto 360 schickt sich an, genau das zu ändern. Die zeitgleich zur IFA stattfindende Keynote von Motorola wird die Uhr mit dem runden Display enthüllen und Android Wear dürfte sein erstes optischen Schmuckstück erhalten. Besonders bemerkenswert: Zum ersten Mal in der Android-Geschichte verbietet Google optische Anpassungen der Android (Wear) Software.

Die derzeitige Marktlage

Kurz vor der IFA Anfang des nahenden Septembers stehen sich also im Grunde zwei verschiedene Systeme gegenüber: Pebble und Android Wear.

Während Pebble vor allem auf breite Kompatibilität und lange Akkulaufzeit setzt, geht Google mit Android Wear eher den futuristischen Weg und setzt neben Touchscreen und Sprachinterface auch auf weitere Sensoren wie Pulsmesser. Pebble hat zwar die größere und – so scheint es mir – hingebungsvollere Fanbase, aber gegen die Macht von Google ist Pebble in jeder Hinsicht der sprichwörtliche David. Beide Kontrahenten scheinen aber unbeirrt damit zu rechnen, dass sie einen neuen Markt entdeckt haben.

Diese Wahrnehmung steht dabei im starken Kontrast zur tatsächlichen Marktdurchdringung. Die Abssatzzahlen aller Wearables zusammen werden derzeit mit nur etwa 15 Mio. Exemplare für 2014 geschätzt. Zu dieser Situation passt es, dass der bekannte Analyst Jan Dawson jüngst prophezeit hat, dass nur Apple und Samsung das Zeug hätten, auf dem neuen Markt dauerhaft Profit zu erwirtschaften. Ist der Smartwatch-Trend also eher ein Schein-Trend? Jedenfalls Pebble kann bisher auf wirtschaftlich recht erfolgreiche 2 Jahre zurückblicken und Google sowie Samsung haben ohnehin das Geld, neue Produktkategorien so lange durchzufüttern, bis sie am Markt Fuß fassen.

Was ist eigentlich eine Smartwatch?

Die Kontrahenten haben also bereits damit begonnen, ihre Claims abzustecken. Allerdings: Trotz all der verschiedenen Software- und Hardwarevariationen, die die junge Produktekategorie seit 18 Monaten hervorbringt, herrscht noch immer kein richter Konsens darüber, was genau eine Smartwatch eigentlich ausmacht.

Einigkeit herrscht eigentlich nur soweit, dass sich das Gerät ans Handgelenk binden lassen muss und neben der Uhrzeit Funktionen bietet, die ansonsten vom Smartphone bekannt sind. Zusätzlich scheint es bereits Konsens, dass die Uhr Benachrichtigungen vom Smartphone wiedergibt. Damit enden die Gemeinsamkeiten aber. Muss eine Smartwatch auch einen Rückkanal bieten? Sollte sie gar völlig autark mit eigenem WLan und eigener Sprachverbindung das Smartphone ersetzen? Oder sind eingebaute Sensoren für biometrische Daten der große Fortschritt?

GIO14NexusGWatch

Smartwatch und -phone. Was unterscheidet sie?

Ich persönlich finde diese Frage aktuell fast interessanter als die Diskussion um Hardwaretasten versus Touchscreen oder Debatten um ideale Akkulaufzeit. Das Konzept kleiner mobiler Computer am Handgelenk bietet derart viele Anwendungsmöglichkeiten, dass wir in 2 bis 3 Jahren wahrscheinlich lachen werden, wenn wir auf die Anfänge zurückblicken, die im Grunde nichts weiter als Benachrichtigungs-Weiterleiter waren. Von mobilem Bezahlen bis zu persönlichen Zugangsschlüsseln zum Smartphone sehe ich einiges, was bisher kaum erschlossen ist. Vor allem wird eine weitere Verbreitung der Smartwatch aber die Sicherheit des Bluetooth Standards auf die Probe stellen. Wenn in zukünftigen Gerätegenerationen vermehrt hochsensible biometrische Daten verarbeitet werden, hoffe ich doch, dass es nicht mehr so einfach wie bisher sein wird, sich mit einer Antenne in die Ecke zu setzen und den Datenverkehr zwischen hunderten Smartphones und -watches mitzulauschen.

Neue Herausforderer am Horizont

Soweit, so gut. Bisher ist der Smartphone-Markt also vor allem eine Sammlungen von Ideen und Vorstellungen ohne das bereits Einigkeit darüber herrscht, was diese Rubrik in Zukunft definieren wird. Da verwundert es nicht, dass derzeit sehr viele gespannt auf den letzten großen Herausforderer warten: Apple.

Im Grunde wird seit dem Auftauchen von Pebble halbjährlich damit gerechnet, dass Apple sich mit einer eigenen Idee einer Smartwatch an die Öffentlichkeit wagt. Bisher blieben diese Erwartungen Luftschlösser und ich bin mir nicht sicher, ob die aktuellen Gerüchte um einen Marktstart zusammen mit dem nächsten iPhone im Herbst besonders realistisch sind. Apple hat viel zu verlieren. Die Akkutechnik erlaubt meiner Ansicht nach bisher keine Geräte, die Apples Ansprüche an Funktion und Design gerecht würden. Andererseits hat Apple auch in der Vergangenheit nicht davor zurückgeschreckt, etwas halbgare Technik mit mäßiger Akkulaufzeit auf den Markt zu werfen (erinnert sich jemand an die miese Laufzeit des iPhone 3G?). Auch die Vorstellung des Healthbook für iOS 8 würde eigentlich sehr viel Sinn ergeben, wenn mit Wearables auch entsprechende Sensoren vorhanden wären.

Völlig unter dem Smartwatch-Radar fliegt derzeit übrigens Microsoft. Zwar gab es immer wieder vereinzelte Gerüchte um eine eigene kluge Uhr, aber die aktuelle Neuausrichtung auf Services und Cloud machen es meiner Ansicht nach sehr unwahrscheinlich, dass in dieser Hinsicht bald etwas aus Redmond kommt.

Fazit: Nische oder Zukunft?

Obwohl ich seit der ersten Pebble immer wieder eine Smartwatch getragen habe und aktuell sehr mit meiner Pebble Steel zufrieden bin, kann ich die vielen Stimmen verstehen, die in Frage stellen, ob Smartwatches wirklich ein Trend für die Zukunft sind oder ähnlich wie 3D-Displays eine Eintagsfliege bleiben werden. Aktuell tendiere ich aber zu ersterem. In jedem Fall werden sich Smartwatches wohl als Nische etablieren. Ob es dabei aber eher auf Gadgets für Nerds hinausläuft, die die ohnehin nötige Uhr mit etwas Spielkram aufpeppen wollen, oder ob wir wirklich in ein paar Jahren nur noch über unsere Handgelenke telefonieren, ist schwer zu sagen.

Ich beende diesen Beitrag daher bewusst offen und frage euch, was ihr von Smartwatches erwartet? Geht es allein um tolles Design wie bei der Moto 360 oder steht uns da tatsächlich der heraufbeschworene Paradigmenwechsel ins Haus?

Ich bin gespannt: See you in the comments!

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