LG G Watch R Test und Vergleich: Sportlicher Look mit Kompromissen

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Das Jahr 2014 endete wie es vorhergesagt wurde: als Jahr der Wearables. Zwar lässt sich trefflich darüber streiten, ob letztes Jahr ein Fortschritt bei der Frage erzielt wurde, was genau eine Smartwatch eigentlich zu sein hat. Trotz dieser ungeklärten Grundsatzfrage erreichte uns Ende 2014 bereits die zweite Generation von Android Wear Uhren. Derer vielleicht interessantester Vertreter ist die runde Smartwatch von LG, die LG G Watch R. Ich habe die Uhr eine Weile getragen und wage eine Einschätzung und einen Vergleich zur Smartwatch-Konkurrenz.

Den Vorgänger, die LG G Watch, habe ich bereits im August 2014 ausführlich ausprobieren können und damals gegen die Pebble Steel Uhr antreten lassen. Meine Kritikpunkte an der ersten G Watch waren das etwas langweile Äußere, die schlechte Ablesbarkeit im Sonnenschein sowie die Schwächen des damals noch jungen Android Wear Betriebssystems.

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Der Vorgänger: Die etwas öde LG G Watch

Besonders das Betriebssystem hat sich mittlerweile zwar spürbar weiterentwickelt. In meinem Bericht über Android Wear 5 und Android Lollipop erkläre ich aber, warum mich das Uhren-Android trotz der jüngsten Fortschritte noch immer nicht richtig überzeugt. Wer sich für die aktuellen Schwächen und Stärken von Android Wear interessiert, dem lege ich den verlinkten Artikel ans Herz. Heute soll es nämlich vor allem um die Hardware, die runde LG G Watch R, gehen. Und die ist im Vergleich zur ersten G Watch ein großer Fortschritt.

Sportlicher Look oder klobige Ausrede?

Die LG G Watch R ist keine dezente Smartwatch. Sie ist breit, groß und dick. Sie versucht ihre Größe allerdings auch zu keinem Zeitpunkt zu verstecken. Stattdessen geht LG mit der vermeintlich klobigen Optik sehr offensiv um und positioniert die G Watch R optisch nahe an bekannten Sportuhren. Mir persönlichen kommt etwa die G-Shock Serie als Vergleich in den Sinn. Der üppige Rahmen um das Display mit seinen Sekundenmarkierungen, der ausladende Bandanstoß und die betonte Krone am Rahmen zeigen klar, das LG nicht das Ziel hatte, die filigranste Smartwatch der Welt zu designen. Ich will es aber ganz ehrlich sagen: Für mich sind Smartwatches vor allem Accessoires, die zwar nützliche Extras bieten, aber zu allererst optisch überzeugen müssen. Und in dieser Hinsicht tue ich mich mit der G Watch R sehr schwer.

Sie ist mir schlicht zu dominant am Handgelenk. Trotz des kleineren Displays ist sie beispielsweise größer als die für mich schon grenzwertige Moto 360. Sie wirkt einfach nicht elegant und dezent genug für mich. Ich bin mir zudem nicht ganz sicher, ob mich der sportliche Look argumentativ überzeugt. Die Uhr wird mit Lederarmband geliefert, was beim Sport nicht besonders sinnvoll ist. Zudem haben die Markierungen am Rahmen keine andere Funktion, außer zu kaschieren, dass sich in dem recht üppigen Gehäuse nur ein 1,3 Zoll Display befindet. Ich habe insgesamt eher das Gefühl, dass LG das – sicher lobenswerte – Ziel hatte, einen möglichst großen Akku zu verbauen und dementsprechend das (gemessen am Display) große Gehäuse irgendwie „verkaufen“ musste.

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Das Armband ist angenehm weich und wechselbar

Das Armband hat mir wiederum recht gut gefallen. Natürlich wurde mein Testexemplar schon von dem ein oder anderen Kollegen vor mir getragen. Das Leder des Armbands wird deshalb weicher gewesen sein, als es direkt aus der Box ist. Trotzdem meine ich im Vergleich zum furchtbar steifen Armband der Moto 360 die bessere Qualität zu erfühlen. Das Armband ist erfreulicherweise als normales 22mm Armband wechselbar, was es problemlos ermöglicht, Stahl- oder andere Armbänder zu nutzen.

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Das Mikrofon ist erfreulicherweise am unteren Bandanstoß

Ein Detail ist mir bei dem Design schließlich noch sehr positiv aufgefallen: Das Mikrofon für die Android-Wear typische Sprach-Interaktion ist am unteren Bandanstoß verbaut. Anders als bei der Moto 360 etwa, wo sich das Mikrofon auf der linken Seiten befindet, ist der Schallweg also immer frei und wird bei Linksträgern nicht durch die Kleidung versperrt.

Technik vom Feinsten

So sehr das Design eine Geschmacksfrage sein mag: Hinsichtlich Verarbeitung und technischer Ausstattung ist die LG G Watch R ein absoluter Hit. Das Metallgehäuse ist tadellos verarbeitet, die Akkulaufzeit grandios und das Display ist die neue Referenz im Bereich der Android Wear Uhren. Ich erreichte mit der LG G Watch R regelmäßig eine Laufzeit von fast 2 Tagen und das trotz „dauerhaft aktiviertem Display“. Das Display profitiert von der OLED Technik und der derzeit für Smartwatches hohen Pixeldichte von 246 PPI. Dabei ist das Display nicht nur verhältnismäßig scharf, sondern auch im Freien gut ablesbar.

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Auch outdoor noch brauchbar ablesbar (hier: mittlere Helligkeit)

Im Inneren taktet ein Snapdragon 400 Ein-Kern-Prozessor. Und dessen Power verleiht der G Watch R eine fabelhafte Performance. Nichts ruckelt, alles ist flüssig und reagiert perfekt auf Fingereingaben. Erst im Vergleich wird mir klar, dass meine Moto 360 doch dezent träger ist. Diese Erkenntnis tut mir fast weh, aber die Rückkehr zu einer Android Wear Uhr mit Snapdragon Prozessor zeigt mir deutlich, dass Android Wear mit diesem Prozessor einfach noch etwas besser läuft.

Fast perfektes Bedienerlebnis

Im Alltag ergeben der Mix aus wuchtigem Design und grandioser Technik ein sehr gutes, aber nicht perfektes Bedienerlebnis. Mir fiel beispielsweise schnell auf, dass die Android Wear typischen Wischgesten etwas umständlich sein können, weil man stets mit dem Finger in einem „Krater“ hantiert und das Display mit 1,3 Zoll wirklich nicht besonders groß ist.

Das Display der G Watch R ist zudem ein perfekter Kreis und kommt ohne den bei der Moto 360 kritisierten Ausschnitt, den „platten Reifen“, aus. Das mag schön aussehen, hat aber den Nachteil, dass LG auf einen Helligkeitssensor verzichtet hat. Somit bleibt die Uhr immer auf der eingestellten Helligkeitsstufe und passt sich draußen weder hellem Sonnenschein noch drinnen dem wohnzimmerlichen Schummerlicht an. Mich verwundert dabei zusätzlich, dass LG nicht einmal in dem reichlich vorhandenen Rahmen Platz gefunden hat, um einen Helligkeitssensor unterzubringen.

Im Alltag stört mich zudem, dass LG wie bei dem Vorgänger nur eine magnetische Ladeschale zum Laden mitliefert. Das tolle drahtlose Laden der Moto 360 gibt es nicht. Letztlich ist das wahrscheinlich halb so wild, da auf Reisen in beiden Fällen ein seperates Ladehilfsmittel eingesteckt werden muss. Wer – wie ich – aber bereits mit drahtlosen Qi-Ladestationen ausgestattet ist, der verliert zumindest die Option, die Uhr schnell kabellos im Büro zwischenzuladen.

Zuletzt noch ein Wort zu dem, was die G Watch R softwareseitig von anderen Android Wear Uhren unterscheidet: Die Ziffernblätter. Nicht jedem dürfte bekannt sein, dass Google mit Android Wear erstmalig jede Modifikation des Android Betriebssystems verbietet. Die einzige Unterscheidungsmöglichkeit bietet sich den Herstellern bei den mitgelieferten Ziffernblättern und Apps.

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Die Auswahl an Ziffernblätter könnte für meinen Geschmack etwas moderner sein.

Die Ziffernblätter, die LG bei der G Watch R vorinstalliert, bieten für meinen Geschmack einen guten Mix. Sie greifen aber – zu meinem Leidwesen – all zu häufig die sportliche und rustikale Designsprache des Gehäuses auf. So robust und rustikal sich die Uhr äußerlich gibt, so wenig modern wirken viele Ziffernblätter. Ich bin fast versucht, das Modewort „Skeomorphismus“ wieder auszugraben, so sehr scheint LG mit den Ziffernblätter zu versuchen, reale Zeiger und Ziffernblätter zu imitieren. Das ist insgesamt zwar stimmig, aber ich greife bei Smartwatches doch lieber zu abstrakten und modernen Zeitanzeige-Arten.

Unvermeidlich: Vergleich zur Moto 360

So unvermeidlich wie der norddeutsche Nieselregen zu Weihnachten ist auch der Vergleich zur Moto 360. Als „die andere runde Uhr“ ist die Moto 360 aktuell der einzige Konkurrent im Kampf um den Android-Wear-Thron.

Die Akkulaufzeit der G Watch R ist der Moto 360 überlegen, keine Frage. Die G Watch R schafft wie gesagt fast 2 Tage mit dauerhaft aktiviertem Display während die Moto 360 ohne dauerhaft aktiviertes Display auf durchschnittlich 36 Stunden kommt. Allerdings darf man darüber streiten, ob eine zusätzliche Akkulaufzeit von möglicherweise 12 Stunden wirklich so viele Vorteile bietet. Denn faktisch werden die Meisten ohnehin jeden Abend nachtanken. Trotzdem: In stromlosen Situationen habe ich bei der LG G Watch R immer ein paar mehr Reserven.

Die Performance ist ebenfalls besser. Zwar hat sich bei der Moto 360 seit den desaströsen Ergebnissen der Anfangstage extrem viel verbessert. In meiner Review zur Moto 360 habe ich sogar gesagt, dass ich zuletzt keinen echten Unterschied zu Uhren mit Snapdragon 400 Prozessor feststellen konnte. Im Vergleich zur G Watch R merke ich aber doch, dass die 360 hier und da mal ein Bild auslässt und etwas zuckeliger wirkt. Das ist nach wie vor kein Drama, aber bei der G Watch R ist man davon weit entfernt.

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Im Vergleich ist die Moto 360 klar die dezentere Uhr

Der entscheidende Kampf findet für mich aber in der Design-Arena statt. Egal, ob die Konkurrenz einige Stunden mehr Akkulaufzeit bietet oder hier und da flüssiger läuft: Letztlich sind die G Watch R und die Moto 360 Armband-Uhren. Damit kommt der äußeren Erscheinung deutlich mehr Gewicht zu als bei Smartphones. Und für mich gibt es gar keinen Zweifel daran, wer im Vergleich als Design-Sieger hervorgeht: Die Moto 360 ist mit dem schlichten Äußeren und dem fast randlosen Display einfach viel näher an meiner Vorstellung einer „echten Uhr“. Auch der Helligkeitssensor und das kabellose Laden sind für mich Aspekte, weshalb ich die Moto 360 der G Watch R vorziehen würde, trotz des besseren Displays und der besseren Akkulaufzeit der LG Konkurrenz.

Und sonst? Vergleich zur Pebble Steel

Es gibt – auch wenn man den gegenteiligen Eindruck bekommen könnte – noch ein Smartwatch-Leben außerhalb von Android Wear: Abseits der erwarteten Umwälzungen durch die Apple Watch, hält sich besonders Pebble mit seinen beiden Smartwatches, der klassischen Pebble und der Pebble Steel mehr als tapfer.

Jedesmal, wenn ich die Pebble in einen Vergleich mit einbeziehe, bin ich erstaunt, wie stark sich der Underdog weiterhin präsentiert. Natürlich kann die Pebble nicht mit den bunten hochauflösenden Displays der Android Wear Uhren und schon gar nicht mit dem der G Watch R mithalten, aber in Sachen Akkulaufzeit und Outdoor-Tauglichkeit macht der Pebble nach wie vor niemand etwas vor. Im Vergleich zur G Watch R schlägt sich die Steel zudem gerade in der Design-Kategorie erstaunlich gut. Zwar kann die G Watch R das runde Display für sich verbuchen, aber beide Uhren sind eher robuste Vertreter der Smartwatch-Gattung und gleichen sich zudem sehr bei der Displayfläche.

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Die Pebble schlägt sich schon rein äußerlich sehr beachtlich gegen die G Watch R

Die Pebble Uhren haben nach wie vor den Vorteil, dass sie sich auf einige Kernfähigkeiten konzentrieren. Statt alles ein bisschen, macht die Pebble weniges sehr gut. Benachrichtigungen, Musikkontrolle, Uhrzeit anzeigen: all das macht die Pebble hervorragend. Mittlerweile ist die Software derart ausgereift, dass man unter iOS etwa Benachrichtigungen auf der Uhr als gelesen markieren kann und unter Android kündigt sich die baldige Kompatibilität mit Android Wear an. Das bedeutet: Auch mit der Pebble kann man bald Twitter-Erwähnungen favorisieren oder Threema-Chats als „gelesen“ markieren. Die Wenigsten brauchen im Alltag viel mehr und deshalb sind und bleiben die Pebble Uhren eine klare Empfehlung von mir.

Meine Wertung zur G Watch R

Was ist nun von der G Watch R zu halten? Das Ergebnis scheint eindeutig: Wer nach einer runden Android Wear Uhr sucht und dabei die derzeit beste Technik will, der greift ohne Zögern zur G Watch R. Akkulaufzeit, Display und Performance sind weitgehend unerreicht. Auch wer viel im Freien unterwegs ist und sich mit einem robusten Gehäuse wohler fühlt, greift zur G Watch R. Schließlich: Auch wer grundsätzlich eine gut verarbeitete und angenehm tragbare Smartwatch sucht, der macht mit der G Watch R nichts falsch.

Wer das große „Aber“ schon kommen hört, der hört richtig. Denn wer eine optisch schlichte und elegante Smartwatch sucht, die auch unterm Anzug und im Büro edel wirkt, der greift meiner Meinung nach immer noch zur Moto 360. Wer bereits Erfahrungen mit drahtlosem Laden hat, dem bieten sich außerhalb der Moto 360 ebenfalls keine Alternativen. Die G Watch R ist eine exzellente Android Wear Uhr mit vielen Stärken, aber zu diesen gehört für mich leider nicht das Design. Da genau das für mich aber entscheidend ist, müsste ich persönlich der G Watch R eine Absage erteilen. Ich muss aber gestehen: Gerade das Display und die tolle Laufzeit machen es mir nicht leicht.

Was denkt ihr über die G Watch R? Worauf achtet ihr bei Smartwatches? Ist die verbaute Technik entscheidend, oder nehmt ihr für eine tolle Optik auch Einbußen in Kauf?

See you in the comments!

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