Android Lollipop: Mein Eindruck von der finalen Version für Smartphones und Android Wear

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Ich habe mir bereits im Juli die Preview von Android 5 (genannt: Lollipop, damals „Android L“) angesehen. Die Verbesserungen haben mir zwar sehr gut gefallen, es gab allerdings noch einige Fragezeichen und natürlich war Android Wear noch nicht im Gespräch. Letzte Woche erreichte mich Version 5.0.1 von Android Lollipop sowohl auf dem Nexus 5 als auch auf der Moto 360. Meine Eindrücke der neuesten Android Version, die erstmals parallel für Smartphones und Smartwatches designt wurde, lest ihr in diesem Artikel.

Die Integration von Material Design im Ökosystem

Abseits aller Neuheiten in der Bedienung legt Google großes Gewicht auf die neue Designsprache, genannt „Material Design“. In meinem Artikel zur Preview habe ich bereits versucht, zusammenzufassen, was genau „Material Design“ bedeutet. Kurz gesagt verbirgt sich dahinter die Betonung von Animationen, Übergängen und Schattierungen. Zusammen mit neuen Schriftarten und Farbpaletten ergibt das Ganze eine sehr moderne, lebendige und organische Optik.

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Material Design (links Telefon, rechts Kalender)

Der Schwerpunkt liegt dabei spürbar darauf, dass Objekte nicht mehr aus dem Nichts aufpoppen, sondern einen natürlichen Ursprung haben. Das ist natürlich nicht gerade eine Revolution, sondern derzeit ein bekannter Trend. Apple hat beispielsweise mit iOS 7 viel Transparenz eingeführt. Wo Apple also mit Hilfe von durchsichtigen Flächen dem Nutzer zeigt, auf welcher Bedienebene er sich befindet, realisiert Android Lollipop das nun mit Schattierung und vielen, vielen, vielen Animationen.

Im Alltag macht sich das in vielen Details bemerkbar. Zieht man die Benachrichtigungszentrale herunter, entfalten sich Stück für Stück zuerst die einzelnen Benachrichtigungskarten. Zieht man sie noch weiter nach unten, rollen und schieben sich die Schnellzugriffe und die Akkuprozentanzeige ins Bild. Wer das Ganze mit einer sehr langsamen Fingerbewegung tut, sieht sehr deutlich, wie spielerisch und detailiert jedes Element an seinen Platz wandert und eben nicht mehr – wie früher – aus dem Nichts erscheint.

Google hat aber noch viel mehr geplant. So sollen diese natürlichen Übergänge nicht bloß isoliert in einzelnen Animationen auftauchen, sondern auch einzelne Apps miteinander verbinden. In der Praxis ist davon noch nichts zu sehen. Obwohl viele meiner Apps bereits die neue Designsprache adaptiert haben, wirken sie auf mich nach wie vor wie unabhängige Einzelstücke. Ja, die Apps schieben sich jetzt neu von unten herein, aber bisher ist nichts davon zu sehen, dass Bedienelemente sich über Appgrenzen hinweg transformieren.

Das neue Benachrichtigungskonzept

Eng mit Material Design verbunden ist das neue Benachrichtigungskonzpet. Das macht sich für mich bei zwei Punkten bemerkbar:

Erstens sind die Benachrichtigungen endlich auf dem Lockscreen sichtbar. Wie es bei iOS seit einigen Jahren Standard ist, wird der Inhalt von Nachrichten, E-Mail und App-Hinweisen jetzt direkt auf dem Lockscreen angezeigt, kann gelesen, weggewischt und vor allem durch Doppeltipp direkt aufgerufen werden. Das alles ist optisch so ähnlich aufgemacht wie die Infokarten in Google Now und Google Plus und dürfte vielen iOS Nutzern sehr bekannt vorkommen.

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Benachrichtigungen jetzt auch auf dem Sperrbildschirm, wie bei iOS (links)

Zweitens verdecken die Benachrichtigungen nicht mehr den gesamten Homescreen. Zog man bisher die Benachrichtigungsleiste herunter, überdeckte die stets den gesamten Homescreen, auch wenn nur eine einzige Benachrichtigung angezeigt wurde. Jetzt mit Lollipop zeigt die Benachrichtigungsebene nur einzelne Benachrichtigungskarten und lässt ansonsten den Homescreen sichtbar.

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Endlich verdeckt das Benachrichtigungsmenü nicht mehr den gesamten Homescreen

Gerade die Nachrichten auf dem Homescreen finde ich sehr praktisch. Natürlich ist das auch ein Datenschutzrisiko, aber in den Einstellungen lässt sich regeln, dass und welche Apps als sensibel eingestuft werden. So wird bei diesen Apps dann nicht  der gesamte Inhalt angezeigt. Da hat Google erfreulicherweise mitgedacht.

Allgemeine Veränderungen im System

Zu den beiden offensichtlichen Veränderungen (Material Design und Benachrichtigungen) gesellen sich viele kleine Details. Neben einer Taschenlampe direkt im Schnellzugriffmenü gibt es nun die Möglichkeit, Gastbenutzern über die neue Kontoverwaltung Zugriff auf das Gerät zu geben, und es gibt einen neuen Batteriesparmodus. Ich möchte mir aber drei Aspekte herausgreifen, die ich im Alltag besonders erwähnenswert finde:

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Es gibt keinen Lautlos-Modus mehr!

Erstens wäre da das allerorts heiß diskutierte Problem mit dem Lautlos-Modus. Anders als früher, lässt sich bei Lollipop die Lautstärke nur bis zum „Vibrationsmodus“ absenken. Der früher danach erreichbare Lautlos-Modus wurde gestrichen und durch das neue Prioritäten-Konzept ersetzt. Betätigt man die Lautstärketasten, erscheinen unter dem Regler drei Auswahlmöglichkeiten, die zwischen „Keine“, „Wichtig“ und „Alle“ wählen lassen. Der Modus „Keine“ soll dabei scheinbar der Ersatz für den ehemaligen Lautlos-Modus sein. Allerdings blockiert der wirklich alle Töne, auch die des Weckers, und ist vor allem auch immer nur zeitweise bis maximal 8 Stunden einstellbar. Wie bei Vielen löste das bei mir ein ratloses Staunen aus. Das System wirkt absolut nicht durchdacht. Gut, dass der Lautlos-Modus mit Android 5.1 wieder Einzug halten soll.

Die Verschlüsselung dauert meist unter einer Stunde

Die Verschlüsselung ist unter Lollipop jetzt vorgegeben

Zweitens wäre da die Zwangsverschlüsselung, die für einige Kritik sorgt. In meinem Artikel „Smartphone Verschlüsselung: Android, iOS und Windows Phone 8 im Vergleich“ habe ich die Unterschiede und die generellen Vorteile einer Smartphone-Verschlüsselung erklärt. Neu unter Lollipop ist nun, dass die früher frei wählbare Verschlüsselung zur Pflicht geworden ist. Ein Gerät mit Android Lollipop wird beim Zurücksetzen automatisch voll verschlüsselt. Das ruft natürlich wieder diejenigen auf den Plan, die bereits bisher meinten, einen Performance-Nachteil feststellen zu können. Ich nutze meine Androiden stets verschlüsselt und konnte mich abseits theoretischer Benchmarks nie über praktische Leistungsnachteile beschweren. Gleiches gilt für mich auch unter Lollipop. Zwar reagierte mein Nexus 5 zeitweise etwas träge, aber das wurde durch das jüngste Update auf Version 5.0.1 gefixt. Mein Fazit: Nicht irre machen lassen.

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SmartLock lässt das Telefon entsperrt, solange es mit einem vertrautenswürdigen Gerät gekoppelt ist

Drittens hat es ein Feature von Motorola – siehe etwa meine Reviews zum Moto X (2014) und Moto X (2013) – direkt zu Android herübergeschafft, das ich als Smartwatch-Fan sehr begrüße. Gekoppelte Bluetooth und NFC Geräte entsperren das Gerät nun automatisch. Die „Smart Lock“ genannte Funktion erspart mir so die Eingabe des PIN-Codes, solange meine Moto 360 oder Pebble Steel via Bluetooth verbunden sind: Sehr nützlich!

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Von einem Rechtemanagement fehlt auch in Lollipop jede Spur

Enttäuscht bin ich von dem erhofften „Sicherheitscenter“. Statt wie bei iOS oder Cyanogenmod Kontrolle über Rechte der Apps zu bekommen, führt der entsprechende Platzhalter derzeit ins Leere. Ob es lediglich an dafür angepassten Apps fehlt oder Google etwas anders mit dem Untermenü plant, ist mir nicht klar. Auch der als „Project Volta“ betitelte Energiesparmodus hat für mich nicht gehalten, was er versprochen hat. Anders als sein Namensvetter „Project Butter“ sind die Auswirkungen minimal. Wo Project Butter aus Ruckel-Android ein butterweiches Bedienparadies gemacht hat, hatte ich erwartet, dass Project Volta der Akkulaufzeit meines Nexus 5 spürbar gut tun wurde. Stattdessen verbirgt sich dahinter wenig mehr, als die Option, ab Ladekapazität X wesentliche Funktionen des Smartphones zu deaktivieren. Langweilig!

Android Lollipop auf Android Wear

Mit Android Lollipop beginnt in der Android-Welt in gewisser Weise auch eine neue Zeitrechnung. Auf der Google I/O 2014 wurde klar, dass Google von nun an stets eine einheitliche Android Version zur Grundlage aller seiner Systeme machen würde: Egal ob Smartphones, Uhren oder Autos. Android Lollipop bzw. dessen Nachfolger bilden stets die Grundlage.

Für Android Wear, die Wearables Version von Googles Betriebssysem, hat das eine besondere Bedeutung. Seitdem die ersten Android Wear Uhren auf dem Markt sind, ist sich die Szene einig, dass das System noch reichlich ungar wirkt. Auch ich habe in meinen Reviews zur LG G Watch und vor allem der Moto 360 gemerkt, dass Android Wear dringenden Nachbesserungsbedarf hat. In meinem Artikel zur Moto 360 habe ich deshalb formuliert, dass Android Wear unbedingt eine „Version 2.0“ benötigt. Die Frage: Ist Android Wear 5 (genauer 5.0.1) die erhoffte 2.0 Version? Die Antwort lautet leider: Nein.

Die größten Schwächen des bisherigen Uhren-Ablegers von Android waren der fummelige Zugriff auf Apps und Einstellungen, die chaotische Verwaltung der Benachrichtigungen und die fehlende API für Ziffernblätter. Mit Android Wear 5 ist Google meiner Meinung nach nur wenige dieser Schwachpunkte angegangen.

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Die oft genutzten Apps werden nun weiter nach oben sortiert

Der bisher komplizierte Zugriff auf Apps und Einstellungen wurde dadurch minimal verbessert, dass häufig genutzte Apps weiter oben angezeigt werden. Das ändert aber nichts daran, dass man nach wie vor zunächst die Sprachsteuerung aufrufen und dann herumscrollen muss. Wer auf eine Art App Drawer gehofft hat, wie ihn alternative Android Wear Launcher bieten, der wird enttäuscht.

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Kürzlich erledigte Benachrichtigungen lassen sich jetzt zurückholen

Die Verwaltung der eingegangenen Benachrichtigungen sowie der sporadischen Informationen über Wetter oder Verkehr ist ebenfalls nur minimal modifiziert worden. Wischt man Benachrichtigungen weg, gibt es nun – ähnlich der Smartphone Version – kurz die Möglichkeit, die Löschung rückgängig zu machen. An meiner grundlegenden Kritik ändert das nichts. So gibt es nach wie vor keine zentrale Speicherstelle, bei der ich vergangenen Benachrichtigungen nachschlagen kann, oder es fehlt immer noch die Möglichkeit vorherzusagen, wann die Uhr meint, mir die Wettervorhersage und Ähnliches ansagen zu müssen.

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Die Ziffernblätter-Schnittstelle ist fertig …

Lediglich die Ziffernblatt API ist nun endlich nachgeliefert worden. Zeitgleich wurde ein eigener Bereich im Google Play Store geschaffen, in dem man nun Ziffernblätter aller Art findet. Bisher ist die Auswahl noch begrenzt, aber das Herunterladen und Einstellen der Ziffernblätter klappt bereits sehr gut über die Android Wear App. Die hat übrigens ebenfalls ein Material Design Makeover erhalten.

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Das „Prioritäten-Konzept“ vom Smartphone setzt sich auf der Uhr fort

Zu allem Überfluss setzt sich das verkorkste Benachrichtigungskonzept von Android Lollipop nun auf Android Wear fort. Auch auf der Uhr lassen sich nun die Optionen „Keine“, „Wichtig“ und „Alle“ auswählen, die automatisch auch auf dem Smartphone eingestellt werden. Das Kuriose: In den Optionen der Android Wear App findet sich nach wie vor die Möglichkeit, „das Telefon stumm zu schalten“. Diese Option wird nun unter Android Lollipop ignoriert, unter Android KitKat aber nach wie vor beachtet. Das heißt: Es gibt nun keine Möglichkeit mehr, das Telefon stumm zu schalten und trotzdem die Benachrichtigungen auf der Uhr zu erhalten. Dabei sollte doch genau das einer der Hauptanwendungsfälle einer Smartwatch sein, oder?

Mein Fazit: Smartphones stark, Uhren schwach

Nachdem ich von der Preview im Juli sehr angetan war und bisher große Hoffnungen in die Android Wear Version gesetzt habe, hat sich mittlerweile doch eine gewisse Ernüchterung eingestellt.

Die Smartphone Version ist dabei nicht so das Problem. Wirklich nerven tut nur der völlig ruinierte Lautlos-Modus. Die neue Optik und die Verliebtheit in Details hingegen machen Android zu einem Betriebssystem, das sich endgültig nicht mehr vor iOS und Windows Phone 8 verstecken muss, was die flüssige Bedienung und das konsistente Design angeht. Google scheint hinsichtlich der Android Entwicklung endlich auch Verantwortung für das Bedienerlebnis seiner Nutzer übernehmen zu wollen, was notwendigerweise mit der Forcierung gewisser Designvorgaben einhergeht. Für mich ist Material Design und vor allem das neue Benachrichtigungskonzept das Beste, was Android je passiert ist.

Die Android Wear Version hingegen hat mich mit einem ernüchterndem Gefühl zurückgelassen. Meine größten Kritikpunkte sind nur oberflächlich angegangen worden. Die endlich verfügbare Ziffernblatt API sorgt zwar kurzfrisitg für Abwechslung, ändert aber insgesamt nichts daran, dass das Uhren-Betriebssystem noch immer recht unreif wirkt. Mehr denn je wird mir klar, dass auch Ende 2014 die gute alte Pebble Steel in beeindruckender Art und Weise ihren Zeiger steht. Das gilt umso mehr mit Blick darauf, dass Pebble mittlerweile sogar viele Funktionen von Android Wear aufgreift.

Mein Fazit fällt damit eher etwas enttäuschend aus und ich frage mich: Bin ich allein mit diesem Gefühl? Habt ihr bereits eigene Eindrücke zu Android Lollipop gesammelt? Dann lasst hören:

See you in the comments!

2 Kommentare

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