Fünf Jahre HTPC: Fünf Tipps für Einsteiger und ein Fazit

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Ich habe seit Jahren keinen TV-Receiver mehr, ich hatte noch nie einen Blu-Ray-Player und die allermeiste Zeit hatte ich auch keine Konsole im Wohnzimmer. Trotzdem habe ich stets ferngesehen, DVDs geschaut oder gezockt, und zwar über ein einzelnes Gerät: Meinen HTPC. Wohnzimmer-Rechner versprechen, die eierlegende Wollmilchsau zu sein, die alle modernen Unterhaltungsgeräte in sich vereinen. Für alle, die mit dem Gedanken spielen, einen Multimedia PC zusammenzustellen, hier fünf Tipps aus fünf Jahren mit meinem HTPC und die Frage: Macht ein HTPC heute noch Sinn?

Warnung: Fluch und Segen eines Home Theater PCs

Die Idee hinter einem Home Theater PC (HTPC) ist verlockend: Ein Gerät, das alle Wünsche erfüllt, das mit nur einer Fernbedienung bedienbar ist und die Flexibilität eines vollen Desktop-Systems bietet. Statt eines halben Dutzend verschiedener Boxen im TV-Tisch, grüßt ein einzelner Alleskönner.

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HTPCs sind Alleskönner, können aber in Arbeit ausarten

Die Umsetzung ist – je nach den Ansprüchen an den eigenen HTPC – allerdings durchaus herausfordernd. Bevor ich in die Details einsteige, möchte ich deshalb eine kleine Warnung aussprechen. Ein Home Theater PC kann eine wahre Freude sein, er kann aber auch in viel Arbeit ausarten. Wenn etwa der Treiber für die TV-Karte ausfällt, während der Filmabend längst hätte beginnen sollen, kann ein HTPC zur wahren Geduldsprobe werden. Frust und Freude liegen nah beieinander und fordern gelegentlich etwas Durchhaltevermögen. Sagt also nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!

1. Was soll der HTPC können?

Es gibt im Grunde nichts, was sich mit einem HTPC nicht anstellen lässt. Die klassischen Einsatzgebiete sind Live-TV via DVB, DVD- und BluRay-Wiedergabe, Mediendatenbanken, Streaming sowie Gaming. Ich habe mich damals für das Komplettpaket entschieden und meinen HTPC für alle diese Einsatzgebiete ausgelegt. Das Resultat ist mein folgendes Alleskönner-System:

Mein aktueller HTPC (2015)
Gehäuse Antec Fusion Remote
Fernbedienung Veris RM200
Mainboard AsRock FM2A75 Pro4-M
CPU AMD A10-5800K
Grafik integrierte AMD HD 7660D
Kühlung Scythe Ninja Mini
Arbeitsspeicher 2 x 4 GB DDR3 Samsung ULV
Systemspeicher 128 GB SSD Samsung 830
Datenspeicher 2 x 2 TB Western Digital Caviar Green
TV Karte DVBSky DVB-S Dual Tuner
PSU Cougar A300 300 Watt
Optisches Laufwerk BluRay / DVD-Combo von LG
Betriebssystem Windows 7 64-Bit

Meine Empfehlung: Die Frage der Einsatzzwecke kann nicht früh genug geklärt werden, denn vor ihr hängt alles weitere ab. Fernsehempfang benötigt beispielsweise eine interne oder externe TV-Karte, für DVDs muss Platz für ein optisches Laufwerk eingeplant werden. Und wer üppige Mediendatenbank verwalten will, sollte ausreichend Platz für Festplatten einplanen. Wer auch noch anspruchsvolle Spiele im Sinn hat, muss die Abwärme und Lautstärke einer Grafikkarte bedenken. Gerade die Herausforderung, den Wohnzimmer-Rechner leise und gleichzeitig effizient zu kühlen, kann bei der Planung gar nicht überschätzt werden: Die Standard-Kühler der üblichen CPUs sind für den Wohnzimmerbetrieb oft kaum geeignet.  Alternative Kühler hingegen sind oft größer und kollidieren mit dem Ziel, kleine HiFi-Gehäuse zu nutzen. Gute Planung ist hier die halbe Miete und ich nur deutlich empfehlen, sich frühzeitig zu überlegen, welche Fähigkeiten der HTPC letztlich bieten soll.

2. Alles fängt mit der Gehäusewahl an

Ein HTPC ist letztlich nichts anderes als normale Computerhardware in einem fancy HiFi-Gehäuse. Natürlich lässt sich ein HTPC in jedem klassischen Desktop-Gehäuse realisieren, aber wer wahres Wohnzimmer-Feeling möchte, muss sich die Gehäuse-Frage gründlich durch den Kopf gehen zu lassen. Meine Wahl fiel damals auf ein Antec Fusion Remote, ein Gehäuse, das heute nicht mehr produziert wird. Es bietet Platz für Standard-Hardware im (Micro-) ATX Format. Warum habe ich gerade dieses Gehäuse gewählt? Ich habe – wie gerade beschrieben – einen Alleskönner-PC geplant und brauchte daher Platz für Festplatten, für ein optisches Laufwerk, für Erweiterungs- und Grafikkarte und natürlich für eine leise interne Kühlung.

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Im Inneren meines HTPC arbeitet normale PC Hardware

Glücklicherweise hat der technische Fortschritt mittlerweile einiges vereinfacht. Die aktuellen Intel-CPUs sind deutlich einfacher zu kühlen als frühere Generationen und die Grafikpower der AMD-Komplettchips ist mittlerweile für gemäßigste Gaming-Anforderungen durchaus ausreichend. Es ist also leichter geworden, vielseitige System in handliche Mini-Gehäuse zu quetschen. Trotzdem: TV-Karten, Festplatten und optisches Laufwerke verlangen nach wie vor ein Mindestmaß an Gehäuseplatz. Je kleiner und kompakter das gewählte Gehäuse, um so fummeliger wird die Umsetzung. Eine Lektion, die ich nach fünf Jahren gelernt habe: Wer sich etwas Arbeit erleichtern möchte, greift zu Gehäusen im Standardformat. Das macht die Wahl der Komponenten wie Netzteil und Mainboard nicht nur einfacher, sondern vor allem günstiger. Ich persönlich habe zum Beispiel gute Erfahrungen mit den Gehäusen der Silverstone Grandia Serie oder von MS-Tech gemacht.

3. Und die Fernbedienung?

Die dritte Lehre, die ich aus meiner langen HTPC-Nutzung gezogen habe: Unterschätze niemals die Fernbedienung. Nichts ist so wichtig für den Couch-Faktor, wie die Einbindung der Fernbedienung. Tastatur und Maus haben im Wohnzimmer nichts zu suchen und sind meiner Meinung nach Gift für das Heimkino-Feeling.

HTPCFernbedienung

Für das Couch-Feeling unverzichtbar: Die Fernbedienung

Ich würde daher ebenfalls dazu raten, die Frage der Bedienung sehr frühzeitig zu klären. Es mag ein Detail sein, aber die Umsetzung ist nicht immer einfach. Die allermeisten Fernbedienungen benötigen entweder einen Infrarot- oder einen Funkempfänger. Einige Gehäuse haben derartiges bereits integriert, andere benötigen USB-Zubehör. Besonders wichtig ist auch die Frage, ob der HTPC sich per Fernbedienung aus dem ausgeschalteten Zustand einschalten lässt. Diese Frage wiederum hängt maßgeblich vom verbauten Mainboard ab. Von daher gilt wieder einmal: Gute Planung zahlt sich aus, wenn man später nicht bei Null anfangen möchte.

4. Die Wahl der Software

Sobald die Einsatzzwecke, die Gehäusewahl und die Einbindung der Fernbedienung geklärt sind, geht es an Hürde Nummer Vier: Die Software. Ich habe bislang stillschweigend vorausgesetzt, dass die Grundlage eures HTPCs ein Windows-Betriebssystem sein würde. Zwar gibt es haufenweise Alternativen z.B. auf Linux-Basis, aber meiner Erfahrung nach führt an Windows nichts vorbei, wenn man ein vielseitiges Komplettpaket will. Gaming-Treiber und TV-Karten-Support sind unter Windows noch immer am einfachsten handhabbar. Die Wahl des Betriebssystems ist aber nicht die eigentlich Herausforderung. Schwieriger ist die Frage, wie man die einzelnen HTPC-Funktionen umsetzt. Meine Empfehlungen zusammengefasst: DVBViewer für den Fernsehempfang, PowerDVD oder True Medie Theater für BluRay-Wiedergabe und KODI als Mediendatenbank.

Meist liegt den handelsüblichen TV-Karten irgendeine hersteller-eigene Softwarelösung bei, aber die können es selten mit dem Funktionsumfang und der Erweiterbarkeit von DVBViewer aufnehmen. Die Lizenz kostet zwar ca. 20 €, ist die Summe aber mehr als wert. Gleiches gilt für die BluRay-Software. Auch hier liegt den meisten Laufwerken irgendeine abgespeckte Version bei. Für erweiterte Funktionen wie Audio-Delay oder automatische Anpassung der Bildwiederholrate (siehe 5. Feintuning) kann es aber notwendig werden, eine aktuelle Vollversion zu kaufen.

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Die wohl populärste HTPC-Software: XBMC (mittlerweile umbenannt in KODI)

Das Pflichtprogramm schlechthin ist wohl KODI (früher XBMC). KODI ist primär ein Programm zur Verwaltung von Mediendatenbanken. TV-Aufnahmen müssen lediglich nach einem gängigen Namensschema benannt werden und schon bereitet KODI sie ohne weiteren Aufwand optisch und inhaltlich auf. KODI bietet mittlerweile aber derart viele andere Erweiterungen, dass man im Grunde seinen gesamten HTPC von dort aus steuern könnte. Mediatheken, Youtube und Spiele lassen sich mit etwas Aufwand direkt in KODI integrieren.

5. Feintuning ist alles

Während die ersten vier Tipps noch relativ einfach umzusetzen sind, liegt die wahre Arbeit bei Schritt Fünf: Dem Feintuning. Hier beginnt sich der HTPC vom Desktop abzugrenzen. Folgende zwei Bereiche empfehle ihr zum Einstieg unbedingt genauer anzugehen:

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Feintuning 1: Die Bildwiederholrate

Zunächst wäre da das Thema Bildwiederholrate: Was beim Desktop-PC kaum relevant wird, ist beim HTPC tägliches Brot. Europäische DVDs und PAL-Fernsehen laufen beispielsweise mit 25 Bildern pro Sekunde (Frames per Second, FPS) während jede BluRay mit 23,976 FPS abspielt. Passt die Bildwiederholrate des HTPCs (und des Fernsehers) nicht zu diesen Werten, wird das Bild ruckelig und unruhig. Meine Empfehlung: Stellt den HTPC (und den TV) auf 50 HZ, da damit sowohl DVDs als auch PAL-TV sauber wiedergegeben werden. Für BluRay müsst ihr prüfen, ob  TV und Grafikkarte echte 23,976 FPS wiedergeben können. Die Haswell Chips von Intel konnten lange Zeit beispielsweise nur 24 FPS wiedergaben. Was nach einer vernachlässigbaren Differenz zu den exakten 23,976 FPS klingt, führt in der Praxis alle 41 Sekunden zu einem fehlenden Bild. Nervig!

HTPCSetupRemote

Feintuning 2: Fernbedienung unter Programm-Steuerung

Die andere essentielle Baustelle sollte meiner Meinung nach die Fernbedienung sein. Üblicherweise lässt sich über deren mitgelieferte Software nicht nur das Verhalten innerhalb einzelner Programme konfigurieren, sondern auch das Starten diverser Programme einrichten. Meine Veris RM200 verfügt über seperate Knöpfe für TV, Video und DVD, die ich so belegt haben, dass sie das Fernsehprogramm (DVDViewer), das BluRay-Programm (PowerDVD) und KODI direkt vom Windows Desktop starten. Alternativ bastel ich daran, bei Windows 8.1 direkt in die Modern-Oberfläche zu booten und dort via Cursor-Tasten die Programme auszuwählen. Egal, was ihr macht, investiert frühzeitig Arbeit darin, die Hürden für die Bedienung einzelner HTPC-Funktionen so niedrig wie möglich zu halten. Jedes Aufstehen vom Sofa ist eine Aufstehen zu viel.

Fazit: Haben HTPCs noch eine Zukunft?

In den fünf Jahren, die ich nun ausschließlich mit meinem Wohnzimmer-Rechner lebe, gab es durchaus Momente, in denen ich das Konzept in Frage gestellt habe. Zum nicht einfachen Feintuning gesellen sich all die üblichen Macken eines Windows-PCs. Updates, Wartung und spontane Macken kommen gern zur ungünstigsten Gelegenheit. Es gab daher immer wieder Überlegungen, das „Projekt HTPC“ zu begraben. Alternativen gibt es mittlerweile zuhauf: Die linuxbasierten TV-Receiver von VUPlus bieten viele Fähigkeiten eines HTPCs und aktuelle Konsolen sind veritable MediaCenter geworden. Der Raspberry Pi der 2. Generation ist als Basis für ein reines KODI-System ebenfalls eine Überlegung wert.

Trotzdem: Für mich führt nach wie vor kein Weg am HTPC vorbei. Die Alternativen mögen einzelne Nutzungsszenarien vereinen, aber eben noch immer nicht alle. Nur bei einem HTPC bekomme ich Fernsehen, optische Medien, Mediendatenbank und die für mich nötigen Flexibilität in nur einem Gerät. Trotzdem kündigt sich auch bei mir derzeit ein Umbau an. Das liegt einerseits daran, dass ich meine Gaming-Ambitionen völlig auf eine Konsole verlagert habe. Meine Gründe lest ihr im Artikel „Warum ich Konsolenspieler wurde„. Andererseits habe ich seit dem letzten Umzug noch immer nicht meine Satelittenschüssel angeschlossen. Mein Unterhaltungsbedürfnis stille ich derzeit vor allem über Streaming-Dienste meines Apple-TVs. Das bedeutet: Meine HTPC-Einsatzzwecke haben sich verschoben: Statt einer internen Dual-Tuner-TV-Karte reicht mittlerweile wohl ein externen Single-Tuner-USB-Stick. Vor allem benötige ich die leistungsfähige AMD-Gaming-Hardware nicht mehr, denn dafür habe ich nun die XBox. Aus diesem Grund bastele ich derzeit an einem kleinen Intel System auf Basis des Intel NUC5i5RYH Barebones.

Ob mich der Umstieg glücklich macht, ob das kompakte Intel-System meinen Ansprüche genügt oder ob ich mich doch still und heimlich vom HTPC verabschiede, kläre ich in meinen kommenden Artikeln zum Thema HTPC und einer ausführlichen Review zum NUC5i5RYH. Bis dahin:

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