IPad Air (2020) mit Magic Keyboard – Bye Bye Macbook?

Ich lasse mich gern eines Besseren belehren. Ein Thema, bei dem ich mich mittlerweile frage, ob ich meine Haltung überdenken sollte, sind die iPads. Bei vielen Gelegenheiten habe ich gesagt, dass Apple verflixt gute Tablets baut. Ich habe mich gleichzeitig aber auch immer dagegen gesperrt, sie als Boten der angeblichen „Post PC Ära“ zu verstehen. Für mich blieben Tablets immer Konsumgeräte, z.B. zum Lesen von Comicbüchern. Für produktives Arbeiten bin ich hingegen immer bei Windows- oder macOS-Geräten (samt Maus bzw. Trackpad und Tastatur) geblieben.

Im Laufe der Jahre haben sich Tablets allerdings weiterentwickelt und u.a. Apple wirbt schon länger mit dem Slogan, ein Tablet könne ein „Computer“ sein. Die Frage war für mich allerdings nie, ob Tablets „Computer“ sind. Das ist ein sinnloser Streit um Begriffe. Natürlich sind und waren sie das. Was damit eigentlich gemeint ist, ist ja auch etwas anderes, nämlich ob man mit Tablets alle Aufgaben ebenso komfortabel und effizient erledigen kann, wie mit klassischen Notebooks und Desktops. Ein Test von Apples Versprechungen juckte mir deshalb immer wieder in den Fingern.

So richtig konnte ich mich allerdings nicht durchringen, nur „aus Interesse“ ein hochpreisiges iPad (Pro) anzuschaffen. Das muss man mittlerweile aber auch nicht mehr, denn Apple hat mit dem aktuellen iPad Air (2020) ein Tablet rausgebracht, das technisch im Grunde ein iPad Pro ist, ohne dabei aber in die gleichen Preisregionen davonzueilen. Der eigentliche Anlass dafür, jetzt dem iPad (Air) eine Chance zu geben, war aber der ziemlich durchwachsene Eindruck, den mein “neues” (Intel) Macbook Air (2020) bei mir hinterlassen hatte.

Lange Rede, kurzer Sinn: Seit November 2020 nutze ich parallel zu meinem Macbook Air ein 2020er iPad Air samt Magic Keyboard und Apple Pencil (2. Generation). Ob diese Kombi jetzt alle ”Computer-Bedürfnisse” erfüllt und mein Macbook entbehrlich macht, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Das iPad Air (2020) im Überblick

Das iPad Air (2020) hat Apple Mitte September 2020 vorgestellt und – untypisch spät – Ende Oktober ausgeliefert. Für das iPad Air (2020) und gegen ein aktuelles iPad Pro habe ich mich vorrangig aufgrund des geringeren Preises entschieden: Die 256 GB Version kostet (ohne LTE) bei Apple 819 €. Das 11 Zoll iPad Pro kostet bei gleicher Speicherausstattung hingegen 989 €. Der zweite Grund ist der Touch-ID Sensor in der Standby-Taste. Das iPad Air (2020) ist das erste Gerät, bei dem Apple den Fingerabdrucksensor in eine seitliche Taste integriert (bei Android Smartphones ist das schon sehr lange gängig).

Ich bin grundsätzlich kein Fan von Face ID. Gerade während der aktuellen Corona-Pandemie ist eine Authentifizierung mit dem (bedecktem) Gesicht zusätzlich unpraktisch, wobei ich das iPad selten dort nutze, wo ich eine Mund-Nase-Bedeckung tragen muss. Weil der Fingerabdrucksensor beim neuen Air trotzdem von der Front verschwunden ist, konnte Apple – auch ohne Face ID – die Ränder symmetrisch schrumpfen und insgesamt den kantigen Look der Pro-Reihe kopieren. Diesen Look hat Apple mittlerweile auch bei den iPhones wieder eingeführt und ich bin extrem froh, dass Apple damit die klassische Designsprache wiederbelebt, die das iPhone 4S so kultig gemacht haben. Gegen ein aktuelles iPad Pro sprach außerdem, dass die Pro-Reihe seit einer Weile kein Modell-Refresh erhalten hat und deshalb noch mit dem Apple A12X Chip geliefert wird, während im neuen Air der aktuelle A14 Prozessor arbeitet (der gleiche Chip wie in den aktuellen iPhones). Gerüchteweise steht ein Update der Pro Reihe zudem unmittelbar bevor (zwischenzeitlich war dafür März 2021 als Release-Zeitpunkt im Spiel). Ich wollte auch deshalb auf keinen Fall zu einem in Kürze veralteten Pro-Modell greifen.

Gegenüber den aktuellen iPad Pro Geräten zieht das neue Air nur in wenigen Bereichen den Kürzeren. Beim Display hat das Pro aber definitiv noch die Nase vorn. Das ist beim 11 Zoll Pro minimal größer bei identischer Gehäusegröße (die Ränder sind beim Pro also einen Hauch schmaler). Vor allem aber hat das Pro ein 120 Hz Display, während das neue Air “nur” die übliche 60 Hz Wiederholrate liefert. Das hätte mich früher nicht gestört. Seitdem ich aber bei meinem Pixel 5 (hier im Test) seit einiger Zeit mit einem 90 Hz Panel lebe, ist mir die sehr viel flüssigere Bedienung extrem ans Herz gewachsen. Beim Air (2020) kommen mir Animationen, Scrollen und Wischgesten im Verhältnis jetzt tatsächlich etwas ruckelnder vor. Vielleicht hat aber auch die mattierte Paperlike-Folie etwas damit zu tun oder die Tatsache, dass im Air ein LCD-Display steckt? Wie auch immer: Das 120 Hz Display wäre für mich jedenfalls der einzige echte Grund für ein iPad Pro gewesen. Allein dieses Feature war mir den Aufpreis dann aber doch nicht wert. Die besser ausgestattete Kamera in den Pro-Modellen war mir ebenfalls egal, genauso wie der etwas größere Arbeitsspeicher (6 GB im Pro statt 4 GB im Air).

Natürlich gibt es auch noch “günstigere” iPads. Parallel zum Air (2020) hat Apple auch das iPad 8 vorgestellt. Das kam für mich aber aus zwei Gründen nicht in Frage. Erstens wollte ich den Apple Pencil der 2. Generation nutzen. Der lädt drahtlos und klebt magnetisch am iPad (während der alte noch mit dem lächerlichen Lightning-Stecker ins iPad gestöpselt werden muss), funktioniert aber nur mit den iPad Pro und dem neuen Air. Zweitens ist das Air auch das erste iPad außerhalb der Pro-Reihe, das den Lightning-Port gegen standardmäßigen USB-C tauscht.

Insgesamt ist das iPad Air für mich deshalb eindeutig das – derzeit – ideale (Apple-) Tablet: Design, Handhabung, Leistung und Preis stehen für mich in einem guten Verhältnis. Nur wer wirklich sparen will, sollte sich bei günstigeren iPads umsehen und z.B. zum iPad 8 oder gebrauchten älteren Modellen greifen.

Im Alltag ist das iPad Air natürlich ein iPad wie jedes andere. Die Apps sind typisch Apple hochwertig und sehr gut an den Platz auf dem größeren Display angepasst. IPad OS läuft stabil, flüssig und bietet den üblichen Mix aus Komfort und Bevormundung. Das Gerät fühlt sich dabei wie gewohnt spitzenmäßig an und der Akku hält gerade im Standby gefühlt ewig. Einen kleinen persönlichen Kritikpunkt habe ich aber: Mein (erstes) Air erreichte mich mit einem nicht perfekt verklebten, leicht locker sitzendem Display. Apple hat das zwar sofort anstandslos getauscht. Das Austauschgerät hat dafür nun aber eine klapprigere Standby-Taste. Letztlich bin ich jetzt zwar zufriedener, aber etwas erstaunt bin ich doch über Apples eigentlich so tadellose Qualitätskontrolle.

Das Magic Keyboard

Einen ganz wesentlichen Beitrag zum “Computer”-Feeling leistet das Magic Keyboard. Es war bisher nur kompatibel mit den Pro-Modellen. Das Air ist auch hier jetzt Teil der “Pro”-Liga, denn das Magic Keyboard für das iPad Pro (11 Zoll) passt auch für das iPad Air (2020).

Kurz und knapp: Mein Eindruck ist sehr positiv. Das ganze Keyboard kostet zwar ca. 300 Euro, aber bisher hatte ich zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass Apple hier nicht liefert, was man erwartet. Das iPad dockt mit einem satten festen Gefühl magnetisch in die Oberseite und die Gelenke halten es bombenfest in alle Winkeln, die man einstellt. Die (hintergrundbeleuchtete) Tastatur gefällt mir von ihrem Tasten-Druckpunkt her auch ausgesprochen gut, fast besser als die neue Macbook Tastatur. Das Layout ist trotz des geringen Platzes gut gelungen und viele von macOS bekannte Shortcuts funktionieren tadellos. Wer mal ein Macbook benutzt hat, fühlt sich hier schnell heimisch.

Das integrierte Trackpad ist natürlich nicht ansatzweise so groß wie bei Macbooks oder Laptops im Allgemeinen, bedient sich aber genauso unerreicht präzise, wie alle Apple Trackpads. Das i-Tüpfelchen wäre es gewesen, wenn Apple ein „Force Feedback“ Trackpad eingebaut hätte. Dafür hat es leider nicht gereicht und vermutlich ist der dafür nötige Unterbau samt Vibrationsmotoren auch zu groß und stromhungrig.

Mein einziger echter Kritikpunkt an dem Magic Keyboard ist der geringe Spielraum bei der Neigung des gedockten iPads. Der maximale Winkel, den das Keyboard hergibt, reicht so gerade, um für mich mit knapp über 1,90m im Sitzen noch angenehm zu sein. Oft erwische ich mich aber auch dabei, das iPad noch mehr neigen zu wollen. Warum Apple hier nicht mehr erlaubt, verstehe ich nicht. Rein von der Balance her, sollte eigentlich mehr drin sein.

Der Apple Pencil (2. Generation)

Zum Stift kann ich nur so viel sagen: Er liegt gut in der Hand, ist für meinen Geschmack aber etwas zu glatt. Er funktioniert natürlich tadellos, allerdings auch ”nur” als Zeichenwerkzeug (ich verwende die App ProCreate). Als Ersatz für Maus oder Finger taugt der Stift aber nicht. Man muss ihn ständig aus der Hand legen, z.B. für die ”Home Button Hochwischgeste”.

Zum Zeichnen habe ich mir zusätzlich eine Paperlike Folie auf das Display gezogen. In der Kombi kommt tatsächlich ziemlich gutes Papier-Feeling auf: Beeindruckend. Angeblich (so Dave2D) soll das Zeichnen übrigens von den 120 Hz des iPad Pro Displays profitieren, weil es die Latenz senkt und ein (noch) direkteres Gefühl mein Zeichnen erzeugt. Ich kann mich am Air aber definitiv nicht beschweren. Den unmittelbaren Vergleich habe ich allerdings auch nicht. Ist vielleicht auch gut so 🙃

Ein ultrahandlicher Begleiter

Zugeklappt im Magic Keyboard wird das iPad Air zu einem kompakt-knuffigen mobiles Werkzeug. Einen kleineren mobilen “Computer” findet man bei Apple derzeit nicht. iPad Air und Magic Keyboard wiegen zusammen knapp unter 1100 g. Zum Vergleich: Das alte Macbook 12 Zoll wog 920 g und das aktuelle Macbook Air wiegt knapp 1300 g.

Das Magic Keyboard verleiht dem ganzen “Paket” eine Höhe von gut 1,5 cm (im Vergleich: Das Macbook Air ist an seiner dicksten Stelle über 1,6 cm dick und auch das 13 Zoll Macbook Pro ist etwas höher). In einem schlanken Sleeve (zum Beispiel von Adore June, die mir für diesen Artikel testweise ihr Classic Sleeve geschickt haben) passt das Air damit eigentliche in jede Tasche. Man sollte allerdings darauf achten, dass das Sleeve bzw. die Hülle auch Platz für das Air mit Keyboard bietet. Das Adore June Sleeve passt für das Set aus Air und Keyboard perfekt und hat dazu noch kleine Schlaufen für den Pencil 👌

Taugt das iPad im Produktiveinsatz?

Kommen wir endlich zum Kern des ganzen Projekts. Seit Monaten versuche ich, so weit es geht, zum iPad zu greifen und nicht zum Macbook Air. Der Grad meiner Zufriedenheit hing dabei sehr davon ab, was ich konkret tun wollte. Schnell mal Mails checken und beantworten, ist natürlich kein Problem; flink den Kontostand checken auch nicht. Shoppen und Twitter gehen ebenfalls prima. Nur: Ehrlich gesagt, braucht man für nichts davon ein iPad Air samt Magic Keyboard. Ein Smartphone reicht da oft genauso und ist in 99 % der Fälle auch schneller zur Hand.

Will man das iPad hingegen wirklich professionell nutzen, dann stoße jedenfalls ich leider erstaunlich früh an die immer noch vorhandenen Grenzen von iPadOS. Nur exemplarisch: Die eingebaute Apple Mail App kann zum Beispiel keine Regeln (automatisches Sortieren des Posteingangs), kein einziger iPad OS Webbrowser unterstützt Progressive Web Apps , die Webcam schaltet ab, wenn man in eine andere App wechselt (was Multitasking während Videokonferenzen unmöglich macht) und an einem Monitor angeschlossen, spiegelt iPad OS stets nur den Displayinhalt statt ihn sinnvoll zu erweitern. Das sind nur einige wenige der vielen großen und kleinen limitierenden Details, die iPad OS im produktiven Alltag nervig machen. Jeder dieser “Minuspunkte” mag der einen oder anderen egal sein. In Summe merke ich aber eben doch, dass ich auf einem iPad ziemlich eingeschränkt bin. Für mich ist aktuell allein die (noch?) fehlende Möglichkeit, das iPad Air sinnvoll an einen externen Monitor anzuschließen, ein echtes K.O.-Kriterium.

Natürlich hat sich dennoch viel getan. Das Arbeiten mit Trackpad und Tastatur in Word zum Beispiel klappt ziemlich grandios. (Fast) der ganze Artikel hier ist am iPad mit Safari in WordPress geschrieben worden. Auch die Unterstützung externer Speichermedien ist gut gelöst: Stick in den USB-C Port, Daten kopieren, fertig! Das wünsche ich mir auch auf den iPhones. Die Artikelfotos kommen allesamt von meiner Sony RX-100 und ließen sich ebenfalls einfach rüber kopieren. Mit Pixelmator konnte ich die Bilder auch gut bearbeiten und sogar das Wasserzeichen arrangeiren. Jeder einzelne dieser Schritt dauerte aber deutlich länger, als unter macOS, teilweise weil mir die Anwendungen weniger vertraut sind, teilweise aber auch, weil man dauernd von Fullscreen-App zu Fullscreen-App wechselt, statt in mehreren Anwendungen gleichzeitig zu arbeiten. Versucht man es stattdessen mit der Splitscreen-Ansicht, stoße jedenfalls ich an meine Grenzen, was das knapp unter 11 Zoll große Display angeht.

Fazit

Mein Fazit lautet daher: Nein, das iPad Air löst mein Macbook Air nicht ab. So sehr mich das lüfterlose, leistungsstarke Gerät überzeugt und so sehr sich iPadOS entwickelt hat, ist echtes produktives Arbeiten für mich nicht dauerhaft denkbar. Wer stets nur in einer Fullscreen-App arbeitet, nicht mit einem externen Monitor verbunden sein möchte und sich nicht davor scheut, einfache Dinge etwas umständlicher lösen zu müssen, wenn es sein muss, die kann mit einem iPad Air (oder Pro) sicher viel schaffen oder braucht sogar nichts anderes.

Für mich heißt es hingegen: Das Air kommt als mobiler Computer im Rucksack mit und ist ein tolles Tool zum Zeichnen, aber wenn ich wirklich etwas schaffen will, dann geht weiter nichts über mein Macbook.

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