Samsung Galaxy Alpha Review: Design-Neustart mit Software-Altlasten
|Samsung hat sich in nur wenigen Jahren vom Apple-Herausforderer zum dominierenden Android-Hersteller gemausert. Mit dem Erfolg kamen die Kritiker und heutzutage ist Samsung beinahe zum Punchingball aller Android-Fans geworden. An seinem schlechten Ruf ist Samsung dabei nicht ganz unschuldig, hat es doch zuletzt eher mit Masse statt Klasse geglänzt. Gerade die anhaltend langweilige Verarbeitung seiner Smartphones wird Samsung gern zum Vorwurf gemacht. Aber Rettung naht in Gestalt des Samsung Galaxy Alpha, dem ersten Samsung Smartphone mit Metallrahmen. Die bisherigen Testberichte stimmen allesamt in einen Chor ein und jauchzen: „Endlich!“ Zu Recht?
Inhaltsverzeichnis
2. Die Hardware
2.1 Endlich Metall: Wie fühlt es sich an?
2.2 Ein Display mit Schwächen und Stärken
2.3 Mein Eindruck von der Kamera
2.4 Fingerabdrucksensor und Pulsmesser, Teil 2
2.5 Akkulaufzeit, Verbindungsqualität und sonstige Details
2.6 Hardware-Fazit: Blaupause für einen starken Neuanfang
3. Die Software des Galaxy Alpha
3.1 Immer noch zweischneidig: Touch-Wiz
3.2 Wann kommt Android Lollipop?
3.3 Fazit zur Software
1. Vorwort: Stürmische Zeiten
Ich habe das eigentliche Samsung Flagschiff dieses Jahres, das Galaxy S5, im Juli ausführlich begutachtet und mein Eindruck passt zu dem, was ich in der Einleitung sagte. Seit dem Galaxy S2 – ein Gerät, das ich lange zufrieden genutzt habe – hat die Galaxy Serie optisch stark abgebaut. Trotz allem Lob für das Galaxy S5 hat sich das auch in den jüngsten Umsatzzahlen von Samsung niedergeschlagen. Die Nachricht über den unfassbaren Umsatzeinbruch von knapp 60 Prozent hat eingeschlagen wie eine Bombe und jüngst zu einem starken personellen Umbau innerhalb des Konzerns geführt. Gleichzeitig hat man auch angekündigt, die bisherige Strategie der Smartphone-Flut zu beenden und will stattdessen weniger und besser abgrenzbare Geräte produzieren.
Mitten hinein in diese stürmischen Zeiten stößt das Galaxy Alpha. In meiner Review zum Galaxy S5 habe ich es bereits unter dem damaligen Codenamen, dem Galaxy Prime, angesprochen. Die Koreaner brauchen einen Neuanfang, das steht außer Frage. Das Galaxy Alpha könnte genau das sein. Ein Blick auf das Datenblatt verrät dabei zunächst, dass das Galaxy Alpha im Grunde in geschrumpftes Galaxy S5 ist:
Datenblatt zum Galaxy Alpha |
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Displaygröße | 4,7 Zoll |
Auflösung | 1280 x 720 Pixel (312 PPI) |
Gehäuse | 132.4 x 65.5 x 6.7 Millimeter (115 Gramm) |
Prozessor | Exynos 5 Octa (4×1.8 GHz neben 4×1.3 GHz) |
Grafik | Mali-T628 |
Arbeitsspeicher | 2 GB |
verbauter Speicher | 32 GB, nicht erweiterbar |
Kamera | 12 MP Rück- und 2,1 MP Vorderseite, Dual-LED-Blitz |
Akku | 1860 mAh (wechselbar) |
Farben | schwarz, weiss, blau, grau |
Datennetz | LTE Cat 6 (bis 300 MB/s Download), HSDPA+ |
WLan | 802.11 ac/a/b/g/n |
Bluetooth | 4.0 mit A2DP und LE |
GPS | A-GPS und GLONASS |
NFC | Ja |
Betriebssystem (Stand: 06.12.2014) | Android 4.4.4 |
Preis | ab ca. 450 € |
2. Die Hardware
Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Die Hauptattraktion am Galaxy Alpha ist natürlich, dass Samsung endlich einen edlen Metallrahmen um ein Gerät verbaut. Das Alpha darauf zu reduzieren, wäre aber zu wenig, denn gleichzeitig ist es mit 4,7 Zoll unerwartet handlich und verspricht zudem eine äußert gute Fotoqualität. Ist das Galaxy Alpha also mehr also nur das erste Samsung Telefon mit Metallrahmen?
2.1. Endlich Metall: Wie fühlt es sich an?
Die Art und Weise, wie die Technikszene auf das Galaxy Alpha reagiert, macht vor allem deutlich, wie sehr wir uns an dem alten Samsung Design sattgesehen haben. Das Alpha beendet nun endlich die unsägliche Herrschaft von silber lackiertem Plastikrahmen und Lederimitation. Glücklicherweise hat Samsung aber nicht bloß die bekannten Metallrahmen anderer Hersteller kopiert, sondern dem Konzept durchaus eine eigene Note verliehen. Das Resultat ist ein sehr filigraner und eleganter Metallrahmen.
Statt das Konzept also nur halbherzig umzusetzen, hat Samsung direkt volle Breitseite gegeben. Die angeschliffenen Kanten, die beeindruckend sauber verbauten Lautstärke- und Powerknöpfe und die leichten Wölbungen an den vier Ecken sind für mich ein Beispiel für allerhöchstes Verarbeitungsniveau. So sehr ich das iPhone 6 in meiner Review kritisiert habe: die Verarbeitung von Apple ist stets Referenz. Das Galaxy Alpha steht dem meiner Meinung nach in Nichts nach. Allein dieses Urteil ist für mich eine kleine Sensation. Mit nur einem Gerät hat Samsung den Aufstieg von der Kunststoff-Hölle zum Metall-Olymp geschafft.
Das Lob für das Galaxy Alpha endet aber nicht bei der Verarbeitung des Metallrahmens. Das Smartphone hat ein Display mit „nur“ 4,7 Zoll und kommt zusammen mit seinem schmalen Rand auf eine Gerätebreite von nur 65,5 mm. Das sind nur 0,2 mm mehr als beim hervorragend handlichen Moto X der 1. Generation. Es ist deshalb noch sehr angenehm mit einer Hand bedienbar. Vor allem aber ist es trotz gleicher Displayabmessungen 1,5 mm schmaler als das iPhone 6. Zusammen mit den geraden Kanten fühlt es sich in der Hand zusätzlich extrem griffig an.
Der positive Eindruck setzt sich bei der Rückseite des Alpha fort. Zwar bin ich noch immer kein Fan der flatterigen Samsung Rückseiten, aber zumindest wurde das Golfball-Muster des Galaxy S5 durch ein weniger auffälliges Kreuz-Muster ersetzt. Vor allem aber schließt die Rückseite fast nahtlos mit dem Metallrahmen ab. Diese passgenaue Fertigung der wechselbaren Rückseite hat Microsoft zuletzt beim Lumia 830 nicht ganz so gut hinbekommen. Vor allem zeigt das Galaxy Alpha, dass dünne und nahtlose Verarbeitung lange nicht mehr als Begründung herhalten müssen, wenn Hersteller behaupten, eine wechselbare Rückseite würde Kompromisse bei der Optik erfordern. Trotz wechselbarer Rückseite und Akku hat Samsung leider darauf verzichtet, einen SD-Kartenslot einzubauen. Ich habe zwar meine Vorbehalte gegen SD-Karten bei Android, aber jedenfalls Film- und Musikfreunden dürfte das sauer aufstoßen.
Alles in allem ist das Galaxy Alpha ohne Zweifel der lange überfällige Design-Neustart. Hervorragende Handhabung, saubere Verarbeitung und edle Optik scheinen von nun an keine Fremdwörter im Samsung-Kosmos zu sein.
2.2 Ein Display mit Schwächen und Stärken
Das Display kann dieses großartige Niveau leider nicht halten. Zuerst aber zur positiven Seite: Das Amoled-Display ist Samsung-typisch wieder einmal sehr kontrastreich und brilliant. Wie beim Galaxy S5 kann man zudem die Anzeigemodi umstellen und im Modus „einfach“ ein natürlicheres Farbbild einstellen. Für alle, die mit den quietschbunten Amoled-Bonbon-Farben nicht leben wollen, ist das Display des Galaxy Alpha also kein unüberwindbares Problem. Das Display ist zudem angenehm hell und natürlich sehr blickwinkelstabil. Gänzlich los wird man den typischen Amoled-Blaustich allerdings trotzdem nicht. Wer noch mehr Details wissen möchte, dem empfehle ich den professionelleren Display-Test bei phonearena.
Leider hat Samsung dem Galaxy Alpha aber nicht das Flagschiff-typische Full-HD-Panel spendiert, sondern nur ein einfaches HD-Panel verbaut. Mit 720p auf 4,7 Zoll bietet das Display zwar eine brauchbare Schärfe von 312 Pixel per Inch, aber selbst bei normalen Bedienabstand kann ich deutlich erkennen, dass Geräte mit über 400 PPI das klarere Bild liefern. Ein Problem ist zudem, dass Samsung wieder einmal keine volle RGB-Matrix, sondern nur eine Pentile-Matrix nutzt. Statt jeden Pixel aus einem roten, grünen und blauen Subpixel aufzubauen, teilen sich bei einer Pentile-Matrix fünf Pixel einen blauen Subpixel.
Das führt dazu, dass insbesondere blaue Schrift auf weißen Grund den Eindruck erweckt, dass jemand mit Wasserfarbe auf Aquarellpapier gemalt hat. Die Farbe verläuft sichtbar und franst unansehnlich aus. Für normale Nutzer ist das Display sicherlich kein Beinbruch und ich nehme an, dass ein Full-HD-Display zu sehr in Konflikt mit der Bauweise sowie dem kleinen Akku geraten wäre. Angesichts des extrem positiven Eindrucks, den die Hardware ansonsten vermittelt, bin ich vom Display aber doch etwas enttäuscht.
Etwas versöhnlich stimmt mich letztlich aber, dass das Galaxy Alpha bereits von Gorilla Glas 4 geschützt wird. Anders als beim iPhone 6, das bereits nach einer Woche einen fiesen langen Mikrokratzer hatte, war das Glas des Alpha auch nach dem Ende meiner fast 3-wöchigen Testperiode noch makellos, obwohl es durchgängig ohne Hülle oder Folie in der Jeans-Tasche getragen wurde.
2.3 Mein Eindruck von der Kamera
Die Kamera ist zwar gegenüber dem Galaxy S 5 etwas abgespeckt, was die Auflösung angeht: Statt 16 Megapixel löst die die des Alpha mit 12 Megapixel aus. Dafür hat sich aber an der sonstigen Kameratechnik wenig geändert. Nach wie vor baut Samsung eine Kamera mit Isocell-Technik ein und will damit gegenüber der BSI-Technik den Lichteinfall zwischen den einzelnen Pixeln minimieren, was zu schärferen Bildern führt. Die Kamera des Galaxy S5 fand ich damals ziemlich beeindruckend und auch das Galaxy Alpha überzeugt mich. Die Bilder sind unter guten natürlichen Lichtverhältnissen ausgesprochen knackig, kontrastreich und brilliant.
Allerdings war ich nicht so sehr vom Helligkeitsausgleich angetan. Ohne HDR neigt die Kamera dazu, helle Fläche aggressiv überzubelichten, was dazu führt, dass in den dunklen Bereichen jedes Detail verloren geht. Auch in schlechten Lichtverhältnissen schwächelte die Kamera etwas. Trotz optischer Bildstabilisation gerieten meine Nachtaufnahmen sehr unscharf. Das Alpha scheint hier die Belichtungsdauer extrem zu verlängern, was zwar in hellen, aber recht unscharfen Bildern resultiert.
Die Einstellungsmöglichkeiten sind unverändert üppig, teilsweise aber auch schlicht mit Gimmicks überladen. Gegenüber dem Galaxy S 5 wurde die Anzahl der Einstellungsmöglichkeiten zwar reduziert, dabei wurde aber stellenweise am falschen Ende gespart. So gibt es anders als beim S 5 keinen Schnellzugriff auf die Kamera vom Startbildschirm aus. Stattdessen muss man jedes Mal über die PIN-Eingabe das Gerät entsperren und die Kamera manuell starten. Das ist extrem ärgerlich und oft genug ließ ich das Smartphone dann in der Tasche, weil ich wusste, dass ich keine Chance hatte, die Situation noch rechtzeitig bildlich festzuhalten.
Fähigkeiten wie 4K-Videoaufnahme und eine Zeitlupenfunktion sind ebenfalls wieder an Board. Insgesamt macht die Kamera auf mich einen sehr fähigen, aber durch die Software unnötig eingeengten Eindruck. Eine Möglichkeit, sie schnell zu starten, muss beim nächsten Update unbedingt nachgeliefert und die Belichtungszeit darf in schlechten Lichtverhältnisse ruhig einen Hauch kürzer werden.
2.4 Fingerabdrucksensor und Pulsmesser, Teil 2
Das Galaxy S5 war für mich damals das erste Smartphone, bei dem ich einen Pulsmesser sowie einen Fingerabdrucksensor am buchstäblich eigenen Leib erfahren durfte. Ich habe mich damals entschieden, jedenfalls den Fingerabdrucksensor nicht aktiv zu nutzen und dies auch ausführlich begründet. Zwischenzeitlich habe ich auch den Fingerabdrucksensor im iPhone 6 testen können und auch dort letztlich darauf verzichtet, meinen Fingerabdruck zu registrieren. Meine Gründe für diese Skepsis gegenüber Biometrie in Smartphones habe ich mittlerweile auführlich in meinem Artikel „Fingerabdrucksensoren und Smartphones: Warum ich skeptisch bleibe!“ festgehalten. Diesbezüglich hat mich auch das Galaxy Alpha bisher nicht umgestimmt.
Davon abgesehen funktioniert der Sensor beim Alpha immer noch über eine Wischbewegung. Es reicht also nicht, den Finger einfach auf dem Sensor ruhen zu lassen. Da der Sensor direkt unter dem Homebutton liegt, sorgt diese Kombination für eine eher wackelige Stabilität beim Bedienen.
Der rückseitig verbaute Pulsmesser liefert Ergebnisse von brauchbarer Verlässlichkeit. Anders als die Sensoren der LG G Watch oder der Moto 360 muss man beim Galaxy Alpha den Finger sehr fest auf den Sensor direkt neben der Kamera pressen, was zu einer höheren Genauigkeit führt. Zusammen mit der S-Health Software und dem verbauten Schrittzähler ist das für den ein oder anderen Fitnessfreund sicher ein positiver Aspekt. Ich persönlich hege noch immer ein gewisses Misstrauen gegen die Erfassung meiner Körperwerte und deren intransparanter Verarbeitung in irgendwelchen entfernten Serverhallen. Spätestens seitdem die deutsche Versicherung Generali mit Plänen vorpreschte, ihre Versicherungsbeiträge von der Erfassung solcher Biometrie abhängig machen zu wollen, habe ich das Gefühl, dass wir als Techniknutzer und Gesellschaft gründlich nachdenken sollten, inwiefern Biometrieerfassung durch Alltagsgegenstände die Norm werden soll.
2.5 Akkulaufzeit, Verbindungsqualität und sonstige Details
Das Galaxy Alpha ist angenehm dünn und zudem mit 115 Gramm sehr leicht, was leider auch bedeutet, dass sich in seinem Inneren kein gigantischer Akku verstecken kann. In der Tat wirkt der (wechselbare) Akku mit seinen 1860 mAh verflixt klein. Auch bei Geräten mit 4,7 Zoll Displaydiagonale finden sich in der Regel Kapazitäten weit jenseits der 2000 mAh Marke.
Meine Erfahrung war dann zum Glück aber doch nicht so schlecht, wie die Zahlen es mich zuerst vermuten ließen. Auch das Alpha schaffte es bei mir meist auf einen normalen Tag voll intensiver Nutzung. Mit über 3 Stunden Display-On-Time rangiert es etwa in den Gefilden meines Nexus 5, was für mich die Minimalschwelle einer brauchbaren Akkuleistung ist. Mein Nutzungverhalten ist natürlich auch sehr inteniv, da ich immer ein Wearable via Bluetooth gekoppelt habe und viel Musik über WLan streame.
Trotzdem merkt man, dass das Alpha etwas unterversorgt ist. Abhilfe könnte ein Extended Battery Pack schaffen. Bei vielen Galaxy Modellen verkauft Samsung nach dem Start des Grundmodells größere Akkus inklusive neuer wechselbarer Rückseiten. Ein solches Erweiterungsset mit einem 2500 mAh Akku wurde bereits für das Alpha gesichtet. Damit dürfte die Akkulaufzeit deutlich verbessert werden und auch der herausragende Kamera-Hügel wird – wie üblich – dann wohl angeglichen.
Der am unteren Ende verbaute Lautsprecher überraschte mich mit angenehm satten Klang. Natürlich wäre mir ein zur Vorderseite strahlender Lautsprecher trotzdem lieber und wie üblich wird der Lautsprecher am Boden leicht mit dem Finger verdeckt, wenn man das Gerät horizontal hält. Die restlichen technischen Details sind mir allerdings zu keiner Zeit negativ aufgefallen. Im Netz der deutschen Telekom gab es keine Auffälligkeiten und auch WLan sowie Bluetooth waren stets stabil. Lobend erwähnen möchte ich noch die Benachrichtigungs-LED in der Front und Rückseite. Die pulsieren mehrfarbig und in einer sehr ruhigen Frequenz. Da sich allerdings auf beiden Seite eine befindet, kann die nächtliche Kalendererinnerung nicht dadurch verdeckt werden, dass man das Gerät umdreht.
2.6 Hardware-Fazit: Blaupause für einen starken Neuanfang
Samsung hat es tatsächlich geschafft! Das Galaxy Alpha ist nicht nur ein ordentliches Samsung Smartphone, sondern das mit Abstand bestaussehende aus dem Hause der Koreaner. Das allein heißt natürlich nicht viel, wenn man berücksichtigt, wie langweilig das typische Samsung Design oft wirkte. Aber auch im Vergleich zur gesamten Konkurrenz und besonders zu den Aluminium-Königen aus Cupertino macht das Alpha eine exzellente Figur. Nicht zu Unrecht hat Samsung das Design bereits auf dem neuen Note 4 umgesetzt und hat hier meiner Meinung nach eine Blaupause für wirklich tolle designte Geräte an der Hand.
Lediglich die etwas maue Leistung der Kamera bei schlechten Lichtverhältnissen und das enttäuschende Display trüben den Gesamteindruck für mich. Ich sage es aber einmal so: Hätte Apple beim iPhone 6 nicht auf die neue schlüpfig runde Bauform gesetzt, sondern das Design des Galaxy Alpha gewählt, ich hätte es damals behalten. Das Alpha ist für mich optisch das bessere iPhone 6. Wer hätte das erwartet?
3. Die Software des Galaxy Alpha
Nach all dem Lob für das neue Design hat mich die Software auf dem Alpha allerdings unerfreulich schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. So sehr einen die neue Optik die alten Samsung-Tage vergessen lassen kann: Sobald man das Gerät bedient, ist Samsungs Handschrift unverkennbar.
3.1. Immer noch zweischneidig: Touchwiz
Das vielgescholtene Touchwiz, Samsungs eigene Android-Oberfläche, ist nach wie vor ein zweischneidiges Schwert. Trotz aller Verbesserungen, die Samsung unzweifelhaft daran vorgenommen hat, ist es mir immer noch ein Rätsel, warum sich die Software bei Samsung immer anfühlt, als ob eine kleine Denksekunde nötig ist, um grundlegende Funktionen zu nutzen. Sei es das Starten von Apps, das Zurückkehren auf den Homescreen oder das Manouvrieren in Menüs. Stets wartet man einen kleinen Moment darauf, dass die Eingabe umgesetzt wird.
Möglicherweise spielt dabei auch der Samsung-eigene Prozessor, hier der Exynos 5 Octa, eine Rolle. Eigentlich sollte der nämlich im Bedarfsfall zwischen dem Hochleistungs-Vierkerner und dem Stromspar-Vierkerner hin- und herschalten, scheint aber nicht in der Lage zu sein, dasselbe Feeling zu produzieren, wie es das Nexus 5 oder das Moto X (2014) bieten. Das ist sehr bedauerlich, denn die Software selbst hat sich im Laufe der Zeit zu einem sehr brauchbaren Angebot entwickelt.
Nach wie vor bietet Samsung Extras wie Multi-Window und nutzt damit den vorhandenen größeren Displayplatz sinnvoller aus als es etwa iOS 8 tut, wo das größere Display effektiv kaum Vorteile bietet. Die typischen Gesten von Samsung, mit denen etwa das Gerät stumm geschaltet werden kann, indem man es auf das Display legt oder mit schwebendem Finger Vorschauen der Inhalte von Nachrichten erhält, sind ebenfalls wieder dabei. Allerdings ist auch das bekannte Überangebot an Funktionen und Einstellungen zurück.
Da sich Touchwiz auf dem Galaxy Alpha praktisch kaum von der Version auf dem Galaxy S5 unterscheidet, verweise ich für die Details auf mein Review zum Galaxy S5. Trotz allem Lob für die Fortschritte bleibt meine Meinung aber: Egal wie gut die Software ist oder wie vollbepackt mit Extras, Samsung muss dringend Ballast loswerden und endlich ein flinkes und reaktionsschnelles Touchwiz auf die Beine stellen.
3.2. Wann kommt Android Lollipop?
Das führt uns auch direkt zur aktuell spannenden Frage: Wann kommt Android Lollipop. Die „Lollipop“ getaufte Version 5 von Android ist seit einigen Wochen offiziell für die Nexus Geräte verfügbar. Einen ausführlichen Überblick über die neuen Funktionen lest ihr in meinem Bericht zur Android L Preview. Anders als in den vergangenen Jahren entbrannte bei Version 5 ein regelrechtes Wettrennen unter den Herstellern darum, Android Lollipop möglichst schnell auf die eigenen Geräte zu bringen. Die gute Nachricht: Samsung war dieses Mal ganz vorne mit dabei und hat bereits diese Woche angefangen, Android 5.0 für das Galaxy S 5 in Polen auszurollen. Damit kam Samsung vielen anderen Herstellern zuvor und hat sogar das typischerweise recht schnelle Motorola in Europa geschlagen.
Mit Android Lollipop bietet sich für Samsung die Chance, viele der oben genannten Schwachstellen auszubessern und nicht nur den vermissten Kamera Schnellzugriff, sondern vor allem auch ein leistungsstarkes Touchwiz zu liefern. Wann Android 5.0 als Basis für die neueste Touchwiz-Version auch für das Galaxy Alpha kommt, weiß bisher niemand, aber ich bin zuversichtlich, dass das Alpha dem S 5 schnell folgen wird. Mit Blick darauf, dass im Marketing der Provider das Alpha mittlerweile sogar das S 5 verdrängt hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass der edle Neuling lange unberücksichtigt bleibt. Update (29.08.2015): Seit Juli wurde das Galaxy Alpha tatsächlich mit dem Update auf Lollipop versorgt und die noch bessere Nachricht lautet dieser Tage: Auch ein Update auf Android 6.0 („Marshmallow“) gilt als sicher.
3.3. Fazit zur Software
Zur Software kann ich mich leider auch beim Galaxy Alpha nur zurückhaltend äußern. Ja, Touchwiz ist an vielen Stellen optisch moderner geworden, hat viele sinnvolle Extras perfektioniert und kämpft auch lange nicht mehr mit den Rucklern der vergangenen Tage. Trotzdem merkt man, dass Samsung eine ganz dicke Schicht Touchwiz auf das effiziente Android Grundgerüst streicht. Wer den Vergleich mit puren Android nicht hat, wird zwar kaum Grund zum Meckern haben. Wer aber reaktionsschnelle Geräte aus der Nexus Reihe gewohnt ist, der muss sich fragen, warum bei Samsung all die Hardwarepower noch immer im Touchwiz Nirvana verbrannt zu werden scheint. Die großartige Hardware des Alpha wird damit aktuell leider von einer nicht ganz ebenbürtigen Software begleitet. Die Hoffnung ruht auf Android Lollipop.
4. Abschließende Wertung
Eine abschließende Wertung für das Galaxy Alpha fällt mir nicht leicht. Das neue Design, die kompakten Ausmaße und die weitgehend tolle Kamera machen es zu einem ganz heißen Kandidaten für alle, die keine Lust auf Riesentelefone haben. Sogar das herrliche 2013er Moto X sieht sich hier ganz gehöriger Konkurrenz ausgesetzt.
Trotzdem wirkt das Alpha in einigen Bereichen auch wie eine Art Testballon. Das neue Design soll sich bewähren und so ganz hat sich Samsung nicht getraut, alle Zügel loszulassen. Besonders das nur durchschnittliche Display wirkt unpassend für ein so hochwertiges Gerät. Auch der Akku musste erkennbar als Kompromiss gegenüber der dünnen Bauweise zurücktreten. Unbestreitbar ist das Alpha optisch ein echter Befreiungsschlag, aber möglicherweise folgt der wahre große Wurf erst noch, wenn Samsung das Design auf das wahre Flagschiff – das kommende Galaxy S 6 – portiert?
Aber: Neue und bessere Hardware steht immer in den Startlöchern und wer heute das beste kompakte Smartphone unterhalb der 5 Zoll Kategorie sucht, der macht beim Galaxy Alpha sehr wenig falsch. Mittlerweile hat sich der Preis zudem auf ein Niveau reduziert, das das Alpha zusätzlich attraktiv macht. Bis auf weiteres wird das Galaxy Alpha daher für mich eine echte Empfehlung für alle sein, die auf Design und einhändige Bedienbarkeit Wert legen. Man sollte sich vorher eben nur über die Schwachstellen im Klaren sein.
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Ich bin Malte, der Chefredakteur hier bei DeathMetalMods.de. Ich bin beruflich als Jurist tätig und lebe in diesem Blog meine Lust an Technik, digitaler Welt und Gadgets aus. Ich schreibe hier die meisten Artikel und organisiere die Arbeiten im Hintergrund. Ihr findet mich auch privat bei Mastodon und Twitter.