Smartphone-Kameras: Vorurteilen und Mythen auf der Spur

KameraMythenHeaderWas Anfang der 2000er Jahre noch ein belächeltes Extra war, ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit: Die Kamera beim Smartphone. Aus winzigen Linsen und Krümelbildern mit miserablen Auflösungen sind mittlerweile hochentwickelte Kamerasysteme geworden, die für den Großteil der Nutzer dezidierte Fotoapparate gänzlich abgelöst haben. Auch ich nutze seit Langem nur noch meine Smartphone-Kameras. Gerade weil dieser Teil der Smartphone-Welt aber so immens an Bedeutung gewonnen hat, ranken sich mittlerweile viele Kontroversen um das Thema „Smartphone-Kamera“.

Dabei ist die Diskussion selbstverständlich oft genug auch von Fanboy-Brillen geprägt. Es geht schlicht um die Frage: Was genau macht eine gute Smartphone-Kamera eigentlich aus? Auflösung? Qualität des Sensors? Software? Bildstabilisation? Nimmt man dann so umstrittene Ansätze wie die Ultrapixel-Kamera am aktuellen HTC One M8 hinzu, ist Streit und Lagerbildung oft nicht weit. Nicht zuletzt HTCs jüngste Kontroverse hat auch bei mir einen Umdenkprozess angestoßen und mich veranlasst, einmal alle verfügbaren Smartphones zusammenzukramen und ein paar Vorurteilen und Mythen auf den Grund zu gehen. Hier ist das Ergebnis:

1. Aufbau

Eins vorweg: Ich bin kein Fotografie-Profi oder auch nur Halb-Profi. Ich lege zwar Wert auf gute Bilder und mache mir durchaus die Mühe, mit Fokus, Belichtungszeit und Helligkeit herumzuspielen, aber ich bin und bleibe Laie auf dem Gebiet. Es soll daher auch nicht so sehr um harte Fakten gehen. Stattdessen möchte ich eher Kategorien betrachten, die dem normalen Nutzer im Alltag auch auffallen. Bei allem bleibt aber klar: Dieser Test ist und bleibt von meiner persönlichen Meinung geprägt.

KameraMythenAufbau

Der hochprofessionelle Testaufbau

Als Testaufbau habe ich gemeinsam mit einem freundlichen Helfer, einen Aufbau gewählt, der Tiefenschärfe und Bewegungen darstellt. Fokussiert wurde jeweils mit Tap-To-Fokus auf das zweite Männchen mit dem blauen Hut, während der Spielzeug-Zug mit gleicher Geschwindigkeit seine Runden drehte. Alle Einstellungen waren in den entsprechenden Smartphone-Apps auf „Auto“, HDR deaktiviert und alle Bilder wurden aus derselben Entfernung gemacht. Als zweiten Test haben wir eine Makroaufnahme bei idealen Lichtverhältnissen gewählt, damit alle Kameras einmal ihre Muskeln spielen lassen konnten. Es wurden jeweils 3 bis 4 Bilder gemacht und das „Beste“ gewählt. Auch diese Herangehensweise ist sicher angreifbar, aber wir wollten vermeiden, dass zu starke Ausreißer das Ergebnis verzerren.

2. Die Kontrahenten

Insgesamt kamen am Ende sechs Kontrahenten zusammen: Ein Nexus 5, ein iPhone 5 und 4S, sowie drei Vertreter von Windows Phone 8, namentlich ein Lumia 820, 920 und 925. Dabei ging es wie gesagt weniger darum, das aktuell weltbeste Kamera-Phone zu ermitteln, sondern möglichst viele Vergleichswerte zu haben.

KameraMythenKontrahenten

Die versammelten Konkurrenten

Den leichten Überhang zu Windows Phone 8 möge man uns aber verzeihen. 😉 Ich habe bereits früher gesagt, dass Windows Phone 8 ganz besonders bekannt für gute Kameras ist, aber auch dort haben sich einige Überaschungen ergeben.

3. Das Nexus 5

Kommen wir direkt zum ersten Kandidaten. Als einziger Vertreter aus dem Android-Bereich war das Nexus 5 vertreten. Bereits in meiner Review zu dem Gerät hatte ich der Kamera relativ brauchbare Qualität attestiert, war aber von der Performance in schlecht ausgeleuchteten Verhältnissen nicht sehr angetan. Das eher durchwachsene Bild hat sich in diesem Test bestätigt. Dabei bietet das Nexus 5 mit 8 MP und optischer Stabilisierung eigentlich gute Technik.

Der Bewegungsunschärfe-Test zeigt deutliche Unschärfe beim fahrenden Zug. Das aus zwei Linien bestehende „U“ auf dem Zugwagen verschmilzt zu einem breiigen Bild. Daneben ist das Bild insgesamt auch recht dunkel und im Detail sehr verrauscht. Besonders negativ fällt die Außenaufnahme auf. Trotz mehrerer Versuche schaffte es das Nexus 5 nicht, einen angemessen belichteten Fokus auf die Gänseblume zu bringen. Das Bild, das hier gezeigt wird, ist das Beste von mehreren Versuchen und trotzdem ist das Weiß deutlich überbelichtet und die Stempel der Blüte sind schwer zu differenzieren. Der Halm ist hingegen erstaunlich scharf (man beachte die feinen Härchen).

Die Fotoapp startet angenehm schnell und der Fokus reagiert auf manuelle Fingertipps ebenfalls ausreichend flink. Die vollen 8 MP sind nur möglich, wenn die Bilder im Verhältnis 4:3 aufgenommen werden. Die Reaktionszeit kam mir allerdings recht langsam vor. Das Bild, das am Ende gespeichert wurde, zeigt eine wahrnehmbare Verzögerung zum gefühlten Auslösezeitpunkt.

4. Die iPhones

Als nächstes schauen wir uns die iPhones an. Sowohl das iPhone 4S als auch das iPhone 5 verfügen über eine 8 MP Kamera, die nicht optisch stabilisiert ist. Beide Kameras ähneln sich auch vom Kamera-Design. Bei seiner Vorstellung vom iPhone 5 sprach Apple im Vergleich vor allem von Farbtreue und besserer Performance bei schlechten Lichtverhältnissen.

Das iPhone 4S zeigt ein sehr helles und klares Bild mit sehr wenig Bildrauschen und klaren Konturen. Dafür ist das „U“ extrem unscharf. Der Verdacht: Das iPhone 4S belichtet einfach etwas länger. Damit werden die Bilder zwar hell und klar, aber bewegte Gegenstände werden sehr schnell unscharf. Bei dem Stillleben draußen zeigt das iPhone 4S dann ein sehr gutes Bild. Da hier keine bewegten Objekte vorhanden sind, ist von dem Nachteil der Kamera nichts zu sehen. Farben und Kontraste wirken sehr gut. Der Fokus ist zudem schön getroffen. Zoomt man etwas genauer auf die Blüte, fehlt es jedoch etwas an Details.

Das iPhone 5 steigert das Ergebnis des 4S im Grunde sowohl in positiver wie negativer Beziehung. Die Bilder sind noch heller, klarer und detailreicher. Aber die Bewegungsunschärfe beim Zug ist äußerst deutlich. Wer hier darauf hofft, seinen huschenden Hund im richtigen Moment zu erwischen, der wird sicher seine Probleme haben. Stillleben gelingen dank der scheinbar langen Belichtungszeit sehr gut, so lange sich nix bewegt. Die Gänseblume ist gut fokussiert, detailreich und das ganze Bild wirkt intensiv und kontrasreich.

Ansonsten fällt bei den iPhone-Kameras vor allem auf, dass der Fokus extrem schnell reagiert und die Auslösezeit gefühlt sehr kurz ist. Das gespeicherte Bild gleicht dem anvisierten Bild beim Auslösen. Auch hier sind die Bilder im Verhältnis 4:3 Standard.

5. Die Nokia Lumias

Die Kameras in Nokias Lumia Reihe werden allgemein für ihre sehr gute Kameraqualität gelobt. Der Begriff „PureView“, das als „Nachtsichtgerät“ bezeichnete Lumia 925 und nicht zuletzt das phänomenale Lumia 1020 haben Nokia zum Inbegriff guter Kameras werden lassen. Aber auch innerhalb der Lumia-Familie will Nokia schließlich Qualitätsunterschiede zeigen.

Das Lumia 820 gehört im Grunde schon zu den hochwertigeren Nokia Geräten und bietet mit einer 8,7 MP Kamera mit Carl-Zeiss-Optik beste Voraussetzungen für gute Bilder. Im Bewegungschärfe-Test zeigt sich das Lumia 820 trotzdem recht schwach. Das Bild ist dunkel, im Detail verrauscht und die Bewegungsunschärfe ist nicht viel besser als beim Nexus 5. Hinzu kommt, dass das Bild sehr farbarm daher kommt. Das Rot des „U“ auf dem Zug ist zum Beispiel fast nicht auszumachen. Besonders deutlich wird diese Schwäche aber beim Außenbild, das deutlich farbarmer als bei den bisherigen Kandidaten wirkt.

Das Lumia 920 war das erste Windows Phone 8 Gerät, dass mit dem „PureView“ Label veröffentlicht wurde. Dahinter verbirgt sich zunächst einmal wie beim Lumia 820 eine 8,7 MP Kamera mit Carl-Zeiss-Optik. Hinzu kommen aber besondere Linsen (5 an der Zahl) und eine optische Bildstabilisation. Das Beispielbild zeigt beim Bewegungsunschärfe-Test das bisher mit Abstand beste Ergebnis. Wo bei allen anderen Kameras das „U“ auf dem Triebwagen kaum Details bot, sind die getrennten Linien hier deutlich zu differenzieren. Die Außenaufnahme ist wie beim Lumia 820 zwar recht recht blass, aber immerhin etwas farbenfroher. Die Schärfe wirkt sehr überzeugend, was nicht überrascht, wenn sogar bei bewegten Objekten kaum Bewegungsunschärfe auftritt.

Als letzter Kandidat in der Runde geht das Lumia 925 ins Rennen. Von dem Lumia 820 und Lumia 920 unterscheidet sich das Lumia 925 im Prinzip nur durch eine sechste zusätzliche Linse, die laut Nokias Marketing für bessere Lichtempfindlichkeit sorgen soll. In diesem Test zeigt das Lumia 925 zwar ebenfalls sehr gute Werte bei der Bewegungsunschärfe (das „U“ ist ähnlich differenziert wie beim Lumia 920), aber das Bild ist auch etwas dunkler und im Zoom zeigen sich in den Gesichtern der Figuren etwas weniger Details. Die Außenaufnahme zeigt zudem sichtbare Überbelichtung und eine leichte Corona um die weissen Blätter.

Alle Lumias haben gemeinsam, dass die Kamera-App im Vergleich am längsten braucht, um zu starten, sei es vom Sperrbildschirm oder auch über den App-Start per Kameraknopf. Auch der (Tap-to-) Fokus ist mit Abstand der langsamste. Teilweise war es fast knapp, das Bild auf das blau behütete Männchen zu fokussieren, bevor der Spielzeug-Zug hinter dem letzten Männchen hervorkam. Die Lumias sind im hiesigen Test dafür die einzigen Smartphones, die bei voller Auflösung im Verhältnis 16:9 fotografieren.

6. Meine Lehren aus dem Vergleich

Was für ein Ergebnis kann man nun aus dem Vergleich ziehen? Vorrangig ist mir klar geworden: Die „perfekte“ Smartphone-Kamera gibt es nicht. Stattdessen ist die richtige Kamera abhängig vom Einsatzgebiet und den Vorlieben des Nutzers. Während ich vor diesem Test sehr überzeugt von den Bildern meiner iPhones war und im Zweifel auch im Urlaub auf Apple setze, weiß ich jetzt: Für bewegte Bilder sollte ich mich nicht auf Apple verlassen. Für Stillleben oder unbewegte Aufnahmen ist das iPhone sehr gut geeignet, für schnelle Objekte dagegen weniger.

Die zweite Lehre, die der Vergleich allgemein zulässt, ist, dass reine Megapixel-Angaben wenig über die Qualität der Bilder aussagen. Alle Kameras lösten mit ca. 8 MP auf und trotzdem waren die Unterschiede sehr deutlich erkennbar. Dieser Erkenntnis ist nicht neu, aber gerade bei Kameras wie beim HTC One M8 bin auch ich in die Falle getappt, von der geringen Auflösung auf mutmaßlich schlechte Bildqualität zu schließen (diesen Fehler beabsichtige ich in einer Review zu korrigieren).

Die dritte Lehre ist für mich, dass die beste Kamera nichts bringt, wenn der Moment aufgrund zu langer Start- und Fokuszeit verpasst wird. In Kurzform:

  1. Eine gute Smartphone-Kamera muss nach dem Nutzungsverhalten gewählt werden.
  2. Die Anzahl der Megapixel ist kein Indikator für gute Bilder.
  3. Kamerastart- und Fokuszeit sind ein wichtiger Teil der „Kameraqualität“.

Vor allem aber werde ich Zukunft dreimal prüfen, was ich auf Marketing gebe. Nun zu euch? Welcher der hier verglichenen Kandidaten wäre eure Wahl und was sind eure Erfahrungen mit Smartphone-Kameras? Habt ihr vielleicht überraschend negative oder positive Erfahrungen gemacht? See you in the comments!

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