Google I/O gegen WWDC 2015: Wenn Privatsphäre zum Luxus wird

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Die jährlichen Entwicklerkonferenzen im Frühjahr waren lange der Ort großer Veränderungen. Das Jahr 2015 kommt deutlich gemütlicher daher. Nach zwei Jahren des Umbruchs kehrt mit Android M und iOS 9 Ruhe ein. Statt neuer Features konzentrieren sich Apple und Google auf Finetuning. Von Besinnlichkeit kann trotzdem keine Rede sein. Ganz offen leisten sich Apple und Google anlässlich der aktuellen Keynotes einen Schlagabtausch um die Frage: Wieviel Privatsphäre braucht mobile Technik?

Willkommen zu meinem Rückblick auf die Google I/O und die WWDC 2015!

Google I/O 2015: Fast and Simple

Die Google I/O 2015 fand Ende Mai statt und stand im Zeichen von Android M, lernenden Algorithmen und Verbesserungen der Entwickler-Tools. Große Umwälzungen blieben aus. Die angekündigten Updates für Android Wear waren sogar nicht einmal neu, sondern seit Wochen jedem bekannt, der Reviews zur LG Watch Urbane gesehen hat. Auch die neue Google Photos App bietet optisch eher Bekanntes, überrascht aber mit grenzenlosem Cloud-Speicherplatz. Für mich als Nutzer eines Nexus 5 waren die Ankündigungen bezüglich der Android M Preview natürlich das Interessanteste.

AndroidMFeatures

Die 6 Pfeiler von Android M

Zu den Neuerungen bei M gehört die (nicht ganz) neue Möglichkeit, Apps nachträglich Zugriff auf einzelne Rechte zu entziehen. Daneben gibt es nun nativen Support für Fingerabdruckleser, für Bezahlmöglichkeiten (Android Pay) und ein noch besseres Google Now. Bis auf dieses verbesserte „Google Now on Tap“, das auf Knopfdruck den Inhalt meines gerade angezeigten Bildschirminhalts auswertet, sind die restlichen Ankündigungen eher ein Aufholen zur Konkurrenz. Für mich war die lange spekulierte Wiederkehr des Rechte-Management (bei Android 4.3 „Jelly Bean“ schaffte es diese Funktion schon einmal zufällig in den finalen Code) das wichtigste Thema. Umso enttäuschter war ich deshalb darüber, das sich Dave Burke nur knapp zwei Minuten Zeit nahm, dieses Feature zu erklären.

AndroidMRechte

Lang vermisst, endlich da: Rechte-Management bei Android M

Kein Wort dazu, wie wichtig diese Funktion ist und nur sehr vage Worte dazu, wie sich alte Apps bei Widerruf von Rechten verhalten. Ich hatte das Gefühl, dass Google sich hier eher widerwillig gebeugt hat, anstatt sich seiner Verantwortung für seine Nutzer bewusst zu werden. Diese Art und Weise, wie Google lieber über seine immer besser lernenden Algorithmen redete, anstatt auch mal die Frage der Verantwortung für die damit einhergehenden Risiken zu adressieren, zog sich durch die gesamte Keynote. Egal ob Fingerabdruck-API, Android Pay oder das Schwärmen über die Fortschritte bei Big Data Analysen: Der Fokus der Keynote lag ganz vorrangig auf der Betonung „Fast and Simple“. Auf dem schmalen Grad zwischen Bedienfreundlichkeit und Datensparsamkeit wählt Google ganz klar ersteres. Ich hätte mir gewünschte, dass Google endlich erkennt, dass mit dem technischen Fortschritt, früher oder später Verantwortung einhergehen muss. Michael Fisher von Pocketnow twitterte treffend: Google versteht es, Daten attraktiv zu machen. Ich wünschte, Google würde die  digitalen Grundrechte genauso attraktiv machen.

WWDC 2015: You are in control

Apples WWDC 2015 von Anfang Juni lässt sich sehr ähnlich beschreiben: Nach dem Kraftakt mit iOS 7 und dem recht verbuggten iOS 8 kehrt auch bei Apple Ruhe ein und es geht an den Feinschliff. Hier ein Detail, da ein kleines Feature und raus kommen iOS 9 und OS X „El Capitan“. Bei OS X gefällt mir die bessere Spotlight-Suche und das von Windows 7 kopierte Snap. Bei iOS 9 lag die Betonung für mich auf dem Google Now-Klon „Proactive“, den Verbesserungen von Siri und dem endlich implementierten Multi-Window-Support auf den iPads.

Das wirklich interessante war für mich aber die Art und Weise, wie die neuen Funktionen präsentiert wurden. Jede Funktion, die auch nur im Verdacht stehen könnte, etwas mit Nutzerdaten zu tun zu haben, wurde mit einer eigenen Folie bezüglich der ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der Privatssphäre der Nutzer ergänzt.

iOS9Proactive

Fast schon Routine: Auf neue Features folgte bei Apple oft auch eine Folie zum Thema Datenschutz

Egal ob das lernende Proactive, das klügere Siri oder die besser abgesicherte Apple Watch. Stets betonte Apple, dass die Daten nicht personalisiert erhoben würden, nicht mit dritten Parteien geteilt würden und das Gerät nicht verlassen würden. Das macht Apple nicht erst seit gestern, sondern führt damit fort, was spätestens seit TouchID und Apple Pay zur Routine geworden ist: Noch in der Keynote greift Apple die drängendsten Bedenken bezüglich Datenschutz und Datensicherheit auf. Bei der Vorstellung des iPhone 5S erklärte Apple noch in der Keynote, wie und wo der Fingerabdruck verarbeitet wird. Noch während der Vorstellung von Apple Pay erklärte Apple das System und seine Privatsphäre-Vorteile gegenüber der Zahlung mit einer Kreditkarte. Egal, was am Ende aus diesen Versprechen wird, ich habe jedenfalls den Eindruck, dass Fragen der Privatsphäre und der Datensparsamkeit bei Apple schon während des Aufbaus eines neuen Service berücksichtigt werden.

Wird Privatsphäre zum Luxus-Extra?

Seit einigen Wochen entspinnt sich eine wahre Kommentarwelle zu dem Schlagabtausch zwischen Apple und Google, zwischen Tim Cook und Eric Schmidt und letztlich zwischen zwei völlig verschiedenen Geschäftskonzepten. Erstmalig wird der Unterschied zwischen den Philosophien aber auch so deutlich von den Unternehmen selbst thematisiert. In seiner viel beachteten Rede beim Electronic Privacy Information Center griff CEO Tim Cook Google ungewohnt deutlich an. Seitdem rattern die Laptop-Tastaturen. Der Chef von Android Central, Phil Nicholson, weist etwa darauf hin, dass Google nun einmal ein Unternehmen sei, das vor allem Software, nicht Hardware vertreibe. Und Software brauche eben Daten. Sowieso seien es doch wir Nutzer selbst, die Dienste wie Google Now bereitwillig mit Daten fütterten.

Letztlich mahnt Nicholson aber ganz zu Recht dazu, sich von all dem Marketing nicht zu schnell täuschen zu lassen. Fakt ist: Apple kann sich den Verzicht auf die Auswertung der Daten derzeit zwar leisten, aber das bedeutet nicht, dass das für alle Zeit so bleiben muss. Auch bei Apple muss man damit rechnen, dass die Gewinnmargen mal etwas schmaler ausfallen. Erst dann wird sich zeigen, wie idealistisch man in Cupertino wirklich ist. Trotzdem könnte sich Apple den Aufwand auch jetzt schon sparen und sich nicht nur an den saftigen Preisen seiner Hardware bedienen, sondern auch die Daten der Kunden in Werbeprofilen versilbern. Das man das in fetten Zeiten nicht tut, lässt immerhin für magere hoffen.

Die betrübliche Erkenntnis dabei: Digitale Privatssphäre wird mehr und mehr zu einem Luxus für Eliten. Damit setzt sich der Trend fort, der bereits in anderen sozialen Bereichen verfestigt ist: Wohlhabende Menschen haben Geld für Sport, gute Ernährung und stressfreies Wohnen. Weniger gut betuchte müssen günstige Tiefkühlkost essen und in der Nähe von Industrieanlagen wohnen. In Zukunft entscheidet das Portemonnaie also auch darüber, wer sich ein Stück Privatssphäre im Netz leisten kann.

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