Retina, Quad HD & Co: Wieviele Pixel braucht ein Smartphone?
|Im Laufe meiner letzten Testberichte hat sich immer wieder ein Thema in den Vordergrund gedrängt: Displaytechnik. Ich bin ein bekennender Pixel-Fan und seit dem Nexus 5 absolut heiß auf hochauflösende Displays. Seitdem habe ich vom Lumia 630 bis zum LG G3 so ziemlich alle Enden des Pixelspektrums genutzt, getestet und reviewed. Zuletzt gab es in meinem iPhone 6 Review deutliche Kritik an der nur durchschnittlichen Displayschärfe. Gerade letztere Review führte in den Kommentaren, in Foren und auf Twitter zu einigen Diskussionen. Von Gegenstimmen der Art „Unmöglich, da höhere Auflösungen zu erkennen“, „Sinnloser Spec-War“, „Qualität zählt doch viel mehr“ bis zu klarem Zuspruch gab es viele Reaktionen. Zeit, das Thema einmal ausführlicher anzugehen und die Frage zu klären: Wieviele Pixel braucht ein Smartphone wirklich?
Auflösung, Pixel und Schärfe: Eine kleine Zusammenfassung
Um beurteilen zu können, ob der Ruf nach höheren Auflösungen auf Smartphones sinnlose Leistungsgier oder berechtigter Qualitätsanspruch ist, muss man verstehen, was ein Display überhaupt scharf macht. Ich habe bereits im Frühjahr einen ausführlichen Artikel zu Auflösung, Pixeldichte und Co geschrieben, den ich an dieser Stelle empfehle, da er gewissermaßen Grundlage dieses Artikels ist. Für alle Lesemüden hier aber die Kurzfassung:
Die Schärfe eines Display (unabhängig von Smartphones, Tablets oder Fernsehern) wird immer in Pixel per Inch gemessen (kurz: PPI)). Man setzt also die Displaydiagonale mathematisch ins Verhältnis zur Bildschirmauflösung. Für Mathe-Muffel gibt es alternativ den Pixeldensity Calculator. Das Ergebnis ist ein Wert, der meist zwischen 200 und 400 liegt und angibt, wieviele kleine Pixel-Bausteine pro Zoll vorhanden sind, um das Bild zusammenzusetzen: Je mehr Bausteine auf gleicher Fläche, desto kleiner müssen diese sein und das Bild wird feiner.
Normale Fernseher bieten eine Auflösung von meist 1920 x 1080 Pixel (Full HD) auf 40 bis 50 Zoll und kommen damit auf etwa 45 PPI. Die gleiche Auflösung findet man aber auch auf Smartphone-Displays mit viel kleineren 5 Zoll-Displays, was zu einer deutlich höheren PPI-Zahl von 400 bis 500 PPI führt. Die gleiche Anzahl Pixel-Bausteine wird also auf viel kleinere Fläche gepresst. Das macht allerdings Sinn, denn entscheidend ist neben der puren Pixeldichte auch die Betrachtungs-Entfernung zum Display. Und da man das Smartphone deutlich näher am Auge hält, muss dort die Pixeldichte auch höher sein. Anders herum: Aus genügend großer Distanz sieht selbst ein Ego-Shooter aus den 90er passabel aus. Damit kommen wir auch zum entscheidenden Punkte der Diskussion.
Retina-Marketing und die Limits des menschlichen Auges
Steve Jobs (der vor ziemlich genau 3 Jahren verstorbene Apple-Chef) hat mit seiner Präsentation des iPhone 4 einen bis heute bestehenden Mythos begründet: Die „magische Retina Grenze“ von 300 PPI. Ein Display mit einer Pixeldichte oberhalb dieser Grenze wirke für das menschliche Auge derart fein, dass keine einzelnen Pixel erkannt werden können. Die Präsenation ist wirklich sehenswert und noch heute bewundere ich Apple’s Schritt im Jahr 2010 so unüblich scharfe Displays zu verbauen. Ich nutzte zu dieser Zeit ein Galaxy S und später ein Galaxy S2 von Samsung und allein die hohe Display-Schärfe der Apple Smartphones haben mich letztlich für lange Zeit zum iPhone 4S wecheln lassen.
Aber was ist dran an dieser Grenze? Im üblichen Nutzungsabstand soll das Auge das Bild als nahtloses organisches Bild wahrnehmen, ohne einzelne Bildpunkte erkennen zu können. Deshalb ist die Retina Grenze übrigens auch keine feste Grenze, sondern immer das Ergebnis einer mathematischen Formel, die maßgeblich den Abstand zum Bild mit beinhaltet. Nur so konnte Apple das Retina Display der iPads trotz „nur“ 264 PPI als „Retina-Display“ vermarkten, weil man Tablets gewöhnlich weiter vom Auge entfernt hält.
Sind 300 PPI bei Smartphones wirklich die magische Grenze?
Die Frage ist: Wo liegt tatsächlich die Grenze des menschlichen Auges? Haben Smartphone-Displays mit FullHD oder sogar Quad HD (2560×1440) irgendeinen Mehrwert oder sind diese Displays nichts mehr als Marketing der Android-Hersteller, um die eigenen minderwertigen Produkte jedenfalls auf dem Leistungsblatt gegen Apple’s Wundertelefone antreten zu lassen? So oder so ähnlich formulieren es jedenfalls hingebungsvolle Apple-Freunde gern. Die Retina-Grenze scheint mir eine der letzten Bastionen der iOS-Enthusiasten zu sein und ist ein beachtenswerter Erfolg für Apple’s Marketing-Abteilung. Apple hat diesen Begriff schlicht derart gekonnt geprägt (und in den USA sogar als Marke registriert), dass viele Apple-Nutzer ihn nur schweren Herzens aufgeben.
Aber alles Leugnen hilft nichts: Die 300 PPI Grenze ist eine reine Marketing-Idee und hat wenig bis keinerlei Verankerung in der menschlichen Physiologie. Ich bin kein Optiker, aber eine kleine Reise durch die Untiefen des Internets zeigt einem, dass es schon seit Jahren – wenn nicht Jahrzehnten – Bereiche gibt, in denen weit oberhalb von Apples Retina-Grenze agiert wird. So sind bei Kunstdrucken seit Langem Druckerzeugnisse mit bis zu 600 DPI (Dots per Inch) verbreitet. Vor allem aber kommt es bei diesen Grenzen ganz entscheidend auf das eigene Sehvermögen an. Diesen Punkt klammert Apple in seiner „Formel“ (zu sehen in den Keynotes zum iPhone 4 und iPad 3) gekonnt aus: Kurzsichtige Menschen können ab 1 bis 2 Metern nicht einmal die Tageszeitung lesen, geschweige denn Pixel auf einem Smartphone erkennen. Andere Menschen haben Sehschärfen weit oberhalb der durchschnittlichen 20/20 beziehungsweise 6/6. Es gibt Menschen, die selbst aus 10 Metern noch Dinge erkennen, die andere erst aus 6 Metern Entfernung erkennen. Diese Menschen haben dann eine Sehschärfe von 10/6 oder 166 %. Für diese Menschen ergibt sich eine ganz andere „magische Grenze“ nach Apples Maßstäben und diese Menschen erkennen dann natürlich noch einzelne Pixel, wo andere keine mehr erkennen. Diese Tatsache ist übrigens auch unter Apple-Begeisterten längst kein Geheimnis mehr. Bereits im Sommer 2012 titelte Cult Of Mac „Warum Retina nicht genug ist“ und schloß mit dem bemerkenswerten Satz
„Apple’s definition of Retina is based upon the vision of seniors„.
Die „magische“ Grenze von 300 PPI ist keine physiologische unumstößliche Grenze, sondern das Zufallsprodukt einer Rechnung, die zufällig zu der Verdoppelung der Auflösung beim iPhone 4 passte. Hätte Apple damals Sehschärfen jüngerer Menschen zur Grundlage seiner Formel gemacht, wäre eine „Retina“-Schwelle von weit mehr als 320 PPI herausgekommen.
Zu alle dem muss man auch den Faktor Gewöhnung berücksichten: Nutzt man jahrelang nur Geräte mit Pixeldichten um 300 PPI, gewöhnt man sich an diese „Schärfe“. Schaut man dann kurzzeitig auf ein Display mit 450 PPI, springt einen der Unterschied zwar nicht an, aber andersherum würde eine monatelange Gewöhnung an 450 PPI selbst bei einem kurzen Blick auf ein 300 PPI Unterschiede erkennbar machen.
Wieviele Pixel braucht ein Display?
Die Antwort auf die Pixeldichte-Frage ist damit eine sehr individuelle. Wer mit 300 PPI zufrieden ist, hat jedes Recht dazu. Gerade wenn Aspekte wie Farbtreue, Kontrast und Schwarzwert mit in die Waagschale geworfen werden, muss jeder für sich entscheiden, was für ihn ein „gutes Display“ ausmacht.
Wenn aber ohne Vergleich und ohne Bereitschaft, seinen Horizont zu erweitern, völlig blind die „magische Grenze“ von 300 PPI als absolutes Limit angepriesen wird, dann sage ich: Stop! Wer nach mehreren Monaten mit 450 PPI Displays immer noch keinerlei Unterschied erkennt, der darf höhere Pixeldichte als unnötig abtun. Wer aber nie mehr als ca. 300 PPI genutzt hat, sollte sich einmal dem Experiment stellen und sich ein Nexus 5 oder ein Lumia 930 zulegen. Ich selbst habe den Unterschied auch erst gesehen, nachdem ich mehrere Monate mit dem Nexus 5 unterwegs war.
Wer Geräte mit sehr großen Displays bevorzugt, hat zudem auch ein Interesse an entsprechend hohen Auflösungen. Deshalb ist auch die Aussage „Full HD ist mehr als genug für alle aktuellen und kommenden Displays“ nicht korrekt. Das gerüchteweise mit 5,9 Zoll geplante Nexus 6 würde mit „nur“ Full HD unterhalb von 400 PPI landen und damit für so manchen keine konkurrenzfähige Schärfe mehr bieten. Ab 5,5 Zoll beginnt damit für einige Adleraugen zu Recht das 2K bzw. „Quad HD“-Territorium.
Ich würde als Fazit daher sagen, dass die 300 PPI Grenze zwar keine magische Obergrenze ist, aber durchaus eine Art Untergrenze geworden ist. Jedenfalls für mich sind Displays mit weniger Schärfe (wie zum Beispiel beim Lumia 630) nicht mehr wirklich angenehm. Aber es ist Luft nach oben, abhängig von den eigenen Ansprüche, der eigenen Gewöhnheiten und vor allem der eigenen Sehschärfe.
Wie ist euere Meinung? Habt ihr vielleicht Spezialwissen zu dem Thema? Habt ihr den Schärfe-Test gewagt und könnte von euren Erlebnissen berichten? See you in the comments!
Ich bin Malte, der Chefredakteur hier bei DeathMetalMods.de. Ich bin beruflich als Jurist tätig und lebe in diesem Blog meine Lust an Technik, digitaler Welt und Gadgets aus. Ich schreibe hier die meisten Artikel und organisiere die Arbeiten im Hintergrund. Ihr findet mich auch privat bei Mastodon und Twitter.
Ich habe über Jahre hinweg mit 2-3 Monitoren gearbeitet, alles hochwertige Markengeräte mit 23,5, 24 und 27″, Auflösung 1980x 080/1200 Pixel.
Vor kurzem habe ich mir einen UHD (4k) Monitor angeschafft und nur diesen angeschlossen (Displayport, 60Hz).
Nach einigen Tagen kam dann doch wieder der Gedanke einen zweiten Monitor für Outlook und Messenger daneben zu stellen.
Ich war erschreckt wie „schlecht“ das Bild plötzlich auf dem zweiten Monitor war!!
Bevor nun jemand schreibt „das liegt an der Skalierung von Windows“. NEIN liegt es nicht. ich habe den Test gemacht und den 4k wieder abgeklemmt und mal eine Stunde nur mit einem 1980×1200 (24″) gearbeitet.
Kurz um, wer einmal an einem solch hochauflösendes Display, egal ob Smartphone, Tab, Notebook oder PC gearbeitet hat und dann auf das „alte“ zurück greift wird erschrecken wie es sein konnte das man dies einmal als „scharfes“ Display angesehen hat.
Hallo Hartmut,
auf einen brauchbaren 4K 60 Hz Monitor warte ich als Mac-Nutzer schon Lange. Hattest du ein ähnliches Aha-Erlebnis auch bei einem Smartphone-Wechsel?
„Man teilt also die Größe des Displays in Inch (engl. für Zoll) durch die Anzahl der Pixel.“
Das ist leider falsch. Die Größenangabe des Displays ist ja in der Regel die Diagonale, bei einem Full HD Panel hat man aber keine 1920 Pixel in der Diagonale. Man muss also die Diagnonale über das Seitenverhältnis erstmal in eine Längenangabe umrechnen, die achsenparallel zu den Pixeln ist.
Beispiel iPhone 6: 1334×750 Pixel, 4,7″ und 326 PPI 😉
Hallo Jojo,
und Danke für den Hinweis. Ich denke aber, dass du mich da missverstanden hast. Natürlich teilt man nicht die Diagole durch die Anzahl der Pixel, sondern die Fläche durch die Anzahl der Pixel. Anders ergäbe ein Flächenwert ja auch keinen Sinn. Um aber nicht unnötig in mathematische Feinheiten zu verfallen, habe ich mir erlaubt, die beiden relevanten Rechengröße zu umschreiben.
Beide nicht so ganz richtig 🙂
@Jojo: Wir müssen weder die Länge noch die Breite des Displays berechen. Könnten wir machen. Beide Größen kürzen sich aber weg. Die Formel für die Pixeldichte lautet:
Pixeldichte = Länge der Diagonale ( in Pixel) / Länge der Diagonale ( in inch).
Das Beispiel von jojo ist kein Beispiel! Es wird keine Berechnung vorgeführt!!!
@DMM: Fläche durch Anzahl der Pixel geht gar nicht! Es heißt ja Pixel per inch, d.h. Pixel durch inch! Nicht umgekehrt…
Gut, gut, überzeugt 😉
Ich ändere den Text mal …
Gruß
DMM
Hallo.
Ich hatte fast 2 Jahre das LG G3. Habe jetzt ein IPhone 6s und muss sagen, dass das Display des IPhones mir persönlich besser gefällt und überhaupt nicht unschärfer aussieht. Kontrast und der Schwarzwert sind einfach viel besser und trotz der geringeren Auflösung siehts einfach edler aus. Meine Frau hat das Samsung S6, und glaubt mir, ich habe vieles getestet, aber mehr Schärfe kann man da wirklich nicht sehen.
Monitore oder Fernseher mit mehr Pixel machen da schon mehr Sinn. Hatte einen 4K TV, den ich leider wieder zurück geben musste, von Samsung 55 Zoll und da sieht man natürlich den krassen Unterschied, aber auch nur bis zur einer Entfernung von 5 Meter.
Die Qualitätsunterschiede zwischen LG G3 und iPhone 6S sind mehr als deutlich, ja. Das liegt aber primär am grässlichen Displays des LG G3. Ich habe auch nie gesagt, dass die iPhone Displays mies sind, ganz im Gegenteil. Für IPS-Panel sind die großartig. Kontrast, Farbtreue usw dürfen gern so bleiben. Lediglich ein Sprung auf Full HD auch beim 4,7 Zoll Modell wünsche ich mir … wie gut das aussehen kann, hat ha HTC schon vor 3 Jahren gezeigt (mit dem HTC One M7)
DMM
Ich denke, bei der Diskussion muss man zunächst das menschliche Auge medizinisch analysieren. Bei meiner Recherche habe ich folgende Zahlen gelesen: Im Zentrum des Auges hat man circa 160000Stäbchen/mm², das sind 400 Stäbchen/mm. Stäbchen sind Sensoren für hell / dunkel Erkennung. Die Farberkennung ist ca 20 mal schlechter. Das gesehene Bild wird ca. 17mm hinter der Linse projiziert, das ist die Brennweite. Im Auge können also Hell- Dunkelunterschiede von 2,5µm bzw. Farbunterschiede von 50µm aufgelöst werden. Wenn man nun fähig wäre, das Objekt in einem Abstand von nur 17mm scharf zu sehen, dann könnte man mit diesen Werten sinnvolle Pixelgrößen errechnen. In Wirklichkeit muss jedoch der Abstand für scharfes Sehen mindestens 20cm sein. Mit dem Strahlensatz kommt man dann auf Pixelgrößen von 2,5µm*200mm/17mm. Das sind ca. 30µm für Hell- Dunkelunterschiede. Mit diesen Annahmen lässt sich folgende Grenze ermitteln:
25400µm/inch / 30µm = 846ppi.
Für die Farberkennung wurden allerdings sinnvolle ppi Zahlen längst überschritten.
Moin KA,
Danke für die Ausführungen. Deine Rechnung kann ich nicht nachvollziehen, aber dein Ergebnis lässt mich ein wenig Sympathie für deine Rechnung haben. Im Endeffekt habe ich – wie in diesem Artikel geschrieben – auf jeden Fall persönlich den Eindruck, dass eine PPI von über 500 immer noch einen wahrnehmbaren Effekt auf die Wahrnehmung von Schärfe und Klarheit hat. Aber da bin ich vielleicht mit meiner Sehschärfe auch etwas abseits der Norm…
Gruß
DMM