Netzneutralität und Datenschutz: Zwei Seiten einer Medaille

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Wenn wir Europäer über Datenschutz diskutieren, dann reden wir meist über das Abhören unserer Internet-Kommunikation durch US-amerikanische Geheimdienste. In Deutschland kommt dann noch das Thema Schufa-Auskunft hinzu und auch die Übernahme von Whatsapp durch Facebook hat für etwas Wirbel gesorgt. All das sind unzweifelhaft extrem wichtige Themen, aber ich habe das Gefühl, die Datenschutz-Szene klammert bisher einen ganz wesentlichen Themenbereich aus: Die Netzneutralität. Ich meine, Datenschutz und Netzneutralität sind nicht zu trennen. Die Existenz des Einen bedingt und setzt die Existenz des Anderen voraus. Interesse geweckt? Dann begleitet mich kurz auf meinem Gedankengang.

Datenschutz und Netzneutralität: Der Stand bisher

Ich habe kürzlich zusammengefasst, um was es für mich beim Thema „Datenschutz“ geht. Die Kurzfassung: Datenschutz zielt auf die Vermeidung von Macht-Asymmetrien ab. Egal ob Facebook gegen Nutzer, NSA gegen Bevölkerung oder Schufa gegen Kreditsuchende. Meist stehen Einzelne einer Institution gegenüber, die unvergleichbar mehr Wissen, Daten und Informationen über uns stapelt. Solange niemand seinen Hausbau absagen muss, weil die Schufa aus Versehen die eigene Kreditwürdigkeit mit der vom verschuldeten Namesvetter verwechselt hat oder solange Facebook uns „nur“ interessengerechte Werbung verkauft, mögen wir das Datensammeln lethargisch dulden. Sobald diese Macht aber missbraucht wird, stehen wir nackt da. Deshalb gilt es, derartige Asymmetrien bereits im Vorfeld durch sparsame Datenerhebung, zweckgebundene Datenverwendung und umfassende Transparenz in der Datennutzung zu verhindern.

Die Debatte um Netzneutralität wird bisher unabhängig davon geführt. Spätestens seitdem die Telekom mit ihren Plänen (vorerst) scheiterte, gewisse Dienste bevorzugt zu verarbeiten, tobt ein Streit. Die einen vertreten die Ansicht, dass die Internetprovider primär Unternehmen sind, die Geld verdienen wollen und dürfen. Dazu gehört diesen Stimmen zufolge auch das Recht, zu entschieden, wie man den Umsatz steigern kann, auch wenn das bedeutet, dass Youtube, Facebook und Watchever extra Geld zahlen können, um besonders schnell zum Kunden durchgelassen zu werden. Die Kritiker fürchten hingegen das Ende der Gleichberechtigung im Netz, das Ende der Meinungsfreiheit und das Ende von Start-Ups. Ich zähle mich deutlich zu Letzteren. Wenn die Provider Bonuszahlungen verlangen, damit meine Inhalte mit 50 MBit/s bei meinen Lesern ankommen, dann ist das Ergebnis klar. Anbieter wie Youtube, die Bild-Zeitung oder die RTL-Mediathek haben das Geld, um diese Schnellstraße zu nutzen. Kleine Blogger wie ich haben es nicht. Wer dann nach einer Review vom Galaxy S5 oder Infos zu Windows Phone 8 sucht, der mag zwar noch die unabhängigen Artikel der kleinen Blogs finden, aber wer will denn schon warten, bis sich die Seite im Schneckentempo aufbaut, wenn die großen Anbieter nur einen Klick entfernt per High-Speed laden? Das Resultat wird sein, dass derjenige mit mehr Finanzmitteln auch mehr Gehör findet. Für eine freiheitliche Gesellschaft, die auf den gleichberechtigten Zugang zu Informationen angewiesen ist, kann das nicht gut sein.

Was haben beide miteinander zu tun?

Was haben Datenschutz und Netzneutralität nun miteinander zu schaffen? Die Antwort hat etwas mit dem aktuellen Trend zu tun, dass Inhalteanbieter wie Whatsapp, Facebook oder Netflix über Sonderdeals bevorzugten Zugang zu Nutzern erhalten. Auch das derzeitige Spotify-Paket der Telekom geht in die Richtung. Whatsapp wird bei e-plus aktuell nicht vom monatlichen Datenvolumen abgezogen, Facebook arbeitet an Deals mit indischen und afrikanischen Providern, um dort mit höherer Geschwindigkeit auf den Geräten nutzbar zu sein und Netflix bezahlt Comcast und Verizon in den USA (eher unfreiwillig) für schnelleren Zugang zu den Kunden.

Was ist das Problem daran? Genauso wie die ungleiche Behandlung von Inhalten den freien Zugang zu Informationen behindert, birgt die zunehmende Vermischung von datenverarbeitenden Stellen mit Providern eine ähnliche Gefahr: Die Machtasymmetrie zwischen Datensammlern und Nutzern vergrößert sich noch weiter. Denn was nützt mir ein datenschutz-sensibler Dienst wie Threema, wenn die darüber versandten Daten mich monatlich Geld kosten, während Whatsapp gratis ist? Was helfen mir alternative soziale Netzwerke wie Diaspora, wenn meine dortige Kommunikation nur über die quälend langsame Daten-Dorfstraße transportiet wird, während meine Facebook-Timeline in Sekundenschnelle Bilder, Videos und Texte präsentiert? Gar nichts, genau!

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Datenschutz und Netzneutraliät sind deshalb untrennbar miteinander verbunden. Wer Selbstbestimmung über seine Daten behalten will, der braucht Wahlfreiheit. Wenn die Datenpakete von Privatsphäre-schonenden Apps und Diensten im Stau stehen, dann fehlt mir diese Wahlfreiheit faktisch. Noch eine andere Gefahr droht: Dort wo Inhalteanbieter nicht nur für die Bereitstellung der Informationen zuständig sind, sondern auch die technische Übertragung kontrollieren, liefere ich mich mit meiner gesamten Kommunikation deren Datensammelei aus. Wo Google einerseits über Google+, G-Mail und Google Drive alles über mein digitales Leben in diesen Bereichen weiß, kann ich mich dieser Blöße bisher jedenfalls dadurch entziehen, dass ich mich aus diesen Diensten abmelde. Der zugrundeliegende technische Internetzugang funktioniert ja zum Glück ohne Google-Login. Das ändert sich aber schlagartig, wenn Google, etwa dank Google Fiber, nicht nur über die Google-Dienste mit meinem Leben verbunden ist, sondern die gesamte Transportarbeit übernimmt. Damit verschmelzen Inhalte und Transport zu einer gemeinsamen Nutzung und ich kann mich dem Blick nicht entziehen.

Ich sehe es deshalb sehr kritisch, wenn Whatsapp sich bei e-Plus eine Sonderbehandlung erkauft oder Facebook nicht nur ein Angebot von vielen ist, sondern praktisch mit dem Zugang zum Internet selbst gleichgesetzt wird. Wollen wir in Zukunft noch die Möglichkeit haben, die Kontrolle über unsere Daten zu behalten, dann muss das Netz nicht nur bezüglich der transportieren Inhalte neutral sein, sondern auch unabhängig von Datensammlern bleiben.

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