Oneplus One Testbericht: Ist es das Geduldsspiel wert?

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Zum Oneplus One muss ich – denke ich – keine einführenden Worte verlieren. Vieles ist über das Erstlingswerk von Oneplus bereits gesagt worden: Von „Marketingdisaster“ bis „Flagschiff-Killer“ hat es viele fremd- und selbstvergebene Titel erhalten. Einige Titel trägt es zurecht, andere nicht. Welche Versprechen es hält und welche nicht, kläre ich im Review. Vor allem versuche ich die Frage zu beantworten: Ist es das ganze Geduldsspiel wert?

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Hardware
2.1 Erster Eindruck: Unboxing
2.2 Gehäuse und Handhabung
2.3 Das Display
2.4 Die Kamera
2.5 Akkulaufzeit, Verbindungen und Sonstiges
2.6 Support und bekannte Fehler
2.7 Fazit zur Hardware: Preiswunder mit Schwächen

3. Die Software: Cyanogenmod 11S
3.1 Grundfunktionen, Stabilität und Performance
3.2 Das S in Cyanogenmod 11S
3.3 Softwarefazit

4. Fazit: Ist es das Geduldsspiel wert?

1. Einleitung

Seit meinem Artikel „Wo ist der Haken am Oneplus One“ hat der Wirbel um das One nur wenig nachgelassen. Auch im Übrigen hat sich wenig verändert. Nach wie vor ist das Smartphone nur über Invites (Einladungen) zu bekommen. Diverse Ankündigungen, dass das Gerät ab Monat XY normal online zu kaufen sein würde, haben sich bisher als Luftnummern erwiesen. Stattdessen gab es weitere „Storm of Invites“ und zweifelhafte Promo Aktionen wie den jüngst abgeblasenen „Ladies First“ Contest. Immerhin trudeln mittlerweile aber stetig neue Invites ein, es sind nur immer noch viel zu wenige.

Zu Reviewzwecken versendet Oneplus übrigens keine Testgeräte (jedenfalls nicht an mich). Die nachvollziehbare Begründung: Alle Geräte sollen an Käufer gehen, für Marketing ist nach wie vor kein Budget vorgesehen. Ich habe stattdessen ein Invite auf Nachfrage erhalten und dieses in einem meiner Stammforen weitergegeben unter der Bedingung, das Gerät vorher zu Reviewzwecken nutzen zu dürfen. Bevor ich nun in die Details einsteige, habe ich – wie üblich – die wesentlichen Leistungsdaten zusammengetragen:

Die Technik im Oneplus One
Displaygröße 5,5 Zoll
Auflösung 1920 x 1080 Pixel (401 PPI)
Gehäuse 152.9 x 75.9 x 8.9 Millimeter (162 Gramm)
Prozessor Qualcomm Snapdragon 801 mit 4 x 2,5 GHz
Grafik Adreno 330
Arbeitsspeicher 3 GB
verbauter Speicher 16 GB (weisse Variante) oder 64 GB (Sandstone Variante)
Kamera 13 MP optisch stabilisierte Hauptkamera, 5 MP Frontkamera
Akku 3100 mAh (nicht wechselbar)
Farben Weiss und Sandstone-Schwarz
Datennetz LTE, HSDPA+
WLan 802.11 ac/b/g/n
Bluetooth 4.0 mit A2DP und LE
GPS A-GPS und GLONASS
NFC Ja
Betriebssystem (Stand: 09.08.2014) Android 4.4.4
Preis ca. 269 € (weisse 16 GB Version) und 299 € (schwarze 64 GB Version)

2. Hardware

Untrennbar mit der Hardware verbunden ist natürlich die Preisgestaltung von Oneplus. Von Anfang an betonte Oneplus sein Vorhaben, absolute Oberklasse Hardware (innen wie außen) zu geradezu lächerlich günstigem Preis anzubieten. Wo also andere Preis-/Leistungshits wie das Moto G den geringen Preis nur über Einsparungen und Kompromisse bei vielen Bauteilen erreichen, will Oneplus nach dem Motto „Never Settle“ ohne Kompromisse reine Flagschiff-Hardware bieten. Mission erfolgreich?

2.1 Erster Eindruck: Unboxing

Das versprochene Premium-Feeling beginnt tatsächlich bereits bei der Verpackung. Das Oneplus One ist in der äußeren Schicht zunächst in einen unauffälligen flachen Pappkarton gehüllt, der sein Inneres nur mit einer kleinen roten Oneplus-Aufreißkordel andeutet.

Drunter verbirgt sich die eigentliche Verpackung, eine weiße Hülle um roten Karton, der sich mit einer kleinen Lasche öffnen lässt und das eigentliche Smartphone preisgibt. Eine derart lustvoll designte Verpackung sieht man nicht einmal beim Verpackungs-Primus Apple.

Unterhalb des Smartphones finden sich schließlich das Flachband-Ladekabel (großartig gegen Kabelsalat) und ein einzeln verpackter Simkartenöffner. Das Unboxing-Erlebnis ist jedenfalls beachtenswert umgesetzt und macht direkt beim Auspacken Freude aufs Innenleben. Auch wenn die Verpackung letztlich nur Mittel zum Zweck ist, darf man anerkennen, dass diese Liebe zum Detail in jedem Fall als Vorbild für andere Hersteller herhalten kann.

2.2 Gehäuse und Handhabung

Kommen wir zum eigentlich Star der Show, dem Smartphone selbst. Dazu möchte ich eine Sache direkt zu Anfang aus dem Weg räumen: Die Größe.

Ich habe jüngst das Galaxy S5 und das LG G3 testen können und stehe dem aktuellen Trend „größer ist besser“ bekennenderweise recht kritisch gegenüber. Die Tage, in denen ich darauf schwor, dass die 4 Zoll des iPhone 5 ausreichen, sind zwar vorbei, aber spätestens beim LG G3 habe ich kapituliert. Bei all den Vorteilen, die größere Displayflächen bieten, gibt es doch irgendwo eine Balance aus Displaygröße und Handlichkeit. Das Oneplus One trifft diese Balance meiner Ansicht nach nicht, ganz und gar nicht. Es ist deutlich länger und minimal breiter als das LG G3, obwohl beide mit 5,5 Zoll die gleiche Displaygröße bieten. Es ist riesig, lang und mit über 160g auch nicht gerade leicht. Für meinen Geschmack ist es schlicht zu groß. Ich will mit dieser Kritik aber nicht den Ton für das gesamte Review vorgeben. Gerade die Größe von Smartphones ist ein sehr kontroverses Thema und es gibt genug Käufer, die ganz bewusst zu diesen großen Displays greifen. Dieser Punkt ist also vor allem meine persönliche Meinung und keine grundlegende Kritik am Oneplus One, sondern vor allem am generellen Gigantismustrend der Branche.

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Das Äußere des One entpuppt sich im Übrigen nämlich durchaus als Hingucker. Das liegt vor allem an der einzigartigen Sandstone-Oberfläche der Rückseite. Die raue, sandige Textur hat in dieser Form bisher kein Hersteller zu bieten. Der Ersteindruck ist deshalb großartig. Allerdings habe ich im Laufe meiner Testphase auch die Schattenseite dieser Sandstein-Oberfläche erlebt. Mit verschwitzten Händen mutet die Oberfläche eher schwammartig an und ich mache mir Sorgen um Feuchtigkeitsflecken. Mit sehr trockenen Händen hingegen leidet die Griffigkeit etwas. Vor allem aber bin skeptisch, ob das sandige Gefühl nach einigen Wochen Benutzung nachlässt. Erste Rückmeldungen von Nutzern, die das Gerät bereits länger haben, scheinen das nämlich anzudeuten.

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Einmalig: Die Sandstone-Rückseite

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Oberseite mit Kopfhöreranschluss

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Unterseite mit micro-USB Port

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Linke Seite mit SIM-Slot und Lautstärke-Wippe

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Rechte Seite mit Power Button

Die Tasten meines Geräts haben einen tadellosen Druckpunkt und sind sinnvoll seitlich auf halber Höhe platziert. Die Anordnung der Ports und Anschlüsse ist klassisch und dank der geraden Kanten lässt sich das Gerät gut greifen. Etwas irritierend finde ich den leichten Absatz zwischen Gehäuse und Displayglas. Der ist ein astreiner Staubfänger, aber ich lasse ihn mal als Designbesonderheit durchgehen. Ebenfalls verwundert war ich über die Anordnung der Hardwaretasten (die wahlweise zu Softwaretasten nutzbar sind). Die sind nämlich entgegen der klassichen Android-Reihenfolge  (Zurück, Home, Multitasker) spiegelverkehrt als Multitasker, Home und Zurück angeordnet und folgen damit Samsungs Reihenfolge. Sie sind zudem nur sehr schwach beleuchtet.

Alles in allem zeigt das Oneplus One aber eine tadellose und saubere Verarbeitung. Wenn ich dem Gerät etwas vorwerfen kann, dann, dass es hinsichtlich des Gehäusedesgins sehr gewohnte Pfade beschreitet. Man findet weder einen Hardware-Kamerabutton, noch ein gebogenes Display oder sonstige Besonderheiten. Oneplus bietet also sehr hohes, aber bekanntes Niveau. Nur die Größe des Geräts stellt für mich einen klaren Negativfaktor da und die Sandstone-Oberfläche würde ich gern in ein paar Monaten einem Langzeittest unterziehen.

2.3 Das Display

Zum Display habe ich bereits gesagt, dass es mir mit 5,5 Zoll im Alltag zu groß ist. Abgesehen davon bietet es mit der Full HD Auflösung (1920 x 1080 Pixel) aktuelle Oberklasse-Durchschnittskost. Zusammen mit der Displaygröße ergibt sich für das Oneplus One eine Pixeldichte von knapp 401 PPI (mehr in meinem Artikel zu Auflösung, Pixeldichte und Co). Das ist unzweifelhaft ausreichend scharf, um bei normaler Nutzung kaum Pixel erkennbar zu machen. Allerdings ist es für mich nur noch knapp dem High-End Segment zuzuordnen. Als wahrer Flagschiff-Killer hätte ich schon eher eine Auflösung von 1440p (2560 x 1440 Pixel) erwartet. Entweder das oder eben eine Displaygröße, auf der die genutzte Auflösung eine höhere Pixeldichte ergeben hätte. In Zeiten, in denen das LG G3, das Galaxy S5 LTE-A und auch das Oppo Find 7 Pixeldichten jenseits der 500 PPI bieten, verstehe ich unter einem „Flagschiff-Killer“ eben doch etwas anderes. Zum Vergleich hier einmal die Unterschiede, die eine 1080p und eine 1440p Auflösung bei gleicher Displaygröße von 5,5 Zoll ergeben:

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Das Display ist trotz „Flagschiff-Killer“ eher hoher Durchschnitt: Links das LG G3, rechts das Oneplus One

Wie gesagt geht es mir dabei nicht so sehr um die Qualität des Displays, sondern um den Anspruch, den Oneplus mit seinem Marketing selbst an sich stellt. Aber auch abseits der Auflösung gibt es Kritik zu äußern. Zwar gibt sich das Display bei Blickwinkel, Kontrast und Farbwiedergabe keine Blöße, aber sehr viele Käufer klagen über einen deutlich sichtbaren Gelbstich am unteren Displayrand. Auch ich habe diesen Mangel festgestellt. Auf weißen Browser-Seite zeigt sich ein ganz klarer gelber Schimmer im unteren Viertel. Derartige Beschwerden quittiert Oneplus bisher mit Hinweisen auf Reste des Displayklebers, die nach längerer Nutzung verschwinden sollen. Bei mir waren sie zum Ende der Testperiode noch vorhanden. Ich werde versuchen, in ein paar Wochen nachzutragen, ob längerfristige Nutzung das Problem beseitigt hat. In jedem Fall ist so ein Mangel „out of the box“ ärgerlich.

2.4 Die Kamera

Für die Kamera von Oneplus One habe ich – kurz und knapp – nur Lob übrig. Das Interface gleicht der alten Optik der Google Kamera, bevor diese Anfang des Jahres neu designt wurde. Die Bedienung könnte etwas zugänglicher sein, hat man sich mit den einzelnen Einstellungen aber erst einmal vertraut gemacht, zeigt die Kamera viele Stärken. Das horizontale Wischen durch die Kameramodi klappt sehr gut, die Kamerapp startet schnell, der Fokus reagiert fix und wie üblich lassen sich die Lautstärketasten als Auslöser nutzen.

Das Resultat sind gute bis sehr gute 13 Megapixel Bilder. Der HDR Modus liefert angenehm natürliche und abgerundete Bilder. Per Default nimmt das One zwar echte 13 MP Bilder auf, diese sind aber im Format 4:3. Die meisten Hersteller bewerben ihre Kameras mit einer Auflösung, die nur im Format 4:3 nutzbar ist, stellen aber im Standard das 16:9 Format ein, in dem nur eine reduzierte Auflösung möglich ist. Oneplus ist hingegen so ehrlich und bietet direkt maximale Auflösung und nimmt das etwas antiquierte 4:3 Format in Kauf.

Während meiner Testperiode veröffentlichte Oneplus übrigens das Update auf Android 4.4.4, das einen neuen Kameramodus (genannt Clear Image) mitbringt. Wie bereits beim Mutterkonzern Oppo und dessen Find-Serie macht diese Clear Image Technik mehrere Bilder in schneller Folge und rendert aus den so erhaltenen Bildinformationen ein neues 13 MP-Bild, das dank der zusätzlichen Bildinformationen deutlich bessere Qualität gegenüber einem Einzelbild bieten soll. Leider erreichte mich das Update erst zum absoluten Ende meiner Testperiode und ich hatte keine Gelegenheit, diese neue Funktion ausführlich zu testen. Die Ergebnisse beim Find 7 sind aber beachtlich und ich gehe davon aus, dass auch das Oneplus One ähnlich gute Resultate liefern wird.

2.5 Akkulaufzeit, Verbindungen und sonstiges

Auch im Übrigen zeigt das Oneplus One wenig Schwächen. Die Akkulaufzeit ist dank des sparsamen Snapdragon 801, der angemessenere Auflösung und des großzügigem 3100 mAh Akku sehr ordentlich. Ich würde sie auf Niveau des – in dieser Hinsicht sehr guten – Galaxy S5 einordnen, wobei die Display-On-Time wegen des größeren Displays nicht ganz mithalten konnte. Bis zu 2 Tage sind bei typischer Nutzung mit den aktuellen Android Flagschiffen aber durchaus möglich und das Oneplus One reiht sich hier ein. Aufgrund der etwas kürzeren Testphase von nur einer Woche kann ich hier aber keine genauere Wertung abgeben.

Der Simkartenöffner ist extra lang, da der Auswurfschalter tiefer als üblich im Gehäuse sitzt

Der Simkartenöffner ist extra lang, da der Auswurfschalter tiefer als üblich im Gehäuse sitzt

Die restliche Hardware zeigt sich unauffällig. Weder mit WLan, noch mit Bluetooth oder mobiler Datenverbindung gab es Probleme. Lediglich der SIM-Kartenhalter hatte mich kurz vor ein Rätsel gestellt, als 2 veschiedene Simkarten ihren Dienst versagten. Die Lösung: Der SIM-Kartenhalter ist tatsächlich in beide Richtungen einsetzbar ohne das man direkt merkt, dass eine die falsche Richtung ist. Der Auslösemechanismus ist übrigens besonders tief im Gehäuse versteckt. Normaltiefe Öffner wie der von Apple reichen nicht aus.

2.6 Support und bekannte Fehler

Die beste Hardware taugt nix, wenn man im Falle eines Falles keinen Support bekommt. Als Smartphone eines chinesischen Herstellers gibt es bei Oneplus diesbezüglich gewisse Herausforderungen. Zwar kam mein One per UPS aus Großbritannien geliefert, aber im Falle eines Gewährleistungs- oder Garantieanspruchs bliebe mir nur der Kontakt zum Hersteller nach China. Zwar pflegt Oneplus ein deutsch– und englischsprachiges Forum, aber bisher herrscht in der Käuferschaft eher sehr verhaltene Stimmung, was die dortige Zuverlässigkeit und Qualität angeht. Im Zweifel gibt es weder einen gut erreichbaren Ansprechpartner, noch einen schnellen Weg, um Reperatur und Ersatz zu erhalten. Das muss beim Kauf des Oneplus One also unbedingt bedacht werden: Man kauft im Grunde die Katze im Sack und kann nur hoffen, dass keine Defekte auftreten!

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Der Erdungsbug wird bei schnellem Tippen, wie beim Entsperrpin, deutlich spürbar

Das ist um so ärgerlicher, weil seit Kaufstart ein sehr weit verbreitetes Problem mit der Erdung des Geräts besteht. Das Problem äußert sich derart, dass das Gerät besonders schnelle Fingereingaben nicht also solche erkennt, weil Fremdströme den Touchsensor verwirren. Bei normaler Nutzung fällt das wenig auf, aber bei Spielen, die auf schnelle Kommandos angewiesen sind, kann das so weit gehen, dass das Spiel unbedienbar wird. Ich dachte zuerst, ich wäre von diesem Phänomen verschont geblieben, bis ich einen PIN zur Displaysperre festgelegt habe. Das Problem: Meine routiniert schnelle PIN-Eingabe überfordert das Touchscreen und während ich bereits fertig getippt habe, hatte das One reproduziertbar erst 3 Ziffern registriert. Von Oneplus aus wird das Problem bisher radikal ignoriert. Das verwundert nicht, schließlich dürfte es nur mit einem Hardwareaustausch zu lösen sein. Zusammen mit dem bisher nur mauen Support zeigt sich hier eindeutig die erste klare Delle im bisher guten Gesamteindruck.

2.7 Fazit zur Hardware: Preiswunder mit Schwächen

Zu Hardware, Verarbeitung und Co bleibt im Ergebnis zu sagen, dass Oneplus seine Versprechungen weitgehend erfüllt hat. Das Sandstone-Finish ist einzigartig, die Verarbeitung ist tadellos und nirgendwo sonst bekommt man ein Smartphone mit Full HD Display, Snapdragon 801, 3 GB Ram und 64 GB internen Speicher für knapp 300 € Neupreis. Diese Daten schaffen selbst viele High End Flagschiffe nicht und knausern entweder beim Ram oder ziehen im verbauten Speicher den kürzeren.

Andererseits: Das Display zeigt einen sehr verbreiteten Gelbstich, in Sachen Pixeldichte ist der wahre Flagschiff-Standard bereits in höhere Gefilde weitergezogen und insgesamt zeigt Oneplus nur wenig Innovation. Wo LG sich mit rückwärtigen Tasten, Samsung mit Pulsmesser und Fingerabdrucksensor sowie HTC mit Boomsound und Duo Camera vom Einheitsphone abzusetzen versuchen, wirkt das Oneplus sehr nüchtern. Es wirkt abseits seiner einzigartigen Haptik fast wie ein Midrange-Smartphone, das auf 5,5 Zoll aufgeblasen wurde. Vor allem aber das meiner Ansicht nach beträchtliche Risiko hinsichtlich Support und Hardwarefehler liegt mir schwer im Magen und trüben den Eindruck der Preissensation doch erheblich.

3. Die Software: Cyanogenmod 11S

Zu einem Flagschiff-Killer gehört natürlich nicht nur der allerletzte Schrei an Leistungsdaten, sondern auch innovative und gute Software. Neben der Möglichkeit, pures AOSP-Android und ColorOS auf dem Oneplus One zu installieren, ist vor allem Cyanogenmod in Version 11S als vorinstallierte Standardfirmware relevant. Die anderen Optionen habe ich nicht getestet, deshalb beschränke ich mich auf letztere.

Cyanogenmod dient als Betriebssystem

Das Risiko, das aus der Abhängigkeit von Cyanogen Inc. folgt, habe ich bereits in meinem ersten Artikel zum One beleuchtet. Um so genauer habe ich deshalb hingesehen, als es darum ging zu beurteilen, wie stabil und flüssig die spezielle Version 11S auf dem One läuft und welche Besonderheiten gegenüber dem normalen Cynaogenmod bestehen.

3.1 Grundfunktionen, Stabilität und Performance

Ich habe die damalige Ankündigung des Oneplus One bereits zum Anlass genommen, mir Cyanogenmod 11 ausführlich auf dem Nexus 5 anzusehen. Mein dortiger Eindruck bezüglich der Software hat sich in meiner Zeit mit dem One bestätigt. Ich hatte (anders als beim Nexus 5) keine Stabilitätsprobleme, die Performance war über jeden Zweifel erhaben und alles reagierte zuverlässig und sauber. Bei den Basics liefert Cyanogenmod 11S ein tadelloses Bild ab. Wie immer ist Trebuchet als Standard-Launcher installiert, lässt sich aber zum Beispiel durch den Google Now Launcher ersetzen.

Wie erwähnt, kam gegen Ende der Testphase auch das Update auf Android 4.4.4 auf meinem One an. Die Software bekommt das One direkt über OTA (Over-The-Air) Updates, also drahtlos über die Systemeinstellungen. Der Updateprozess verlief problemlos.

Gräbt man etwas tiefer, offenbaren sich leider doch ein paar Probleme. Allen voran ist auch in der aktuellesten Version 4.4.4 die Verschlüsselung des Speichers nicht möglich. Ein Bug verhindert dies. Das ist besonders ärgerlich, weil ich aus Datenschutzgründen immer dazu rate, ein Gerät vor Weitergabe an Dritte nicht bloß zurückzusetzen, sondern erst zu verschlüsseln und dann zurückzusetzen. So bleiben etwaige Datenreste nur verschlüsselt auf dem Speicher und dank des Resets ist der Schlüssel weg. Ein ähnlicher Bug scheint die Einrichtung von VPN-Verbindungen zu betreffen. Angesichts der aktuellen Debatte um die Vertrauenswürdigkeit einiger chinesischer Hersteller ist beides wenig ermutigend. Andere Softwarebugs wie die zunächst sehr leise Sprachlautstärke bei Telefonaten ist Cyanogen Inc. bereits angegangen.

3.2 Das S in Cyanogenmod 11S

Wer mehr über die grundsätzlichen Vorteile von Cyanogenmod lesen will, dem empfehle ich meinen bereits verlinkten Langzeittest. In Kurzform:  Cyanogenmod (CM) ist ein Custom Rom aus dem Hause der mittlerweile selbstständigen Cyanogen Inc. und gleicht optisch sehr dem puren Android. Hier und da, wie etwa in der Benachrichtigungszentrale, ergänzt es das klassische Android um Extrafunktionen und optische Details. Allem voran bietet CM aber ein erweitertes Datenschutzmenü, das die nachträgliche Beschränkung von App-Rechten erlaubt. All diese klassischen Trademarks von CM sind auch in der 11S-Version für das One enthalten.

Die Besonderheiten der „S“-Version liegen vor allem im Optischen. Ein spezieller Lockscreen und ein eigenes App-Icon-Set sind vorinstalliert. Während das Icon-Pack sehr an Stark-Icons erinnert und wenig zur restlichen Optik passt, gefällt mir der Lockscreen sehr gut. Leider ist er farblich nicht veränderbar, lässt sich aber im Ganzen deaktivieren.

Die restlichen Unterschiede zum normalen Cyanogenmod 11 liegen in weiteren optischen Variationen inklusive einem eigenen Theme-Store und weiteren Extra-Funktionen. So bietet das One Double-Tap-To-Wake und Gesten auf dem Lockscreen, die die Kamera oder die Taschenlampe direkt starten.

Die Modifikationen sind zusätzlich zu dem, was CM bereits für sich mitbringt, willkommen unaufdringlich und funktionieren gut. Das unter Version 4.4.2 noch verbreitete Problem, dass Gesten auch in der Hosentasche ausgelöst wurden, hat das Update auf 4.4.4 gelöst. Weiterhin vorhanden ist allerdings das Problem mit der teilweise arg unscharfen Darstellung der Bilder in der Fotos App.

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Merkwürdig: Die Fotos werden teilweise sehr unscharf dargestellt

Übrigens fehlt jede Form von Multi-Window Support. Zwar nutze ich diese Funktionen bereits bei Samsung und LG nur wenig, aber ich frage mich doch, warum Oneplus bei der Konzeption des Oneplus ein 5,5 Zoll Display für nötig hielt, dann aber bei der Software keinerlei Nutzen aus diesem Extraplatz zieht.

3.3 Softwarefazit

Zur Software fällt mein Fazit insgesamt eher nüchtern aus. Die Basics laufen gut, die Verbesserungen durch Version „S“ sind vorhanden, aber im Grunde vernachlässigbar. Sorgen macht mir vor allem, dass es nach wie vor deutliche und spürbare Bugs in der Software gibt. Ein Flagschiff Killer sollte derart offensichtliche Macken nicht nötig haben. Endkundenfertige Software sieht jedenfalls anders aus. Wöchentliche Patches und Fixes dürften für viele Käufer zur Realität der Anfangszeit werden und niemand weiß, wie lange Cyanogenmod Inc. sein Engagement aufrecht erhalten will. Ähnlich wie bei der Hardware läuft zwar vieles erst einmal recht gut, aber mit dem wenig verlässlichen Support im Hinterkopf sollte sich jeder Käufer fragen, ob derartige Sorgen um die Software wirklich in ein Alltagsgerät gehören.

4. Fazit: Ist es das Geduldsspiel wert?

Ein endgültiges Fazit fällt mir nicht leicht. Im Grunde muss man das Oneplus One aus einzelnen Blickwinkeln bewerten.

Für sich allein betrachtet ist das Gerät ein absolutes Preis-/Leistungswunder. Mit leichten Einschränkungen beim Display bietet das One absolut High-End-Hardware zu einem lächerlich günstigen Preis. Optik, Verarbeitung und Handhabung sind tadellos, sofern man die Größe akzeptiert. Allein mit Blick auf das Gerät selbst wäre mein Fazit deshalb durchweg positiv, ja im Grunde sogar begeistert. Leider ist allein das Verhältnis aus Leistung und Preis aber nicht das ganze Bild.

Zur Hardware gesellt sich nämlich eine zwar sehr gute, aber noch nicht fertige Software. Deutliche Bugs wie die fehlende Verschlüsselung machen klar, dass hier andere Standards als bei großen Herstellern gelten. Firmwaretweaks, Fixes und Patches gehören hier dazu. Das Gerät spricht damit zwar Endkunden an, aber ist nicht ohne Vorbehalte jedem unbedarften Endverbraucher zu empfehlen.

Eine echte Gesamtbewertung ist schließlich nur möglich, wenn man Hardware, Software und Preisgestaltung ins Verhältnis zur erwarteten Langzeitnutzung rückt. Und dabei kann nicht außer Acht bleiben, dass das Oneplus One nach dem Kauf gewissermaßen ein Einzelgänger ist. Support und Produktgewährleistung sind praktisch derzeit nicht existent. Das muss in der Gesamtrechnung beerücksichtigt werden. Was interessierte Käufer aus all dem machen, hängt sehr von den eigenen Vorlieben ab. Wem es allein um brandheiße Technik zum Midrange-Preis geht, der darf sich ohne Sorge in die Invite-Warteschlangen einreihen: An dieser Front liefert Oneplus ohne Kompromisse. Wer aber ein insgesamt rundes Produkt ohne Bugs und Fehler sucht, der sollte zögern. Wer dazu auch noch erwartet, im Falle eines Defekts schnelle Hilfe zu erhalten, muss sogar zögern.

Mein persönliches Fazit: Der Preis des Oneplus One bügelt viele Bedenken glatt, aber ich halte es das Geduldsspiel nicht für wert. Für ca 50 € mehr bekommt man im Einzelhandel Konkurrenten wie das 32 GB Nexus 5, das zwar überall etwas schwächer dasteht, aber in Sachen Zuverlässigkeit und Support klar die Nase vorn hat. Nicht nur das: Auch die Konkurrenten von Samsung, HTC und LG sind mittlerweile so weit im Preis gesunken, dass ich dreimal überlegen würde, ob ich unbedingt 100 bis 150 € sparen muss und dafür all die Unsicherheiten in Kauf nehme. Zu einem Flagschiff-Killer gehört eben viel mehr als tolle Hardware zum Rekordpreis und bisher ist das Oneplus One vor allem eine Ansammlung toller High-End-Bauteile. Das allein macht aber noch kein High-End-Smartphone.

Soweit meine Meinung. Und  bevor ihr fragt: Nein, ich habe keine weiteren Invites. Dafür habe ich aber einen Kommentarbereich und würde gern hören, was ihr von dem Smartphone haltet. Wieviele Abstriche seid ihr bereit zu machen? Stören euch die Bugs und Fehler oder haltet ihr das Oneplus One tatsächlich für den angekündigten Flagschiff-Killer? See you in the comments!

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