Wo ist der Haken am OnePlus One (Update)?

02Zugegeben: Manchmal wünscht man sich als Technikfreund doch etwas Abwechslung vom typischen Rythmus. Die großen Hersteller bringen einmal im Jahr ein Upgrade ihrer Flagschiffe, Apple stellt jeden Oktober ein leicht aufgebohrtes iPhone vor und Microsoft versucht, den Anschluss nicht zu verlieren. Der Markt wirkt aufgeteilt und die Reviere sind markiert. Um so dankbarer darf man dann sein, dass sich hin und wieder Newcomer den Weg bahnen wollen und sich anschicken, die bestehenden Verhältnisse aufzumischen.

Eines der aktuell wohl meist diskutierten Projekte dürfte in dieser Hinsicht das „One“ von Oneplus sein, einem chinesischem Smartphone-Hersteller, der vor allem in einem Bereich für absolute Aufregung sorgt: dem Preis. Aber der Reihe nach.

Zu gut um wahr zu sein?

Die Firma Oneplus wurde laut Wikipedia erst im Dezember 2013 gegründet und machte sehr bald mit der Ankündigung auf sich aufmerksam, ein Smartphone der Sonderklasse bauen zu wollen. Ende April stellte der Chef von OnePlus, Pete Lau, das One offiziell vor und sorgte an mehreren Fronten für Aufregung. Allen voran die angekündigte Technik klingt nach dem Besten, was aktuell in Smartphones zu haben ist. Egal ob Snapdragon 801, 3 GB Arbeitsspeicher oder Full HD Display: Die verbaute Technik liest sich wie das Ergebnis eines „Bau dir dein Traumgerät“-Wettbewerbs. Über die 13 MP Kamera wird man später urteilen müssen, aber auch der geplante 3100 mAh Akku dürfte für sehr lange Laufzeit sorgen. Insgesamt klingt das Gerät nach dem Traum eines jeden Zahlenfetischisten. Völlig verrückt wird es aber beim Preis: Für die 16 GB Version werden 269 € und für die 64 GB Variante sogar nur 299 € fällig (unklar ist aber noch immer, ob dies der Preis inkl. Einfuhr und MWSt sein wird). Das wirft natürlich viele Fragen auf. Vor allem: Wie kann ein Gerät mit dieser Technik zu so einem Preis überhaupt Gewinn abwerfen, wo doch schon das Nexus Line-Up von Google stets am absoluten Preislimit gebaut und verkauft wird. Das Nexus 7 zum Beispiel wird gar fast ohne Gewinn verkauft. Wie soll ein Startup, das kein Jahr alt ist, das noch unterbieten können? Wo ist der Haken?

So viel Technik für so wenig Geld?

So viel Technik für so wenig Geld?

Man wird sehen müssen, was die Hardware am Ende an Versprechen hält. Tolle Daten auf dem Papier sind eine Sache, ein klapperiges, zusammengeschustertes Gerät eine ganz andere. Bereits meine Erfahrungen mit dem Nexus 5, seinen stets klapperigen Tasten und dem miesen Vibrationsmotor haben mir gezeigt, dass „günstig“ eben doch seinen Preis hat. Man kriegt nin einmal keine Luxusvilla zum Preis einer Zweiraumwohnung, jedenfalls selten ohne Leichen im Keller. Aber auch eine andere Frage wirft dieses Preismodell auf: Die Frage nach den Arbeitsbedinungen, unter denen ein so günstiges Gerät gefertigt werden muss. Schließlich sind die Fertigungs- und Personalkosten nicht ohne und wenn bereits Samsung und Apple ihre Fertigungskosten zu Lasten der Arbeitsbedingungen nur mit äußerstem Druck und in minimalem Rahmen verbessern können und wollen, dann frage ich mich wirklich, was das für OnePlus bedeutet.

Die Sache mit Cyanogenmod

Ein besonderer Clou des OnePlus One ist für mich aber auch die Software. Das One wird mit Cyanogenmod ausgeliefert, dem weit verbreitesten Custom Rom der Android-Szene. Das One ist damit nicht bloß für OnePlus ein Erstversuch, sondern auch für Cyanogen, Inc. Auch für die erst seit Kurzem selbstständigen Softwaremacher wird es das erste Gerät, das vollständig und einzig mit Cyanogenmod als Betriebssystem erscheint.

Cyanogenmod dient als Betriebssystem

Cyanogenmod dient als Betriebssystem

Als besondere Version wird dabei Cyanogenmod 11S installiert sein. Erste Screenshots zeigen sehr interessante und vor allem optisch ansprechende Modifikationen der Android Grundversion. Ich habe schon an vielen Stellen, zuletzt in meinem „5 Punkte, die Android noch verbessern muss„-Artikel angesprochen, dass Cynogenmod sehr sinnvolle Verbesserungen für Android bietet. Allen voran die guten Datenschutz- und Privatsphäreeinstellungen sind ein großes Plus und dürften auch beim One von OnePlus nicht fehlen.

Ansonsten wird man sehen, wie gut Cyanogen Inc. das Gerät auf Dauer supporten wird. Das Problem: Nach spätestens 6 Monaten nehmen die Verkaufszahlen ab, Softwaresupport kostet aber auch Jahre später noch Geld, Zeit und Arbeit. Wie langfrisitg Cynogen Inc. sich hier investiert, wird die Zeit zeigen. Vor allem aber bin ich gespannt, wie stabil die Software läuft. Über die normalen Custom Rom Versionen, die für diverse Geräte in monatlichen Stable Versionen, Release Candidates usw. erscheinen, kann ich zwar grundsätzlich nichts Schlechtes berichten, aber hunderprozentig verlässlich habe ich sie nie empfunden (Ich habe allerdings diesen Artikel zum Anlass genommen, noch einmal den aktuellen M-Release auf meinem Nexus 5 zu installieren).

Zweifelhaftes Marketing

Neben der wahnsinnig günstigen Hardware und der interessanten Software hat OnePlus vor allem auch mit dem Marketing für Aufsehen gesorgt. Zunächt soll der Großteil der ersten Geräte nur über Einladungen zu kaufen sein, was noch nicht besonders außergewöhnlich ist. Nach vielen Berichten werden aber zu Anfang nur extrem begrenzte Stückzahlen gebaut. Das macht für die einen angesichts des experimentellen Charakters des gesamten Vorhabens zwar irgendwie Sinn, zeugt aber für andere eher davon, dass man bei OnePlus vielleicht noch nicht völlig von der Machbarkeit des gesamten Projekts überzeugt ist. Ich persönlich kann es bei so einer jungen Firma schon nachvollziehen, dass man erstmal vorsichtig anfängt.

Für Aufregung sorgte aber vor allem die Smash-The-Past Werbeaktion, bei der Nutzer aufgefordert wurden, ihr altes Smartphone zu zerstören und sich dabei zu filmen. Ausgewählte durften dann nach Einsenden des Videos ein One für 1 $ kaufen. Für die einen ist das einfach nur derbes Marketing im Kampf um Marktanteile, andere kritisieren zu Recht, dass funktionsfähige Geräte nicht zerstört, sondern mindestens gespendet gehören. Ich persönlich fand das auch recht rabiat, aber um ehrlich zu sein nehme ich an, dass OnePlus mit einer reinen Spendenaktion lange nicht so ein Feedback erhalten hätte. Schuld sind dann irgendwie auch wir Nerds selbst, die derartige Aktionen mehr belohnen als ehrbare Spenden. Nichts desto trotz hat OnePlus die Aktion jetzt auch dahingehend geändert, dass die Geräte nicht zerstört werden müssen, sondern gespendet werden können.

Ein großer Bluff?

Um dem ganzen Drama schließlich die Krone aufzusetzen, kam Ende April ans Licht, dass OnePlus eine 100 %-ige Tochter des bekannteren chinesischen Hersteller „Oppo“ ist. Oppo hat selbst bereits Kooperationen mit Cyanogenmod (im Oppo N1) hinter sich und sorgt aktuell mit ihrem Find 7 und Find 7a für Wirbel, weil dort eine Kamera verbaut ist, die 50 MP Bilder schießen kann (Nicht täuschen lassen: Alles nur ein Softwaretrick, aber ein sehr guter!).

Diese Verquickung sorgt natürlich für Stirnrunzeln. Ist OnePlus am Ende nur eine Briefkastenfirma von Oppo und das One ein Marketing-Gag um die Werbetrommel für größere Pläne von Oppo zu sorgen? Pete Leo, der aktuelle CEO von OnePlus, war zu allem Überfluss lange Vize bei Oppo. Was also ist von all dem zu halten? Ist die gesamte Nummer nun eine eigenständige Geschichte oder ein Strohmanngeschäft für den alten Herrn? Pete Leo selbst sagte, dass OnePlus geschäftlich völlig unabhängig von Oppo ist und bisher sehe ich keinen Anlass, diese Aussage in Frage zu stellen. Aber die Fragezeichen stapeln sich doch langsam bis unters Dach.

Mein Fazit

Wie auch immer die Hardware am Ende abschneiden wird (und ich hoffe natürlich, mir persönlich einen Eindruck verschaffen zu können): Mit dem One hat OnePlus in jedem Fall ein höchst kontroverses Gerät in der Pipeline, dass 2014 die Chance hat, für ordentlich Wirbel zu sorgen. Ähnlich wie das Moto G im unteren Preisbereich könnte das One von OnePlus neu definieren, wieviel High-End-Hardware zu kosten hat. Aber was rede ich: Das One ist preislich derart nah an dem Moto G dran, dass eigentlich nichts mehr beim Alten bleibt, wenn OnePlus Schule macht. Die Erfahrung wird zeigen, ob bei all dem doch irgendwo ein Haken versteckt ist.

Was sagt ihr zu all dem? Überwiegen bei euch Skepsis oder Vorfreude, was das One angeht? Plant ihr vielleicht sogar den Kauf des selbsternannten „Flagschiffkillers“? See you in the comments!

Update (20.06.2014):  Mittlerweile landen die ersten Geräte in den Händen der Vorbesteller und ein paar Invites machen die Runde. Von der angepeilten breiten Verfügbar kann allerdings noch nicht die Rede sein. Vor allem sorgt ein anderes Problem für Aufregung, das auch Pebble seit seinem Start Kopfzerbrechen bereitet: Der deutsche Zoll lässt es nicht rein. Während Pebble bestimmte Erklärungen über die Funktechnik vermissen lässt, hat Oneplus scheinbar das CE-Zeichen (Communauté Européenne) optisch abgeändert. Dass das bei der Einfuhr Probleme machen kann, überrascht nicht. Wir werden also sehen, wie sich das Problem entwickelt. Andererseits hat Oneplus immerhin bereits offiziell reagiert und will die Rückseite anpassen. Zum Gerät selber kann ich mangels eigener Erste-Hand-Erfahrung noch nichts sagen, aber bisher wirken die Rückmeldungen aus Foren recht zufrieden. Mein Review zum Oneplus One findet ihr hier.

 

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