Ich will ein Elektroauto – Aber warum?

Wer dieses Blog und die dazugehörigen Social Media Kanäle in den letzten Monaten verfolgt hat, der wird bemerkt haben, dass sich ein neues Thema ins Blickfeld geschlichen hat: Elektromobilität. Zwar gab es hier im Blog schon Artikel über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Autobranche, z.B. über die Veränderungen, die Entwicklungen wie Android Auto für die Rollenverteilung zwischen Autobauer und Softwarehersteller bringen könnten. Wir haben uns auch schon mit Tesla und dem Problem datenschutzkonformer Autopiloten und Fahrassistenten befasst. Das Thema Elektroauto als persönliches Fortbewegungsmittel haben wir – so direkt – aber noch nicht beleuchtet.

Mit diesem Beitrag will ich daher einmal mitten hinein springen in die Kontroverse und die Frage beantworten, warum ich so verrückt(?) bin, tatsächlich ein Elektroauto kaufen zu wollen. Das Thema hat schließlich reichlich Streitpotential: Wann immer ich bei Mastodon oder Twitter Artikel zu dem Thema verlinke, finde ich mich danach in Debatten über Reichweitenangst, Herstellungsbedingungen der Akkus oder die fragwürdige Ökobilanz von E-Autos wieder. Warum ich derzeit dennoch die Anschaffung eines Elektroautos, ganz konkret eines Tesla Model 3, plane, will ich deshalb in diesem Beitrag erklären.

Meine Ausgangslage

Ich muss zum Einstieg direkt betonen, dass diese Überlegungen natürlich nur für mich gelten. Ich will niemandem vom Kauf eines Elektroautos überzeugen und meine auch nicht, dass ihr zu den gleichen Schlüssen kommen müsst wie ich.

Zu meiner Ausgangslage: Derzeit habe ich keinen eigenen PKW. Ich habe es bereits im Review zum 12 Zoll Macbook aus Pendlersicht geschrieben: Momentan komme ich mit dem ÖPNV zur Arbeit. Das wird aus diversen Gründen aber leider nicht auf Dauer möglich sein, weshalb ich einen PKW anschaffen will. Voraussetzungen: Es soll mich täglich etwa 140 km weit tragen, dabei ansatzweise Fahrkomfort bieten und eine übliche, moderne Ausstattung bieten, was z.B. inCar-Entertainment angeht. Eine Tiefgarage stünde zur Verfügung und hoffentlich auch die Möglichkeit, dort über Nacht mit etwas mehr als normalem Haushalts-Stromanschluss zu laden. Soweit also die Ausgangslage; Und nun zu den Gründen, warum ich vor diesem Hintergrund zu einem Elektroauto greifen will.

Wider dem maskulinen Motorkult

Mein erster Grund ist ein ziemlich unrationeller. Ich finde nämlich den gesamten „Brumm Brumm“-Kult um Motoren, PS, Hubraum und Zylinder vollkommen uninteressant. Das heißt nicht, dass ich „Autoschrauben“ als Hobby irgendwie geringschätze. Das heißt nur, dass mir der (oft besonders maskulin aufgeladene) Motorkult um teure, hochmotorisierte Spritschleudern persönlich so gar nichts sagt. Ich persönlich zähle mich eher zu der Generation der Menschen, die mit digitaler Technik aufgewachsen sind: Smartphones, Displays, Elektronik und Automatik sind mir einfach sehr viel vertrauter als Muffen, Kolben und Schmieröl.

Ich verstehe nichts von Keilriemen oder Getrieben. Ich verstehe aber etwas von Akkus, Spannung und digitaler Technik. Deshalb sind mir Elektroautos einfach schon einmal tausenmal vertrauter als stinkende Rumpelkisten mit einer Million mechanischer Klapperteilen. Wer angesichts dieser sehr zugespitzten Darstellung wutschnaubend in die Kommentare eilen will, denke daran: Das ist meine Sicht und ich kann andere Sichtweisen da völlig akzeptieren. Dennoch glaube ich, dass ich nicht alleine bin.

Gar nicht meine Welt: Motorkult

Automobil-Werbung arbeitet noch immer stark mit vermeintlich „männlichen“ Attributen wie Kraft, Power, Stärke usw. Dieses Marketing geht (nicht nur?) mir gehörig auf den Geist und ich glaube auch, dass es immer mehr eine Zielgruppe treffen will, die es kaum noch gibt. Die Generation der „Millennials“ sieht meiner eigenen Wahrnehmung nach dicke Motoren und fette Karren weit weniger als Statussymbol an als z.B. ihre Elterngeneration. Stattdessen dienen Macbooks, iPhones und Smartwatches als Objekte der Begierde. So geht es jedenfalls mir. Die Vorstellung, dass mein Auto im Wesentlichen ein iPad mit Riesenakku auf Rädern ist, dass ich – wie gewohnt – abends an die Steckdose hänge, zieht mich sehr viel mehr an, als die Aussicht, alle x Kilometer zum schmierigen Ölwechsel zu müssen oder mich an der Tankstelle mit Dieselgestank abzugeben.

Gleiches gilt für das Kauferlebnis. Ich habe weder Zeit noch Lust, mich durch dutzende Konfigurationsoptionen zu klicken, bei denen einzelne Ausstattungsvarianten dann auch noch von anderen abhängen und ich am Ende immer noch nicht sicher bin, ob ich nun eine Auto mit Bluetooth bekomme, oder nicht. Zum Händler zu gehen und mir typische Verkaufsgespräche rund um die tollen Leistungswerte des Motors anzuhören, lockt mich genauso wenig. Elektroautos, insbesondere die von Tesla, sind auch in dieser Hinsicht sehr viel näher am schlichten Online-Erlebnis von Apple. Wenige Optionen, klare Ausstattungsvarianten, bestellen, fertig.

Pflegeleichter Fahrspaß

Mein zweiter Grund hat ein bisschen was mit dem ersten zu tun. Elektroautos haben geringere Wartungskosten und fahren sich einfach anders.

Was die Wartungskosten angeht, muss ich mich natürlich auf Untersuchungen anderer Fachleute stützen, aber die Zahlen scheinen da eindeutig zu sein: Weniger beweglicher Teile und weniger Verschleiß bei den Bremsen (Rekuperation) halten den nötigen Pflegeaufwand bei einem Elektroauto kleiner. Das kommt mir natürlich sofort entgegen, denn ich erwarte von meinem Auto nur eins: Es soll funktionieren und mich nicht ständig um Aufmerksamkeit für diese und jene Wartung anbetteln.

Was das Fahrgefühl angeht, kann ich hingegen durchaus persönlich den Unterschied zu klassischen Verbrennungsmotoren einschätzen. Seit einer ganzen Weile nutze ich einen örtlichen Carsharing Dienst, wenn ich doch mal ein Auto benötige und fahre zu 90 % ein Elektroauto aus dessen Fuhrpark, einen aktuellen Renault Zoe. Der Zoe ist beileibe kein Premium Fahrzeug oder kann mit dem Fahrverhalten eines Tesla Model S mithalten. Das nehme ich jedenfalls an, ich bin noch nie ein Model S gefahren. Was ich aber immer wieder bemerke: Selbst der Zoe lässt einen spüren, was damit gemeint ist, wenn die Rede von dem unmittelbar verfügbaren Drehmoment eines Elektromotors ist. Ich fahre nach wie vor hin und wieder klassische Verbrenner, auch teure Oberklassefahrzeuge, aber keiner kann mit der unmittelbaren Beweglichkeit des Zoe mithalten.

Keine Reichweitenangst

Die häufigen Hinweise auf Reichweitenangst kann ich völlig nachvollziehen. Die mickrigen Akkus der aktuellen Elektroautos von VW, Renault oder BMW mit realistischen Reichweiten von knapp 200 km locken wirklich niemanden hinterm Ofen hervor. Der ständige Blick auf die Restreichweite oder den Akkustand verbinden deshalb aktuell immer noch sehr viele mit dem Begriff „Elektroauto“.

Auch ich würde mich mit so einer Reichweite schwer tun. Selbst wenn man nur um die 100 km Pendelstrecke (Hin- und Rückweg) bewältigen muss, macht die Unruhe, die Umleitungen, Stau oder akkufeindliche Witterungsbedingungen auslösen können, keinen Spaß. Deshalb halte ich aktuell auch das Tesla Model 3 für mehr oder weniger konkurrenzlos. Mit realistischen 450 km Reichweite auf der Autobahn (gemessen von nextmove bei 120 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit) verfliegt jedenfalls bei mir jede Sorge, dass ich bei täglichen Fahrten irgenwie Probleme bekommen könnte.

Elektroauto funktioniert für mich derzeit nur mit Laden zuhause

Meine Entspannung in Sachen Reichweite hat aber natürlich eine Bedingung bzw. Hürde zu nehmen: Das Auto sollte morgens bitte auch die volle Reichweite liefern. Das heißt: Meine Reichweitenangst verfliegt nur, wenn ich mich darauf verlassen kann, dass ich jeden Morgen mit den möglichen 400 km und mehr in den Tag starte. Wenn ich den sorgenvollen Blick auf die Reichweite zwar nicht jeden Tag habe, aber letztlich nur auf jeden dritten Tat verschiebe, ist dem Elektroautospaß vermutlich auf Dauer ebensowenig gedient.

Öffentliche Lademöglichkeiten beruhigen mich persönlich nur wenig. Sind sie besetzt? Was kostet der Strom? Funktionieren sie? Habe ich Zeit für einen Umweg und die Wartezeit, bis das Auto wieder fahrbereit ist? Zwar gibt es bei mir in der Nähe Ladesäulen und sicherlich könnte man beim Einkaufen ein halbe Stunde Saft mitnehmen, aber mein Autofahr-Leben um öffentliche Ladestationen herum zu organisieren, könnte meine zweifelsohne vorhandene Kompromissbereitschaft beim Thema „Elektroauto“ wohl überstrapazieren. Nein, derzeit ist es für mich die entscheidende Hürde, meine Tiefgaragen-Stellplatz-Vermieterin zu überzeugen, mich dort einen Kraftstromanschluss anbauen zu lassen. Das wäre für mich übrigens auch ein Gebiet, auf dem ich politische und gesetzliche Anreize sinnvoll finden würde. In Californien existiert seit 2014 scheinbar das Recht, sich Ladestationen in Mietwohnungen anbauen zu dürfen, solange man selbst die Kosten trägt. So etwas scheint mir auch in Deutschland diskussionswürdig.

Aber: Elektroautos lösen das Problem nicht

Definitiv ein nicht eindeutiges Argument sind für mich hingegen ökologische Aspekte. Ich kann schlicht nicht nachprüfen, wie die gesamte Frage „Ökobilanz“ tatsächlich zu beantworten ist. Je nachdem, welche Medien man liest, bekommt man einfach sehr widersprüchliche Informationen, die obendrein – so wirkt es auf mich – extrem davon geprägt sind, aus welcher Ecke das Medium kommt. Beim Thema Auto ist jedenfalls die deutsche Berichterstattung leider immer auch sehr politisch. Konservative Medien malen dann das Schreckgespenst des Verlusts von Arbeitsplätzen und getätigter Investitionen in Verbrennungsmotoren bei deutschen Autobauern an die Wand oder mahnen, dass allein die Produktion des Akkus eines Elektroautos angeblich viel mehr CO2 produziere als ein Dieselauto in seiner Lebenszeit. Andere halten das für Falschmeldungen und rechnen sehr viel bessere Ökowerte aus. Ich neige zwar dazu, die Elektroauto-freundlichen Berechnungen für überzeugender zu halten, kann das aber – wie gesagt – kaum selbst verifizeren. Auch die widersprüchlichen Meldungen zum Thema Arbeitsbedingungen bei der Gewinnung der Rohstoffe für die Akkus oder die ungelösten Recycling-Probleme nehme ich natürlich wahr. Mir ist also völlig bewusst, dass Elektroautos genauso ihre Schattenseiten haben wie Verbrenner und die sie am Leben erhaltende Erdölindustrie.

Aber selbst wenn – wovon ich wie gesagt durchaus ausgehe – Elektroautos insgesamt die schonendere Fortbewegungsart gegenüber Verbrennern sind, lösen sie doch das eigentliche Problem nicht: Den Individualverkehr. Ob ich nämlich in einem Verbrenner oder in einem Elektroauto sitze, ist der Autobahn ziemlich egal, die man quer durch die Natur gepflastert hat. Bodenversiegelung, Straßenbau oder städtische Parkplatznot und die vielen Berufspendler, die alleine in ihren leeren Fünfsitzern zur Arbeit fahren, bleiben auch mit Elektroautos ein Problem. Mir wäre ein verlässliches, häufig fahrendes und schnelles Nahverkehrsnetz samt kostenloser Fahrradmitnahme letztlich also selbstverständlich viel lieber als ein eigener PKW.

Status Quo: Ich plane den Kauf eines Tesla Model 3

Ich bin also keineswegs ein Elektroauto-„Fanboy“. Ich fahre Elektroautos einfach aktuell lieber als Verbrenner und mag den Komfort, morgens nur den Stecker zu ziehen und loszufahren, ohne auf Spritstand und Tankstellen achten zu müssen. Meiner Meinung nach landet man dann notgedrungen beim Tesla Model 3. Bei Batterietechnik, Akkukapazität und User Interface kann bisher jedenfalls noch niemand so recht mithalten.

Ein Model 3 ist derzeit mein Kandidat

Seit Februar 2018 habe ich eine Reservierung und habe in der Zeit so ziemliche alle Newsschnipsel zum Model 3 gelesen sowie wohl jeden Erfahrungsbericht US-amerikanischer Youtuber gesehen. Ich weiß um die anfänglichen Probleme in der Verarbeitung und bin dennoch nach wie vor bereit, die Summe für ein Model 3 in die Hand zu nehmen. Mir gefällt das Auto rein optisch schonmal deutlich besser als alle anderen Elektroautos und Konkurrenten wie Jaguar i-Pace oder der Audi e-Tron haben leider mit miesen Effizienzwerten enttäuscht (sie kommen bei gleicher Akkugröße nur um die 300 km weit).

Dass ich derzeit noch nicht auf „Bestellen“ geklickt habe, hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens ist die für mich wichtige Frage des Ladens in der Tiefgarage ungeklärt und zweitens kam VW gerade noch rechtzeitig mit seinem VW I.D. um die Ecke, den es ab Ende 2019 geben soll. Der wird zwar ähnlich wie das Model 3 bei ca. 30.000 € starten und (davon gehe ich aktuell aus) für die Langreichweiten-Version mit etwa 500 km ebenfalls bei über 50.000 € landen. Aber etwas hat VW Tesla natürlich voraus: Das Händlernetz und die berechtigte Erwartung, dass VW nicht in wenigen Jahren vor dem Aus stehen könnte. Denn das sind definitv letzte Unsicherheitsfaktoren bei mir. Das Model 3 ist hier und heute das wohl beste Elektroauto, aber ob das Unternehmen Tesla auf Dauer am Markt bestehen kann, scheint mir durchaus offen. Gleichzeitig ist die nächste Tesla Werkstatt für mich fast 100 km entfernt, während VW natürlich Niederlassungen in der Nähe hat.

Solange meine Ladesituation noch nicht geklärt ist, warte ich also erst einmal ab und werde dann endgültig entscheiden, ob es losgeht mit dem Model 3. Bis dahin könnt ihr in den Kommentaren ja loswerden, ob ihr meine Gründe überzeugend findet, oder nicht.

Bis dahin!

Update (08.04.2019): Der Tesla-Traum ist vorerst tot

Die Entscheidung ist gefallen. Und sie fiel – trotz einer unfassbar spaßigen Testfahrt – leider gegen das Tesla Model 3 aus. Nach vielen Wochen Drehen und Wenden, Hin und Her, Auf und Ab blieb leider als entscheidender Faktor die Ladesituation zuhause als entscheidender Faktor übrig. Die Ladestation in der gemieteten Tiefgarage lies sich leider nicht realisieren und die Abhängigkeit von öffentlichen Stationen war letztlich trotz allem Enthusiasmus und Early-Adopter-Wille eine Hürde, die ich nicht nehmen konnte.

Für mich ist das ein bisschen exemplarisch für die aktuelle Problematik rund um die Verkehrswende. Warum sind öffentliche Einrichtungen nicht längst flächendeckend mit Ladestationen ausgestattet? Warum brauche ich für jede Station eine eigene Kundenkarte mit eigenen Kündigungsfristen, Tarifen und Pauschalen? Warum steht nicht längst an jede Tankstelle auch ein Schnelllader? Aber alles Jammern hilft nichts: So ist es aktuell nun einmal. Ein eAuto ohne heimische Lademöglichkeit ist einfach noch keine brauchbare Lösung.

Zum Glück gibt es aber Licht am Horizont. Es gibt Überlegungen, Mieterinnen ein „Recht auf Einbau einer Ladestation“ zu verschaffen, sofern diese die Kosten tragen und die großen Tankstellenbetreibergesellschaften investieren in Ladeinfrastrukturen. Aktuell kann ich also nur darauf spekulieren, dass die gesamte Situation in ein bis zwei Jahren noch einmal spürbar besser ist. Bis dahin kann ich leider nicht abwarten und werde nun erstmal mit einem Leasing eines konventionellen Auto überbrücken. Mal sehen, wie das alles 2021 aussieht und vor allem: Ob es dann wohl Tesla noch gibt?


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