Windows 10 Mobile: Ein Plädoyer für eine Pause der Technical Previews
|Frühzeitig Einblick in die Entwicklung eines Produkts zu gewähren, ist riskant. Je wichtiger das Produkt, umso größer das Risiko. Für Microsoft geht es mit Windows 10 Mobile um Alles. Es ist die letzte Chance, im mobilen Markt mit einem eigenen Betriebsystem Fuß zu fassen. Viel Mut hat Microsoft bewiesen, angesichts dieses hohen Einsatzes das Technical Preview Programm zu starten. Viel Lob hat es dafür bekommen, sich so frühzeitig so verwundbar zu zeigen. Nach vier Monaten mit Technical Previews bin ich der Meinung: Microsoft hat hoch gespielt und sich verzockt. Die Technical Previews schaden mehr als sie nützen. Microsoft sollte sie vorerst einstellen.
Build 10136: Die Irrfahrt geht weiter
Dienstag Abend hat Microsoft eine neue Vorschauversion veröffentlicht, die ich noch am selben Abend hoffnungsvoll installiert habe. Mit dem Eindruck des Feinschliffs, den Windows 10 für den Desktop schon länger erfährt, habe ich erwartet, langsam auch bei Windows 10 Mobile Anzeichen für eine Stabilisierung des Entwicklungsprozesses zu sehen. Mit der gleichen Erwartung habe ich alle Builds seit der ersten Version (hier mein Ersteindruck zum Build 9941) im Februar installiert. Und jedes mal habe ich die Builds nach wenigen Tagen wieder deinstalliert. Nicht einmal zum Herumspielen konnte man sie gebrauchen: Zu instabil, zu unfertig, zu viel Baustelle.
Die jetzige Version, Build 10136, stand kurz davor, dieses Schicksal zu teilen. Dienstag Abend installiert, wollte ich mein Lumia 640 Mittwoch Mittag bereits mit dem Windows Mobile Recovery Tool auf Version 8.1 zurücksetzen. Wohin man schaut, wirkt auch der neueste Einblick in den aktuellen Entwicklungsprozess wie der Blick in ein Architekturbüro, in dem mal mit diesen, mal mit jenen Ideen gespielt wird. Skalierungs- und Darstellungsprobleme, Bugs und Instabilitäten sowie immer neue Designideen, die morgen schon über den Haufen geworfen werden könnten.
Mir war immer bewusst, dass es sich bei den Previews um Einblicke in sehr frühe Stadien handelt. Wer Alltagsmaterial erwartet, erwartet zu viel. Aber nach vier Monaten ist der Fortschritt gefühlt derart gering, dass ich mich frage, was für einen Zweck die Technical Previews derzeit überhaupt haben. Mit Blick auf den extrem runden Eindruck, den etwa die aktuelle Entwicklerversion von Android M abgibt, ist die Botschaft, die Microsoft sendet, kaum ermutigend. Die Frage ist: Ist die Technical Preview derzeit den Schaden wert, den sie anrichtet?
Als Vorschau zu wechselhaft
Das erklärte Ziel der Previews war stets, frühzeitig erste Einblicke in das zu geben, was Ende des Jahres kommen soll. Microsoft teilt seine Idee und seine Vision eines modernen mobilen Betriebssystem mit uns. Ist das aktuell der Sinn der Previews? Wenn ja, dann versagt sie dabei. Ich habe bisher jede Vorschau installiert und mir fehlt noch immer ein klares Bild davon, was genau Microsoft sich für Windows 10 Mobile vorstellt. Das beginnt beim Design, für das Microsoft bisher nicht erklärt hat, welche Prinzipien und Ideen dahinterstecken. Ja, es sieht irgendwie aus wie auf dem Desktop und ähnelt auch dem, was demnächst auf der XBox One erwartet wird, aber das macht das Desgin noch nicht zu einem stimmigen Ding.
Wo Google und Apple bereits ein halbes Jahr vorher erklären, was sie sich mit dem Look von iOS 7 oder Material Design gedacht haben, wirkt die Technical Preview derzeit wie ein Platzhalter-System. Lose zusammengewürfelte Standardkost, die weder die Genialität der alten Metro-Oberfläche noch den individuellen Look von Android Lollipop hat. Das aktuelle Design und die derzeitigen Funktionen wirken wie das Ergebnis eines Brainstormings, wie die Summe dessen, was ein Haufen Entwickler aktuell für Basisvoraussetzungen eines mobiles System halten würde. Konzept sieht anders aus, Konzept verkauft man anders.
Für Feedback zu unstabil
Die zweite Begründung ist die Einbeziehung der Community. Über die Windows Insider App will Microsoft uns alle teilhaben lassen an der Entstehung und direkten Einfluss auf die Entwicklung geben: Build you own operating system. Für mich ist auch das derzeit kaum möglich. Einerseits sind die Builds noch so buggy und instabil, dass ich mich schon ganz bewusst zwingend müsste, mich an den Hindernissen vorbei zu dem durchzukämpfen, wozu ich Feedback geben könnte.
Zum anderen denke ich, dass Feedback immer voraussetzt, dass die Nutzer an die Hand genommen werden. Ohne klare Richtlinien und Konzepte wirken die User-Kommentare wie Wünsch-dir-was-Sammlungen. Um hier konkretes Feedback zu einzelnen Features oder Design-Entscheidungen berücksichtigen zu können, müsste Microsoft selbst erst einmal eine konkrete Richtung vorgeben, an der man sich mit den eigenen Kommentaren orientieren könnte. Aktuell weiß ich nicht, was Microsoft überhaupt plant. Ich habe nicht das Gefühl, an einem strukturierten Prozess mitzuarbeiten, sondern Stichwortgeber für ein Improvisationstheater zu sein.
Für Entwickler zu unberechenbar
Schließlich wäre da noch der Wert für Entwickler. Allerdings sind die Technical Previews keine Developer Previews. Es gibt aktuell wenig Information zu dem, was sich an APIs unter der Haube tut. Es gibt ebenfalls noch keine klaren Vorgaben darüber, was für ein Design sich Microsoft ab Ende des Jahres von seinen Entwicklern wünscht. Aktuell laufen die meisten Apps zwar noch, aber wird das auch in Zukunft so sein? Kommt mit Windows 10 Mobile vielleicht endlich eine Bluetooth-Schnittstelle, an die sich Smartwatches hängen könnten? Während Google und Apple im Herbst Android M und iOS 9 starten wollen und aktuell ordentlich die Werbetrommel für die dortigen neuen Möglichkeiten rühren, gibt es von Microsoft nur wenig Handfestes zum kommenden mobilen System. Als Entwickler – so mein Eindruck als Laie – bieten die derzeitigen Previews von Windows 10 Mobile nur wenig Nahrhaftes.
Die Technical Preview für Windows 10 Mobile: Mehr Schaden als Nutzen?
Natürlich ist es völlig egal, dass die aktuellen Builds wenig Handfestes bieten oder für Entwickler noch keine Grundlage sind. Lobenswert bleibt trotzdem, dass wir einen frühen Blick auf die Neuheiten bekommen, richtig? So könnte man es sicher sehen, aber für mich stellt sich die folgende Frage: Was ist der Nutzen und was der Schaden des Technical Preview Programms? Der Nutzen ist – wie gesagt – limitiert auf einen sehr unsteten Blick in die mögliche Zukunft. Der Schaden andererseits ist groß: Seit Februar gab es vier Builds. Seit Februar steht ein Release des finalen Produkts für Spätsommer oder Herbst im Raum und seit Februar ist kaum Fortschritt, teilweise eher Rückschritt, zu bemerken. Bei mir haben die Technical Previews in vier Monaten nur eines geschafft: Anhaltende und wachsende Sorge um das finale Produkt. Für mich ist der Vertrauensschaden aktuell weit größer als der minimale Nutzen der Previews.
Ich plädiere deshalb dafür, die Technical Preview für das mobile Windows 10 zu pausieren. Das hart arbeitende Team sollte sich ein paar Monate Zeit für den Feinschliff nehmen, für ein klares Konzept und für einen klaren Fahrplan. Der Start von Windows 10 für den Desktop wird ohnehin genug Aufmerksam für sich in Anspruch nehmen. Im August oder September lasse ich mich gern von einem polierten Produkt von den Füßen hauen. Aber aktuell verzockt Microsoft mir eher den Rest von Zuversicht, den ich für Windows 10 Mobile habe. Und wem das zu hart ist, den kann ich nur immer wieder darauf verweisen, welches Niveau Apple und Goolge mit ihren Previews zeigt: iOS 7 und Android L waren radikale Neuanfänge in den jeweiligen Systemen und hatten trotzdem ein halbes Jahr vor Marktstart ein völlig anderes Niveau. Dass Microsoft wenige Monate vor der Start der ersten Windows 10 Mobile Geräte nicht einmal dieses Niveau erreicht, muss einfach Sorgen machen.
Wie seht ihr das? Welchen Wert hat das Technical Preview Programm für euch aktuell? Wäre euch eine Pause lieber oder vertraut ihr auch angesichts des aktuellen Zustand auf das finale Produkt im Herbst? See you in the comments!
Ich bin Malte, der Chefredakteur hier bei DeathMetalMods.de. Ich bin beruflich als Jurist tätig und lebe in diesem Blog meine Lust an Technik, digitaler Welt und Gadgets aus. Ich schreibe hier die meisten Artikel und organisiere die Arbeiten im Hintergrund. Ihr findet mich auch privat bei Mastodon und Twitter.
Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Microsoft hat die Entwicklung von Windows Phone (im Gegensatz zu Windows 10 Desktop) nicht groß umgebaut und hat bei den letzten Versionen eigentlich immer gezeigt, dass Windows Phone für Qualität steht. Wieso sollte sich dies ändern nur weil man nun zusehen kann wie das System entwickelt wird?
So wurde man auch darauf hingewiesen, dass es extrem frühe Versionen (keine Beta Versionen) sind, einfach um Feedback von den Leuten zu bekommen. Und man sieht an Kleinigkeiten dass es Fruchtet wie beispielsweise Microsoft Edge. Ursprünglich war für Windows Mobile 10 geplant dass die Navigationsleiste oben angesiedelt sein sollte, durch das große Feedback wurde dies bereits geändert.
Ich selbst nutze die Preview auf meinem 2. Phone. Seit 10166 bin ich der Meinung dass die Qualität drastisch zugenommen hat. Noch immer treten teilweise nervige Fehler auf, aber man erkennt doch recht stark wohin Microsoft will und was der Plan hinter Windows Mobile 10 ist: Eine Kombination aus Metro und Material Design. Zum einen Liegt das daran den Entwicklern die Portierung von Apps so leicht wie möglich zu machen, zum anderen weil sich das Design „universell“ gut bedienen lässt.
Mittlerweile würde ich fast sogar sagen, dass man die Preview auch auf dem Haupthandy nutzen kann, wenn man ein wenig Mutig ist. Am Anfang sah das schon ganz anders aus. Anfangs hatte ich ein mit ein paar Bluescreens auf dem Lumia 730 zu kämpfen.
Hallo Tourniquet (es gibt übrigens eine exzellente Thrash-Metall-Band mit gleichem Namen),
ich finde es ja schön, wenn du mit der Preview zufrieden bist, aber was du als gute Qualität und Design bezeichnest, kann ich beim besten Willen nicht als solches ansehen. Bisher hat die mobile Preview mir nix gezeigt, außer eine dauernd wechselnde Baustelle. Der letzte Build (der zur Zeit der Veröffentlichung noch nicht verfügbar war) hat aber immerhin in Sachen Stabilität einiges verbessert. Nach allem was man aktuell annimmt, kommt Win10Mobile ohnehin nicht vor November, es bleibt also Zeit…
Gruß
DM