Update-Chaos bei Google, Microsoft & Co: Was macht Apple anders?
|Updates sind die Würze in der Smartphone-Suppe. Wir alle wollen Updates. Und wir wollen sie am liebsten immer sofort. Mit Blick darauf, wie unterschiedlich Microsoft, Google und Apple ihre Geräte mit Updates versorgen, könnte ich mir aber regelmäßig die Haare raufen. Warum verläuft dieser Prozess bei Apple so vorhersehbar und zuverlässig, während er bei der Konkurrenz oft mit so viel Frust verbunden ist? Ich versuche mich an einer Ursachenforschung.
Das Problem und eine Einschränkung
Wenn Google oder Microsoft ein Update für bestehender Geräte ausrollen, läuft es meistens so ab: Auf irgendeiner Konferenz wird grob eine Jahreszeit oder ein Quartal genannt, an dem das Update auf den Geräten von Endbenutzern verfügbar sein wird. Diese Vorgaben sind meist extrem ungenau, kaum planbar und werden nicht selten trotzdem verfehlt. Wochenlang foltern Nutzer die „Check for Updates“ Funktion, weil in irgendeinem Blog aus Vietnam, Kanada oder Südafrika gesagt wurde, das Update sei schon gesichtet worden.
Anders bei Apple: Große Updates werden meist im Herbst ausgerollt und im September angekündigt. Apple nennt dabei nicht nur ein klares Verkaufsdatum für seine neuen Geräte (daran scheitert die Konkurrenz ebenfalls oft genug), sondern stets auch einen genauen Termin, an dem die neue Version von iOS verfügbar sein wird. An diesem versprochenen Tag wird dann verlässlich zur Zeit X das Update freigeschaltet und weltweit über alle Zeitzonen hinweg gleichzeitig verfügbar gemacht. Keine Soak-Tests, keine gestaffelten Updatephasen, kein länderspezifisches Gewarte, einfach nur: Los gehts.
Um das Problem etwas einzugrenzen, werde ich hier nur ungebrandete (oder auch: unlocked) Geräte betrachten. Die internen Prozesse, die von AT&T bis zu Vodafone alle Provider zu langen Wartezeiten zwingen, lasse ich außen vor. Auch nehme ich im Android-Lager alle Geräte außerhalb der Nexus-Serie von diesen Überlegungen aus. Die Anpassungen, die für Touchwiz, HTC Sense oder die Xperia UI nötig sind, will ich ebenfalls unberücksichtigt lassen.
Argument 1: Software und Hardware aus einer Hand
Das wohl häufigste Argument dürfte der Verweis darauf sein, dass Apple eben nicht nur die Software herstelle, sondern gleichzeitig auch die volle Kontrolle über die Hardware habe. Damit sei es viel einfacher, zeitnah Updates zu bringen. Damit wird zwar in keiner Weise erklärt, warum Apple es schafft, genaue Daten zu nennen und dann auch einzuhalten, aber um der Diskussion willen wollen wir uns das Argument genauer ansehen.
Was genau ist damit gemeint, dass „Software und Hardware aus einer Hand“ kommen? Apple stellt die Geräte schließlich genauso wenig selbst her, wie Google seine Nexus Serie oder Microsoft die Lumia Geräte. Stattdessen designt und plant Apple die Geräte und baut einige Prototypen, aber danach bedient sich Apple Auftragsfertigern und kauft Bauteile: Chips von Samsung, Displays von Sharp, Kamerasensoren von Sony. Genauso lässt Google seine Geräte bei Asus, LG oder HTC fertigen und gibt lediglich vor, was von dem Gerät erwartet wird. Microsoft ist derzeit in einer etwas anderes Situation, weil die Gerätesparte von Nokia jüngst gekauft wurde. Letztlich ist das alles aber auch nicht entscheidend. Was in der Regel mit diesem Argument gemeint ist, ist Folgendes:
Apple weiß genau, was für Hardware in seinen Geräten steckt. Dementsprechend können sie sehr genau und vor allem auch schnell ihre Software und Firmware anpassen. Das heißt aber nicht, dass Apple die Kamerasensoren selber bauen oder den Arbeitsspeicher selber aus dem Silicium stampfen würde. Genauso wie Google für das Nexus 6 einen Haufen Bauteile bei diversen Herstellern ordert oder Microsoft die Displays bei Drittfertigern bestellt, lässt Apple seine iPhones bei Foxconn zusammenbauen. Allen ist gemeinsam, dass sie sowohl definieren, welche Hardware in den Geräten steckt, als auch das Betriebsystem programmieren. Das Argument greift – wenn überhaupt – nur bei Geräteherstellern, die das Betriebssystem nicht selbst schreiben. Samsung, HTC und LG können das pure Android eben nicht einfach auf ihre Geräte werfen. Natürlich muss auch Microsoft das Betriebssystem für jedes Gerät ein wenig anpassen, aber genauso geht es Apple oder Google. Hinsichtlich der Kontrolle über Hard- und Software stehen Apple, Google und Microsoft auf einer Stufe und meiner Meinung nach erklärt sich der unterschiedlich schnelle Updateverlauf damit nicht.
Argument 2: Gerätevielfalt
Ein weiterer Versuch, die augenscheinlich viel verlässlichere Update-Politik von Apple zu erklären, liegt in der Behauptung, dass Apple nur sehr wenige Geräte versorgen müsse. Wenn man sich die Zahlen aber einmal genau ansieht, bin ich mir nicht sicher, ob das so überzeugend ist.
Das jüngste iOS 8 erschien am 17. September 2014 für das iPhone 4s, das iPhone 5, das iPhone 5c, das iPhone 5s, den iPod touch (5. Generation), das iPad 2, das iPad 3, das iPad 4, das iPad Air, das iPad Mini und das iPad Mini mit Retina Display. Das sind auf einen Schlag 11 Geräte mit unterschiedlicher Hardware, Displayauflösung, Prozessorgeschwindigkeit etc. Die nachfolgenden Updates um iOS 8.1 erfassten zusätzlich noch das iPhone 6, das iPhone 6 Plus, das iPad Air 2 und das iPad Mini 3, womit also zeitgleich 15 verschiedene Geräte versorgt wurden.
Im Vergleich dazu wurde Android Lollipop für gerade einmal 5 Geräte verfügbar gemacht, das Nexus 4 und Nexus 5 sowie die Tablets Nexus 7 (2012), Nexus 7 (2013) und das Nexus 10. Nimmt man die nachfolgenden Updates auf Android 5.0.2 hinzu, kommen zwar noch das Nexus 6 und das Nexus 9 hinzu, aber die dann zu versorgende Anzahl ist mit 7 Geräten sehr überschaubar.
Bei Microsoft sieht das Ganze etwas anders aus. Im Herbst 2014, als Windows Phone 8.1 ausgerollt werden sollte, gab es vom Lumia 520 bis zum Lumia 930 nach meiner Zählung 18 zu versorgende Geräte. Bis Januar 2015 kamen noch einige hinzu, wie zum Beispiel das Lumia 432 oder das Lumia 535. Nimmt man einmal an, dass Microsoft gut und gerne 20 Geräte versorgen muss, dann ist das durchaus eine andere Hausnummer als die 15 Geräte von Apple. Trotzdem: Die Unterschiede bei den Lumia Geräten sind (genauso wie bei vielen iOS-Geräten) überschaubar und die Anzahl der Variationen ist jedenfalls nicht um Größenordnungen höher.
Meiner Meinung nach hat es Apple hier nicht leichter oder schwerer. Jedenfalls rechtfertigen 5 Geräte mehr, die Microsoft versorgen muss, nicht die Kluft zwischen weltweit gleichzeitiger Verfügbarkeit auf der einen sowie wochen- und monatelanger Unklarheit auf der anderen Seite.
Argument 3: Serverkapazitäten und Wellen
Das dritte Argument, das nur selten angeführt wird, ist der Verweis auf die Serverkapazitäten. Mit dieser Rechtfertigung wird gelegentlich verteidigt, warum man die Updates gestaffelt ausrollen würde.
Ich wüsste überhaupt nicht, wo ich da anfangen sollte. Einerseits ist die Zahl der verkauften Nexus Geräte derart verschwindend klein im Vergleich zu den Abermillionen iOS-Geräten, die Apple zeitgleich versorgt, und andererseits sind gerade Google und Microsoft zwei der weltgrößten IT-Konzerne. Natürlich belastet ein iOS-Rollout das Internet messbar und ich selber lade Apple-Updates auch nie in den ersten Stunden ihrer Verfügbarkeit, aber spätestens nach einem halben Tag klappt der Zugriff auf die Apple-Server stets völlig problemlos. Nein, das Argument „Serverkapazität“ ist wirklich eines der schlechtesten in dieser Debatte.
Eng mit dem Thema „Serverkapazität“ verbunden ist das Phänomen „Rollout in Wellen“. Insbesondere Google verteilt die Android Updates für seine Nexus Geräte auf diese Art und Weise. Schon vor einiger Zeit erklärte der Google Entwickler, warum man so verfahren würde und erst 1 %, dann 25 %, dann 50 % der Nutzer mit dem Update versorgt. Der Grund klingt einfach und unverschämt zugleich: Auf diese Art und Weise sollen letzte Fehler erkannt und verhindert werden, dass zu viele Nutzer unerkannte Bugs erhalten. So verständlich das sein mag, so sehr finde ich es fragwürdig, wie Google scheinbar seine Nutzer als Beta-Tester missbraucht. Zurück zur Ausgangsfrage: Selbst, wenn man den Rollout in Wellen samt seiner Nebeneffekte akzeptieren wollte, erklärt das noch lange nicht, warum Apple es ohne Wellen weltweit schafft. Und bitte: Das Debakel um iOS 8.0.1 ist für mich – bei aller berechtigter Kritik an Apple – doch eher die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Argument 4: Ländervarianten
Das vierte Argument verweist darauf, dass es bei Android und Windows Phone so etwas wie Ländervarianten gibt, also Geräte, die in unterschiedlichen Länder verkauft werden. Ich selbst nutze tatsächlich eine solche Ländervariante: ein Lumia 830, das ursprünglich für den französischen Markt vorgesehen war.
Nun stellt sich natürlich die Frage, was genau bei diesen Ländervariationen anders ist und ob daraus Schwierigkeiten beim Rollout von Updates entstehen. Mein französisches Lumia 830 unterscheidet sich von den deutschen Geräten in keiner Weise, außer dass statt der Deutsche Bahn App oder der Kicker App entsprechende Pendants des französischen Marktes vorinstalliert waren. Trotzdem weist die Website von Microsoft seit jeher unterschiedliche Updatezyklen für unterschiedliche Ländervarianten aus.
Etwas Klarheit bringt vielleicht der Vergleich mit der Nexus Serie von Google. Ich habe nicht nur ein französisches Lumia 830, sondern auch ein rotes britisches Nexus 5. Bei den ungebrandeten Nexus Geräten gibt es klassischerweise keine Bloatware und Google hat bisher bei seinem Rollout auch keinerlei Unterschiede zwischen den Ländervarianten gemacht. Ganz im Gegenteil: Egal welche „Ländervariante“ man etwa beim Nexus 5 hat, es gibt nur ein einziges Factory Image. Daraus schließe ich, dass es keine wirklich zwingenden Gründe dafür gibt, beim Rollout auf Ländergrenzen zu achten. Ganz im Gegenteil: Apple rollt die Software weltweit zeitgleich aus, die Nexus Factory Images sind weltweit die gleichen. Einzig Microsoft scheint sich mit seiner etwas bürokratischen Art und der anzupassenden Bloatware ein Update-Bein zu stellen.
Argument 5: Druck auf Provider
Als letztes möchte ich noch den wohl diffusesten Teil dieses Rätsels angehen: Die Rolle der Provider. Ich habe oben ja gesagt, dass ich Geräte mit Provider-Branding, Simlock und derartiger Scheußlichkeit hier nicht berücksichtigen werde. Mir ist klar, dass Provider keine Lust auf Updates haben: Warum das alte Smartphone teuer supporten, wo dem Kunden doch besser ein neues verkauft werden könnte? Zudem macht es eben auch Arbeit, all die wertvolle Bloatware anzupassen und zu testen.
Die Frage ist für mich eher: Spielen Provider überhaupt eine Rolle bei ungebrandeten Geräten? Haben T-Mobile, O2 oder Vodafone irgendeinen Anteil daran, ob und wann ein HTC Gerät das Lollipop-Update erhält oder wann das Denim-Update ein Luma Gerät erreicht? Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Ich bin kein Experte und lese gern eure Kommentare, falls ihr nähere Einsichten habt. Allerdings meine ich, dass die Indizien dagegensprechen.
Custom-Roms, Nexus-Factory-Images und die Microsoft Developer-Preview erreichen mein Telefon schließlich völlig ohne die Beteiligung eines Providers. Neben diesem praktischen Gegenargument frage ich mich aber auch rein technisch, was es die Provider interessiert, ob auf meinem Lumia jetzt ein Action Center zu sehen ist oder nicht? Oder ob die Benachrichtigungen im neuen Lollipop-Design erscheinen? Nein, ich glaube, dass die Rolle der Provider abseits der gebrandeten Geräte überbewertet ist. Ich vermute, dass der amerikanische Markt diese Wahrnehmung beeinflusst hat. Dort haben die Provider einen immensen Einfluss auf die Geräte und es werden praktisch kaum Geräte außerhalb von Provider-Verträgen verkauft. Erst das iPhone hat dank seiner Markmacht diesen Status Quo durchbrochen und verweigert den Providern jeden Einfluss auf die Software. So erklärt sich das Gerücht, dass das iPhone in irgendeiner Weise an den Providern vorbei arbeiten würde und sich Vorteile verschafft.
In gewisser Weise stimmt das, aber das trifft genauso auf ungebrandete Geräte mit Android oder Windows Phone 8 Betriebssystem zu. Jedenfalls in Europa sind freie Geräte, die direkt vom Hersteller gekauft werden, sehr viel verbreiteter. Es mag sein, dass Apple sich in den Vereinigten Staaten früher als andere dem Würgegriff der Provider entzogen hat, aber im Endeffekt ist die Situation heute für Apple die gleiche wie für das Nexus-Lineup und Microsofts Lumia-Geräte.
Zusammenfassung: Hat Apple es wirklich leichter?
Gratulation an jeden, der es bis hierher geschafft hat. Als Preis gibt es mein Fazit. Bei der Frage, ob Apple es tatsächlich einfacher hat, tendiere ich ganz klar zu einem „Nein“. Weder die angeblich so viel kleinere Geräteanzahl, die notwendigen Serverkapazitäten oder irgendwelche Ländervarianten erklären für mich den Unterschied in der Update-Politik. Und selbst, wenn man Dinge wie einen Rollout in Phasen für besser hält, erklärt das noch lange nicht die teilweise lächerlich vagen Ankündigungen von Microsoft und Google.
Nein, um ehrlich zu sein, sehe ich keinen Grund, warum Apple es schaffen sollte, seinen Kunden vorab ein klares Datum, die genaue Bezeichnung der unterstützten Geräte sowie die Funktionen, die alle Geräte erhalten, nennen kann, während Google sich aus heiterem Himmel Stück für Stück vorschleicht oder Microsoft fast ein ganzes Quartal als „Updatezeitraum“ angibt. So sehr mir Apple-Fanboys auf den Zeiger gehen und so abgedroschen das Vorurteil klingt: Apple zeigt, wie Updates richtig gehen. Die Konkurrenz hat für mich jedenfalls noch keine zufriedenstellende Antwort darauf gefunden, warum man es nicht wie bei Apple macht. Und solange das nicht der Fall ist, werde ich nicht aufhören, zu erwarten, dass auch Google und Microsoft verbindliche Vorgaben machen und einhalten.
Update (16.05.2015): Jüngst lies Microsoft auf dem offiziellen Windows Phone Blog verlautbaren, dass man das Thema Updates für Windows Smartphone in Zukunft aggressiv angehen werde. Was das bedeutet und ob Microsoft es schafft, den Standard von Apple zu erreichen, wird die Zeit zeigen.
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