Samsung Galaxy S6 Edge im Test: Gimmick oder Mehrwert?
|Für das reguläre Galaxy S6 hatte ich viel Lob übrig. Samsung hat dort so viel richtig gemacht, dass ich aus dem Schwärmen kaum heraus kam. Das Galaxy S6 Edge hingegen hat mich zunächst an eher kalt gelassen: Als unsinnig und unhandlich habe ich die abgerundete S6-Variante abgetan. Ginge es nach Samsung soll das S6 Edge aber das wahre Flagschiff sein. Dabei ist es doch nichts weiter als ein normales S6 mit gebogenem Display, oder? Verdient das S6 Edge den preislichen Aufschlag? Sind die Ecken nur Gimmick oder echter Mehrwert?
Übersicht
1. Der Kampf um die eigene Relevanz
2. Das S6: Eine großartige Basis
3. Wie bedient sich das Galaxy S6 Edge?
4. Was kann die Ecke?
5. Fazit: Gimmick oder Mehrwert?
1. Der Kampf um die eigene Relevanz
Wie gesagt: Das Galaxy S6 hat mich in seiner „normalen“ Ausführung schwer begeistert. Wer mein Review noch nicht gelesen hat, holt das am Besten nach, denn das S6 Edge baut in vielen Punkten auf der Grundausführung auf. Also bitte einmal hier entlang: „Samsung Galaxy S6 Testbericht: Dass ich das noch erleben darf„. Auch das Galaxy S6 Edge wurde mir übrigens von Samsung für 2 Wochen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt
Man könnte also meinen, dass es völlig unnötig wäre, dem tollen Galaxy S6 noch einen drauf zu setzen. Was also motiviert Samsung dazu, sich an ein so kurioses Experiment mit abgerundetem Display zu wagen? Das S6 Edge ist dabei ja nicht einmal Samsungs erster Versuch mit gebogenen Displays. Dieser Titel gebührt dem Galaxy Round und dem Galaxy Note 4 Edge. Der Grund für all diese Experimente dürfte aber klar sein: Es reicht heutzutage eben nicht mehr aus, gute (oder gar sehr gute) Smartphones zu bauen. Käufer und Medien sind stets auf der Suche nach dem nächsten Trend, dem nächsten großen Ding. Samsung hat insoweit traditionell wenig Hemmungen, neue Ideen umzusetzen. Es ist daher kein Wunder, dass wir diese Technik bei Samsung als einem der ersten sehen. Sind gebogene Displays der neue Trend? Haben bald alle Smartphones gekrümmte oder gebogene Displays?
Denn seien wir ehrlich: Derzeit unterscheidet sich das Galaxy S6 Edge von der normalen Ausführung einzig durch die gebogenen Kanten. Das sieht man auch dem Datenblatt an, das sich bis auf Akku und Geräteabmessungen wie beim S6 liest.
Die Hardware im Galaxy S6 Edge |
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Displaygröße | 5,1 Zoll |
Auflösung | 2560 x 1440 Pixel (576 PPI) |
Gehäuse | 142.1 x 70.1 x 7.0 mm (132 Gramm) |
Prozessor | Samsung Exynos 7420 (4x 2,1 GHz, 4x 1,5 GHz) |
Grafik | Mali-T760 |
Arbeitsspeicher | 3 GB |
verbauter Speicher | 32 GB, 64 GB, 128 GB, nicht erweiterbar |
Kamera | 16 MP Rück- und 5 MP Vorderseite, LED-Blitz |
Akku | 2600 mAh (nicht wechselbar) |
Farben | schwarz, weiss, grün, gold |
Datennetz | LTE (Cat-6) bis 300 MBit/s |
WLan | 802.11 ac/b/g/n |
Bluetooth | 4.0 mit A2DP und LE |
GPS | A-GPS und GLONASS |
NFC | Ja |
Betriebssystem (Stand: 02.05.2015) | Android 5.0.2 |
Preis | ca. 750 € |
2. Das S6: Eine großartige Basis
Das S6 Edge gleicht dem regulären S6 in fast allen Aspekten wie ein Ei dem anderen. Das bedeutet vor allem, dass es viele der Stärken des S6 erbt: Das Display ist genauso phantastisch wie beim S6. Die gigantische Pixeldichte und die Bildqualität sind unverändert erstklassig. Auch die Verarbeitung ist dank des ähnlichen Metallrahmens auf gleich hohem Niveau. Der Akku ist zwar 50 mAh größer, hat bei mir aber für keine Besserung in der Laufzeit gesorgt. Auch das S6 Edge kommt bei mir auf 3 bis 3 1/2 Stunden Display-On-Time, was ich dank Quick-Charging aber verzeihen kann.
Gleichermaßen stark ist die Kamera und die Software-Performance. Dank identischer Technik schießt auch das S6 Edge die aktuell vielleicht besten Smartphone-Fotos. Die Kamera ist dank der gleichen Home-Button-Doppelklick-Geste auch genauso schnell aktiviert. Auch die restliche Software reagiert so schnell und flink wie beim normalen S6. Aktuell wird ein Software-Update für beide Geräte erwartet, dass das Betriebssystem auf Android 5.1 aktualisieren soll und unter anderem auch RAW-Support für die Kamera bringen wird. Dieses Update hat mich während meiner Zeit mit meinem Leihgerät allerdings noch nicht nicht erreicht. Es wird gerüchteweise für Juni erwartet.
Alles in allem ist das Galaxy S6 Edge also ein hervorragendes Smartphone, das wie die normale Variante besonders jenen gefallen wird, die ein tolles Display und eine großartige Kamera suchen, dafür aber mit einer etwas schwachen Akkulaufzeit leben können. Die Frage ist aber natürlich: Warum sollte man zum Edge greifen, das aktuell etwa 100 € teurer als die normale Variante ist?
3. Wie bedient sich das S6 Edge?
Das Display und das Displayglas des Galaxy S6 Edge sind rechts und links deutlich wahrnehmbar nach hinten gebogen. Das Resultat ist etwas, dass sich anfühlt wie ein plattgedrücktes Rotorblatt. Das Ganze sieht zu allerest sehr extravant aus und das dürfte auch einer der Hauptgründe von Samsung sein, das Edge auf dem Markt zu bringen. Egal ob HTC One M9, Galaxy S6 oder LG G4: Alles sind mehr oder weniger hübsche Geräte mit flachem Display. Das Edge sticht hier ganz deutlich hervor. Das Edge fällt auf.
Auch in der Benutzung spürt man diese neue Bauform deutlich. Das liegt daran, dass das Gerät zwar eine flache Rückseite, aber nur sehr schmale Seitenränder hat. Anders als das angenehm griffige S6 schneidet das S6 Edge doch spürbarer in die Handflächen und ist dank kleinerer Greiffläche auch weniger stabil zu halten. Ich hatte allerdings erwartet, dass es in der Handhabung deutlich unkomfortabler ist. Zwar opfert das S6 Edge viel von seiner Bedienbarkeit für seinen einzigartigen Look, aber es erreicht nicht ein derartiges Maß, dass ich es als K.O.-Kriterium bezeichnen würde. Das liegt auch daran, dass es trotz gleich großem Display noch minimal kompakter als das reguläre S6 ist (genauer: einen halben Millimeter schmaler und einen Millimeter kürzer). Auch sind die seitlichen Knöpfe gut platziert und genau so herrlich präzise wie beim S6.
Überrascht war ich allerdings darüber, dass das Display tatsächlich gar nicht so weit in die Krümmung hineingeht, wie vermutet. Die Biegung ist zwar nicht zu übersehen, aber der Teil des Displays, der tatsächlich an den Seiten gebogen ist, ist doch kleiner als erwartet. Trotzdem kam es bei mir aber hin und wieder vor, dass ich beim engen Griff um das Smartphone das Display unfreiwillig mit den Fingern bediente. Einen Software-Algorithmus, der unfreiwillige Eingaben verhindert, scheint es nicht zu geben.
So wenig das Display tatsächlich gekrümmt ist, so deutlich merkt man die Biegung doch im Alltag. In positiver Hinsicht werden seitliche Wischgesten zu einem Genuss. Mühelos gleitet der Daumen durch die Fotogalerie oder wischt die typsichen seitlichen Menüs herein. In negativer Hinsicht sind aber oft ungewohnte Reflexionen wahrnehmbar. Beim Schauen von Videos etwa können die durchaus störend auffallen. Ansonsten stört die Biegung im Alltag wenig. Insbesondere ist sie so dezent, dass links und rechts nicht wirklich etwas vom Inhalt der Apps abgeschnitten wird. Alles in allem würde ich sagen, dass die Handhabung niemanden vom Kauf abschrecken muss, für mich aber im Alltag kaum Mehrwert hat. Bis auf den optischen Aspekt hat die Ecke für die Bedienung wenig Bedeutung.
4. Was kann die Ecke?
Was in der Handhabung an Mehrwert fehlt, will Samsung mit Software-Features wett machen. Zu diesem Zweck hat Samsung dem Edge einige Extras spendiert, die es vom normalen S6 unterscheiden, nämlich: Schnellzugriff auf Favoriten, Lichtspielereien bei Benachrichtigungen, Texteinblendungen im Standby-Modus und eine Art Nachttisch-Uhr. All diese Extras sind in einem seperaten Einstellungen-Menü konzentriert und einfach konfigurierbar. Es lässt sich übrigens immer nur eine Seite des S6 Edge ansprechen, was mich etwas wundert, schließlich sind beide Seiten gebogen.
Das erste Extra, der Schnellzugriff auf Kontakte, wird über eine sichtbare Markierung am Displayrand angedeutet. Wischt man diese Markierung hinein, erscheinen 5 anpassbare Kontakte, denen man zudem eine konkrete Farbe zuweisen kann. Legt man das Smartphone auf die Frontseite, leuchtet das Display in genau dieser Farbe und zeigt so an, wer gerade geschrieben oder angerufen hat. Meine Meinung: Der Favoriten-Zugriff ließe sich problemlos auf jedem Display realisieren. Nur zu einem ganz geringen Teil befindet sich dieses Menü auf dem gebogenen Displays. Die Lichtsignale erfordern zudem das völlig untypische Verhalten, sein Smartphone auf das Displayglas zu legen.
Auch die restlichen Funktionen erscheinen mir eher, als hätte Samsung nachträglich versucht, das neuartige Design auch funktional zu rechtfertigen. Der RSS-Ticker, den man auf den Displayrand legen kann, nutzt ebenfalls nur zu einem geringen Teil den gebogenen Displaybereich und wäre so auch auf jedem anderen flachen Display umsetzbar. Für die Nachtuhr gilt ähnliches. Die Möglichkeiten, den seitlichen Bereich zu nutzen, sind aktuell zudem sehr überschaubar. Samsung will die Schnittstelle zwar irgendwann freigeben und ermöglichen, dass auch Drittanbieter wie Wetter-Apps oder News-Feeds hier ihre Inhalte anzeigen können. Bisher ist das Angebot aber auf die von Samsung zur Verfügung gestellten beschränkt.
5. Fazit: Gimmick oder Mehrwert?
Mein Fazit fällt insgesamt deshalb eher verhalten aus. Die Entscheidung, das Galaxy S6 Edge neben dem normalen S6 auf den Markt zu werfen, war offensichtlich vor allem von dem neuartigen Design getrieben. In dieser Kategorie kann das Galaxy S6 Edge aber tatsächlich für sich in Anspruch nehmen, das mit Abstand extravaganteste Design zu liefern. In einem Markt, der übersättigt ist von kaum unterscheidbaren Smartphones, ist das durchaus ein großer Pluspunkt. Mir persönlichen gefällt die Bedienung des normalen S6 deutlich besser, aber ich kann jeden verstehen, der für einen Hauch mehr Style ein paar Euro mehr auf den Tisch legen will. Für das S6 Edge spricht zudem alles, was auch für das S6 spricht. Und das ist, wie gesagt, eine Menge. In diesem Sinne ist das S6 Edge die verrückte Steigerung des regulären S6 für alle, die nicht nur die neueste Technik, sondern auch eine Spur ausgefallenes Design wollen.
Für allen anderen – und dazu zähle ich auch mich – bleibt das S6 Edge aber ein Smartphone, das außer eine sehr speziellen Optik keine echten Vorteile bietet. Die softwareseitig verfügbaren Extras sind brauchbar, aber nicht wirklich vom gebogenen Display abhängig. Für mich ist das reguläre S6 klar die bessere Wahl. Es ist günstiger und liegt besser in der Hand. Bis es für das gebogene Display wirkliche funktionale Gründe gibt, ist meine Antwort auf die Frage „Mehrwert oder Gimmick?“ daher im Zweifel noch: Gimmick. Noch!
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Ich bin Malte, der Chefredakteur hier bei DeathMetalMods.de. Ich bin beruflich als Jurist tätig und lebe in diesem Blog meine Lust an Technik, digitaler Welt und Gadgets aus. Ich schreibe hier die meisten Artikel und organisiere die Arbeiten im Hintergrund. Ihr findet mich auch privat bei Mastodon und Twitter.
Danke für die Review, du bist genau auf die Fragen eingegangen, die mich auch die ganze Zeit beschäftigt haben. Dass der Edge-Screen so wenig praktischen Nutzen hat ist etwas enttäuschend, im Zweifel würde ich mich aber dennoch für das Edge entscheiden, weil ich den Look wirklich klasse finde.
Wie? Was? Tatsächlich? Ich meine … klar, optisch ist das Ding was ganz besonderes, aber hätte nicht erwartet, dass du auf so einen extravaganten Look stehst 😉