OnePlus 6T im Test: Richtig gut!
|OnePlus begegne ich eher mit distanzierter Anerkennung. Ich erinnere mich noch gut daran, wie der zum BBK-Electronics-Konzern gehörende Hersteller Anfang 2014 (wenige Monate nach dem Start dieses Blogs) sein erstes Smartphone vorstellte. Mit OnePlus verbinde ich seitdem diverse PR-Fehlgriffe, miesen Support oder immer neue Datenschutz-Eskapaden. Das OnePlus One, das OnePlus Two und auch das OnePlus X haben von mir in den Testberichten allerdings auch viel Lob bekommen. Wie gesagt: Bei OnePlus war und bin ich zwiegespalten.
Seit dem OnePlus 3 habe ich die (mittlerweile im Halbjahres-Rythmus erscheinenden) OnePlus-Smartphones aber nicht weiter im Blog behandelt. Erst das aktuelle OnePlus 6T hat wieder mein Interesse geweckt. Mittlerweile ist OnePlus preislich zwar (fast) auf echtem Flagschiff-Niveau angekommen, bietet aber auch feine Technik, TOP-Design und so manches exotische Feature. Erstmals hatte ich also wieder Lust, mir das Gerät im Alltag anzuschauen. Das Gerät hat mir die deutsche PR-Agentur von OnePlus für vier Wochen zur Verfügung gestellt. Das Resultat meiner Erfahrungen lest ihr in diesem Testbericht.
Design, Bedienung und Alltagsnutzung
Das OnePlus 6T ist designtechnisch natürlich auf der Höhe der Zeit. Das Display ist mit 6,4 Zoll zwar aberwitzig groß. Dank minimaler Seitenränder und einem Seitenverhältnis von 19.5:9 ist das Gerät aber „nur“ knapp unter 75 mm breit. Für meinen Geschmack ist das zwar zu groß. Ich bevorzuge Smartphones mit um die 70 mm Breite, weil man die in der Regel noch ansatzweise sicher mit einer Hand bedienen kann. Ein unhandlicher Riese ist das 6T aber dennoch nicht und mit seinen Ausmaßen liegt es ja auch voll im Trend hin zu immer größeren Smartphones.
Das Highlight ist natürlich die winzige Notch an der Oberseite, die sogar noch kleiner als beim Essential Phone ist. Sie ist so klein, dass sie nur knapp Platz für meinen Webcam-Sticker bot. Zusammen mit dem gegenüber dem OnePlus 6 etwas geschrumpften „Kinn“ kommt das OnePlus 6T so auf über 85 % Display-Zu-Gehäuse-Verhältnis.
Das Display selbst ist angesichts seiner Größe mit gestrecktem Full HD (1080 x 2280) zwar noch brauchbar scharf, unterschreitet mit knapp 394 Pixel Per Inch (PPI) aber doch meine persönliche Wohlfühl-Grenze von 400 PPI. Zwar ist es immer noch deutlich schärfer als zB das (teurere) iPhone XR (~330 PPI), aber wer dieses Blog kennt, der weiß, dass jedenfalls ich Displays mit höheren Auflösungen bevorzuge. Im Alltag hatte ich aber wenig zu meckern. Schrift, Appsymbole oder Bilder werden ausreichend scharf dargestellt. Wer nicht wie ich einen Narren an ultrahohen Aufösungen gefressen hat, kann beim Display beruhigt und zufrieden zugreifen. Die verfügbaren Farbmodi (u.a. der von mir bevorzugte sRGB-Modus) sorgen zudem für eine sehr angenehm-realistische Farbdarstellung.
Die Verarbeitung ist tadellos. Alle Knöpfe sitzen perfekt und alle Kanten sowie Spalte sind einwandfrei verarbeitet. Ich habe die Midnight Black Version erhalten. Die hat gegenüber der Mirror Black Version eine mattierte Rückseite, die mir optisch sehr gut gefällt. Allerdings ist auch die mattierte Midnight Black Version verflixt rutschig, weshalb ich ein (weißes) dBrand-Skin drauf geklebt habe (selbst gekauft #noad) und so für mehr Grip sorge. Das OnePlus 6T hat keinerlei offizielles IP-Rating. Spritzwasserschutz oder gar Wasserdichtigkeit bietet es also nicht. Ich persönlich vermisse das zwar kaum, aber es gibt sicher einige unter euch, die sich damit noch etwas sicherer fühlen würden. Als kleine Wiedergutmachung hat das OnePlus 6T dafür wieder den bekannten dreistufigen Slider im Gepäck, um direkt per Taste zwischen Laut, Vibration und Lautlos wechseln zu können.
Der Akku hat mich ebenfalls nicht enttäuscht. Mit 3.700 mAh brachte er mich problemlos durch den Tag, was auch an der verhältnismäßig geringen Bildschirmauflösung liegen dürfte. Ich kam jedenfalls oft mit reichlich Restakku in den Feierabend und auch lange Autofahrten mit mehreren Stunden Navigieren und aktivem Display quittierte das OnePlus 6T mit nur moderatem Akkuverbrauch. Die Akkulaufzeit hat mir also definitiv gefallen. Nicht gefallen hat mir hingegen, dass das Gerat dank des großen Akkus recht schwer ist: Es wiegt 185 g. Zusammen mit der Größe gab es schon Situationen, in denen das ganze Gerät eher wuchtig wirkte.
Einige Tester kritisieren zudem, dass das OnePlus 6T noch immer kein drahtloses Laden unterstützt. Das ist sicher ein berechtigter Kritikpunkt. Ich persönlich nehme mein Smartphones aber gern beim Laden nochmal in die Hand und schaue mir die eingegangenen Nachrichten an. Deshalb nutze ich drahtloses Laden ohnehin kaum, weil es das Gerät so immobil macht.
Schon eher vermisst habe ich Stereo-Frontlautsprecher. Das OnePlus 6T muss mit einem einzelnen Speaker neben dem USB-C-Anschluss auskommen. Zudem ist das 6T das erste OnePlus Smartphone, das – gegen den ausdrücklichen Willen der Community – auf den Kopfhörer-Anschluss verzichtet. Ich bin aktuell wieder etwas von Bluetooth-Kopfhörern weg und erfreue mich stattdessen an meinen Beyerdynamic T51. Die muss ich nun wieder mit einem nervigen Adaptern anschließen. Immerhin liefert OnePlus einen passenden Adapter in der Box. Aber beides sind Punkte, die das OnePlus 6T für Medienjunkies vielleicht etwas wenig ideal machen.
Der Fingerabdruck-Scanner
Das zweite Highlight des OnePlus 6T ist (neben der winzigen Displaynotch) der Fingerabdrucksensor unter dem Display. OnePlus ist zwar nicht der erste Hersteller, der diese (noch) exotische Art der Positionierung ausprobiert, aber einer der ersten, der nennenswerte Verbreitung in Europa und den USA hat.
Mein Urteil: Er funktioniert ok, wäre für mich kein Ausschlussgrund, ist aber doch spürbar langsamer und unzuverlässiger als der derzeitige Standard. Der Sensor ist – anders als der Ultraschall-Sensor zB beim Galaxy S10 – ein „herkömmlicher“ optischer Sensor. Er muss also erstens den Finger durch das Display hindurch optisch erfassen und braucht dafür zweitens im Dunkeln eine künstliche Lichtquelle. Ersteres führt dazu, dass der Sensor eben keinen ungehinderten „Blick“ auf den Finger hat (er muss ja durch die Pixelmatrix des Displays hindurchschauen) und zweiteres löst OnePlus damit, dass beim Auflegen des Fingers das Display ziemlich grell grün um den Sensor aufleuchtet. Die Helligkeit dieser Hilfsbeleuchtung beim Scannen ist immer gleich hell, auch in der Nacht, und kann kleine Räume durchaus unangenehm grell bestrahlen.
Im Alltag funktioniert der Sensor in geschätzt 4 von 5 Fällen auf Anhieb, ist dabei aber nicht so schnell wie normal positionierte Sensoren. Man muss den Finger zudem recht bewusst „richtig“ positionieren. In 1 von 5 Fällen musste ich mehrfach nachjustieren und nur selten, etwa bei nassen Fingern (siehe dazu das Video von MKBHD), versagte der Sensor völlig. Ich würde wie gesagt deshalb dem OnePlus 6T zwar keine Absage erteilen, da der Sensor in der Regel ausreichend gut seinen Job macht. Wer diesbezüglich aber schnell genervt ist, sollte sich vielleicht doch nach Alternativen umschauen.
Rein optisch muss ich zudem sagen, dass mir die drei möglichen Scanning-Animation allesamt gar nicht gefallen. Sie wirken unnötig kitschig-futuristisch und passen wenig zur ansonsten zurückhaltenden Aufmachung der OnePlus-Software.
Die Kamera
Die Kamera ist die Komponente, bei der OnePlus seinen Abstand zur „echten Oberklasse“ am Ehesten zeigt. Natürlich macht das 6T bei gutem Licht tolle Fotos, die spätestens nach Bearbeitung mit den üblichen Filtern auf Instagram & Co. kaum Wünsche offen lassen. Mit der konsistent überragenden Bildqualität und den Details der Kamera-Königinnen, den Google Pixel Smartphones, kann das OnePlus 6T aber nach wie vor nicht 100 % mithalten.
Der Portrait-Modus, den ich mittlerweile beim Google Pixel 3 über alles liebe, macht beim OnePlus 6T ebenfalls eine gute Figur. Das 6T erkennt die Grenzen des fokussierten Objekts meist gut. Allerdings ist der Tiefenunschärfe nicht immer überzeugend. Er unterscheidet sich teilweise jedenfalls kaum von normalen Makroaufnahmen mit der Hauptkamera. Der Portraitmodus der Google Pixel Smartphone glänzt da öfter mit fast perfektem Bokeh, mehr Details und natürlicheren Farben.
Der Nachtmodus ist ebenfalls auch nicht von schlechten Eltern. Natürlich habe ich ihn direkt auch mit dem Google Nachtmodus vergleiche, den man mithilfe angepasster Versionen der Google Kamera App auch auf dem OnePlus 6T probieren kann. Im Blindtest gefiel einigen meiner Versuchskaninchen der OnePlus 6T Standard-Nachtmodus sogar besser. Hier ziehe ich durchaus meinen Hut vor Oneplus.
Die Kamera-App selbst gefällt mir ebenfalls gut. Sie ist nicht überladen und lässt einen direkt zwischen den wichtigen Modi (Video, Foto, Portrait, Nacht) wählen.
Wer möchte, kann aber natürlich auch beim OnePlus 6T zum mittlerweile beliebten Trick greifen und eine gemoddete Version der Google Camera App installieren. Damit bekommt man tatsächlich hier und da noch etwas dynamische Reichweite herausgekitzelt, obwohl der Nachtmodus (siehe oben) bereits bei der Standard Kamera App des OnePlus 6T sehr gut ist. Für einen Vergleich von Fotos bei Tageslicht empfehle ich euch das Review von Hardware Canucks. Alles in allem war ich von der Kamera des OnePlus 6T aber durchaus positiv überrascht.
Was taugt die Software?
Bei der Software hat OnePlus auf mich immer schon den mit Abstand widersprüchlichsten Eindruck gemacht. Einerseits liegt OxygenOS so nah an purem Android, dass ich als Purist kaum Kritik äußern kann. Andererseits ist der langfristige Support mit Updates eine echte Achillesverse. Das OnePlus 2 bekam entgegen anderslautender Versprechen zB kein Update auf Android 7 „Nougat“. Mittlerweile hat sich OnePlus aber zu zwei Jahren Plattform- und drei Jahren Sicherheitsupdates verpflichet. Ob es dieses Versprechen beim 6T halten wird, wird man natürlich sehen müssen. Beim Update auf Android 9 „Pie“ hat sich OnePlus bisher aber lobenswert zügig gezeigt und mittlerweile alle Smartphone bis zurück zum OnePlus 5 versorgt. Es plant scheinbar sogar weiterhin, das 2016 veröffentliche OnePlus 3 noch zu aktualisieren.
Auf meinem OnePlus 6T lief von Anfang an Android 9 „Pie“ und ich habe da wirklich kaum etwas auszusetzen. Das Bedienerlebnis ist extrem flott. Das überrascht angesichts des aktuellen Snapdragon 845 und 8 GB RAM (in meinem Modell) natürlich auch nicht. Ich muss aber sagen, dass ich das Urteil viele anderer Tester nicht nachvollziehen kann, die meinen, das OnePlus 6T fühle sich schneller als etwa ein Google Pixel 3 an. Ich meine immer noch, dass die Pixel Reihe das flüssigste Android-Bedienerlebnis bietet und hatte persönlich bisher bei meinem Google Pixel 3 („nur“ 4 GB RAM) auch keine Probleme mit dem RAM-Management.
Die gesamte Oberfläche ist optisch nah an purem Google Android und die vielen kleinen Möglichkeiten, die Software funktional und optisch anzupassen, gefallen mir sehr gut. Auch den systemweite Dark Mode hat OnePlus gut umgesetzt (den OnePlus Standard Launcher habe ich aber trotzdem gegen den Rootless Pixel Launcher getauscht, um wirklich so nah wie möglichen an den Google Look zu kommen).
Besonderes Lob verdient OnePlus meiner Ansicht nach für die eigene Gestensteuerung, die komplett auf Navigationstasten verzichtet. Im Grunde funktioniert die genauso wie beim iPhone X (und später), bindet zusätzlich aber noch eine Geste für „Zurück“ ein. Das klappt ziemlich gut und lässt den Vollbild-Inhalt der Apps noch besser zur Geltung kommen.
Kleinigkeiten hätte ich dann aber doch zu meckern. OnePlus hat zB eine eigene Galerie-App, die sich auch nach dem Anfertigen von Screenshots öffnet. Erstens vermisse ich die Markup-App von Google und zweitens will OnePlus, dass ich für dessen Galerie App irgendwelche Nutzungsbedingungen akzeptiere, wenn ich Screenshots teilen will. In vielen Apps mit eigenem Dark Mode (zB in den Einstellungen der Threema App) zeigt Oxygen OS zudem eine weiße Navigationsleiste an, wenn man diese nicht mit obiger Gestensteuerung ausgeblendet hat. Alles kein Drama natürlich, aber dennoch letzte Ungeschliffenheiten.
Fazit: Richtig gut!
Was bleibt nach alledem für ein Fazit übrig außer: Das OnePlus 6T gefällt mir richtig gut. Wirkliche Ausschlusskriterien hat es für mich nicht. Display, Design, Kamera und Software machen einen guten bis sehr guten Eindruck. Für micht persönlich gäbe es nur zwei Gründe, das OnePlus 6T nicht zu kaufen:
Erstens ist es mir persönlich zu groß. Dauerhaft möchte ich mit 6,4 Zoll und 75 mm Breite nicht herumlaufen. Es ist zudem dank üppigem Akku und eben seiner Größe auch kein Leichtgewicht. Das 6T gefällt mir aber dennoch so gut, dass ich mir wünschte, OnePlus würde doch nochmal einen Nachfolger des OnePlus X vorstellen mit identischer High End Technik, nur eben in handlicherer Größe. Davon ist aktuell aber – trotz lauter Rufe aus der Android Community – leider nichts zu sehen.
Zweitens sind natürlich viele ehemals teure Flaggschiffe der Konkurrenz, also etwa das Galaxy S9 oder das Google Pixel 3, mittlerweile so im Preis gesunken, dass das OnePlus 6T mit seinem Preis nahe der 600 € Grenze eben nicht mehr allein aufgrund des Preises die offensichtliche Wahl ist. Im Gegenteil: Wer eine bessere Kamera in handlicherer Verpackung will, der findet beim Galaxy S9 günstiger, was er sucht. Und wer auf pures Android mit Updatesicherheit steht, bekommt auch das Google Pixel 3 mittlerweile in ähnlichen Preisregionen.
Das OnePlus 6T ist also für mich keine Standardempfehlung in seiner Preiskategorie, aber defintiv eines der Smartphones, die immer in der engeren Auswahl sein sollten.
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Ich bin Malte, der Chefredakteur hier bei DeathMetalMods.de. Ich bin beruflich als Jurist tätig und lebe in diesem Blog meine Lust an Technik, digitaler Welt und Gadgets aus. Ich schreibe hier die meisten Artikel und organisiere die Arbeiten im Hintergrund. Ihr findet mich auch privat bei Mastodon und Twitter.