Nach der WWDC 2017: Verwirrung um Apples Displaypläne

Mit der World Wide Developer Conference (WWDC) 2017 endete die frühsommerliche Konferenzsaison der IT-Konzerne. Erst Microsoft, dann Google und vergangene Woche nun Apple: Während der jeweils mit Eröffnungskeynotes beginnenden, mehrtätigen Entwicklermessen zeigen die Technikriesen, wo es ihrer Ansicht nach hingeht. Überall scheint man sich einig, dass Artificial Intelligence und Augmented Reality die Techniken der Zukunft sind. Dem kann man zustimmen oder auch nicht. Mir geht es in diesem Artikel auch nicht um das Big Picture, das Apple auf der WWDC 2017 präsentiert hat oder darum, ob ich Apples Vision für überzeugend halte.

Stattdessen möchte ich ein Detail aufgreifen, das mir im Nachgang zur WWDC 2017 seit einigen Tagen durch den Kopf geht. Diejenigen, die meinen Blog kennen, werden das Thema wiedererkennen. Es geht nämlich abermals um Apples verwirrendes Verhältnis zur Displaytechnik, insbesondere zu hohen Bildschirmauflösungen. Seitdem Apple mit dem iPhone 4 den Marketing-Begriff „Retina-Display“ geprägt hat, gibt es ein regelrechtes Wettrüsten um immer beeindruckendere Displaytechnik in Smartphones. Apple hat hier die letzten Jahre allerdings eher auf die Bremse gedrückt. Während Samsung, Sony & Co mit immer schärferen Displays protzen und teilweise 4K-Auflösungen in Smartphones quetschen, hat Apple die Displayschärfe des iPhones seit dem bahnbrechenden iPhone 4 nicht erhöht. Aus dem Vorreiter ist das Schlusslicht geworden, jedenfalls bezüglich der für die Displayschärfe entscheidenden Pixeldichte.

Die Zukunft der Displaytechnik laut Apple

Seitdem ich vor bald drei Jahren kräftig gemeckert habe, als Apple auch das komplett neu designte iPhone 6 nicht zum Anlass nahm, die Displayschärfe zu aktualisieren, hat das Thema zugegebenermaßen einen langen Bart bekommen. Ich habe auch keineswegs gehofft oder erwartet, dass die diesjährige WWDC diesbezüglich irgendetwas Neues bieten würde. Die WWDC ist schließlich primär eine Veranstaltung für Softwareentwickler und neue iPhones sind auch nicht vor Herbst zu erwarten. Trotzdem hat mich die WWDC 2017 schwer ins Grübeln gebracht. Auslöser dafür war eine Äußerung von Craig Federighi, dem Softwarechef von Apple. Federighi war zusammen mit einem weiteren Apple Seniorchef im Anschluss zur WWDC 2017 zu Gast beim legendären „Daring Fireball“-Podcast von John Gruber. In der Live-Veranstaltung machte Federighi nun die folgende Aussage:

„Some others have pushed on resolution as the big thing. I think our focus on color depths, on refresh rate. These are where the really big wins are … Brightness, True Tone Display […]“

– Craig Federighi, Live bei Daring Fireball

Apple sieht die Zukunft der Displaytechnik als nicht bei hohen Auflösungen, sondern bei Farbtreue, Bildwiederholrate und Helligkeit. Dazu passt natürlich, dass Apple auf der WWDC 2017 das neue iPad Pro mit 10,5 Zoll vorgestellt hat, das 120 Bilder pro Sekunde anzeigen und damit Bewegungen und Animationen unheimlich flüssig darstellen kann.

Das neue iPad Pro mit 10,5 Zoll und 120Hz Display

Apples selbst beschreibt das neue Display des 10,5 Zoll iPad Pro natürlich als das weltweit fortschrittlichste Display und gibt dem Ganzen marketingüblich auch direkt einen neuen Namen, nämlich „ProMotion“. Retina ist also tot, es lebe ProMotion? Genau hier kam ich ins Stocken, denn Apple sendet schlicht sehr widersprüchliche Signale.

iMac, Apple TV und Thunderbolt 3

In seiner Eröffnungskeynote sprach Apple auch viel über h.265 und HEVC. Beides meint das Gleiche und ist ein Standard zur Kodierung von Videoinhalten. Der h.265 Standard ist als Nachfolger zum verbreiteten h.264 Codec vor allem dazu geeignet, Videomaterial mit sehr hohen Auflösungen sparsam und effizient zu verarbeiten. Für Apple-Nutzer heißt das: Videos brauchen weniger Platz auf dem internen Speicher, können schneller verarbeitet werden und schonen beim Teilen das mobile Datenvolumen. Seit dem iPhone 6S können iPhones sogar 4K-Videos aufnehmen, die ebenfalls von h.265 profitieren dürften.

Parallel freuen sich auch Mac-Nutzer. Dank der h.265-Hardwarebeschleunigung der neuen Kaby Lake Chips von Intel können die aktualisierten Macbooks 4K-Videos noch komfortabler streamen. Begleitet wird das ganze durch iMacs, die in den letzten Jahren erst ein 4K- und später sogar ein 5K-Display bekommen haben. Alles mit Verweis darauf, wie gestochen scharf die Inhalte darauf aussehen und wie sehr Hobbyfilmer und Videoschnittprofis davon profitieren, 4K-Material jetzt nativ bearbeiten zu können. Die neuen Thunderbolt 3 Anschlüsse, die in einigen neueren Macbooks verbaut sind, runden das Bild ab: Stolz verweist Apple darauf, dass mit nur einem Kabel sogar das extrem hochauflösende LG UltraFine 5K Display angesteuert werden kann.

Dank h.265 verarbeiten macOS und iOS hochauflösende Videos jetzt viel effizienter

Man bekommt also durchaus den Eindruck, dass Apple sehr wohl weiß, dass hohe Auflösungen ihren Platz haben, sowohl weil schlicht Nachfrage besteht als auch weil es sich einfach gut vermarkten lässt. Aber Apple sendet hier sehr widersprüchliche Botschaften. Die am iPhone in 4K aufgenommenen Videos kann der aktuelle Apple TV 4 zum Beispiel gar nicht in voller Pracht abspielen, weil dort nur maximal ein Viertel der 4K-Auflösung ausgegeben werden kann. Und wenn Apple mit ProMotion jetzt seinen Fokus von hohen Auflösungen zu hohen Bildwiederholraten verschiebt, irritert doch sehr, dass das ebenfalls aufgefrischte 12 Zoll Macbook trotz neuester Intel-Chips 4K-Monitore nur mit lächerlichen 30 Bildern pro Sekunde ansteuern kann? Entgegen meiner Erwartungen hat Apple dort nämlich den USB-C-Anschluss nicht zu einem Thunderbolt 3 Anschluss aufgerüstet.

Mixed Messages

Man liest derzeit häufig, dass Apple endlich zugehört habe. Auch meine eigene Reaktion nach der Keynote war auf Twitter zunächst ziemlich positiv. Je länger ich mir die neu vorgestellten und aktualisierten Produkte aber anschaue, umso unstimmiger finde ich Apples neue Richtung.

  • Wie soll ein Entwickler mit dem für Dezember 2017 angekündigten iMac Pro denn Apps für das 120Hz Display des neuen iPad Pro testen, wenn das Display des iMac Pro selbst zwar mit 5K eine irre Auflösung liefert, aber nur mit 60 Hz läuft?
  • Warum schwärmen Craig Federighi und Phil Schiller von den flüssigen Animationen eines 120 Hz Panels, beschränken das beliebte 12 Zoll Macbook aber auf stotternde 30 Hz an 4K-Monitoren?
  • Was hilft all die hardwarebeschleunigte und platzsparende Nutzung des neuen h.265-Codec am iPhone, wenn keines diese Videos auch nur ansatzweise in entsprechender Auflösung darstellen kann und selbst der Apple TV 4 als Zentrum des Apple Heimkinos auf die alternde Full-HD-Auflösung limitiert bleibt?

Auf mich wirkt die neue Richtung mit ProMotion nicht wie der erste Schritt einer gut durchdachten Strategie, sondern wie ein technischer Taschenspielertrick, der zufällig gerade zur Hand war. Im Grunde erinnert mich das ganze Schauspiel sehr an die Vorstellung des Retina-Displays durch Steve Jobs. Rückblickend war das damalige Gerede von der Retina-Grenze des menschlichen Auges nämlich nur das marketingtechnische Zufallsergebnis einer sehr geschönten Rechnung. Bei durchschnittlicher Sehstärke liegt die Retina-Grenze, die Apple beschreibt, schließlich bei deutlich über den 326 PPI des iPhones.

Natürlich wird erst die Zeit zeigen, ob Apple in Zukunft alle seine Displays auf möglichst hohe Bildwiederholfrequenzen optimieren wird, ob die übrige Technikwelt nachzieht oder ob Apple lediglich ein pressetaugliches Feature für sein ansonsten immer noch verdächtig nach einem stinknormalen iPad klingenden iPad Pro brauchte. Für mich bleibt sich Apple derzeit vor allem in einer Hinsicht treu: Mit seiner frustrierenden Angewohnheit, guten Produkten oft willkürlich entscheidende Features vorzuenthalten.

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