Mikromanagment: Wenn das Smartphone zur Arbeit wird

GalaxyS7Slot

Mich fasziniert mobile Technik. Das dürfte klar sein. Ansonsten würde ich mir diesen Blog sparen. Aber ich mag nicht jeden Aspekt mobiler Technik. Ein Bereich, der mir verstärkt auf die Nerven geht, ist das, was gemeinhin als „Mikromanagement“ bezeichnet wird. Mikromanagement? Das ist der Teil der Zeit, den man sich mit dem Smartphone beschäftigt, weil man es muss, nicht weil man es will. Wie ein quengelndes Kind verlangt der kleine Helfer nach Aufmerksamkeit und aus dem Spielzeug wird Arbeit. Muss das so sein? Und sind alle aktuellen Systeme in dieser Hinsicht gleich? Schauen wir mal!

Ich persönlich wechsle hobbybedingt natürlich viel öfter meine Smartphones als der Durchschnittsnutzer. Ich interessiere mich auch überdurchschnittlich stark für Details der Geräte und der Software und mache mir selbst bewusst ein bisschen mehr Arbeit. Trotzdem merke ich, dass auch meine Geduld hin und wieder arg auf die Probe gestellt wird, wenn bei jedem Gerätewechsel mehrere Stunden Einrichtung draufgehen oder nervige Voreinstellungen manuell konfiguriert werden müssen.

Beispiele gefällig?

Ihr könnt mir nicht folgen? Hier ein paar Beispiele: Seid ihr Android Nutzer und legt Wert auf ein potentes E-Mail Programm? Dann habt ihr bestimmt schon einmal K9-Mail ausprobiert. Defintiv eine gute App, aber bis die App bei mir läuft, dauert es fast eine Stunde: 7 Mail-Konten wollen eingerichtet, jeweils eine Account-Farbe festgelegt, Synchronisations- und Nicht-Stören-Zeiten definiert werden und so weiter. Wechselt man sein Gerät, muss man es zurücksetzen, oder installiert man einfach nur die App neu, geht das Spiel von vorne los (Update: Ein freundlicher Kommentator hat mich darauf hingewiesen, dass K9-Mail mittlerweile eine sehr gute Export-/Importfunktion bietet). Oder nehmen wir Googles massenhaft integrierte Dienste, die man aus Datenschutz- und Akkuspargründen sinnvollerweise deaktiviert. Auch da führt wenig dran vorbei als sich manuell durch die Einstellungen zu graben. Schließlich: Legt man Wert auf einen geordneten HomeScreen, kann man zudem reichlich Zeit in die Anordnung der Widgets und App-Icons stecken.

Mikromanagement3

Immer noch unnötig kompliziert: Die Einstellungen von Windows Phone 8

Windows Phone 8 Nutzer kennen das ebenfalls (jedenfalls von früher), wenn nach einem Gerätewechsel der Homescreen neu eingerichtet werden musste, jede Kachel neu angeordnet und die Designfarbe bestimmt werden wollte. All das macht beim ersten Einrichten Spaß und vielleicht auch noch beim zweiten und dritten Mal. Sobald man den Prozess aber wieder und wieder vollziehen muss, wird es haarig. Seitdem es in Window Phone 8.1 nun auch transparente Kacheln, Action Center und Benachrichtigungen gibt, kann und muss man das entsprechende Verhalten der Apps auch dafür einzeln konfigurieren.

Ich will mich aber nicht zu sehr auf die Probleme versteifen, die durch ständiges Gerätewechseln entstehen. Stattdessen steht auch für jeden Normalnutzer nach einem Geräteupdate die Frage an, wie die neuen Funktionen eingerichtet werden sollen. Bei Apples Betriebssystem kann man seit Version 8 endlich Drittapps in das Teilen-Menü einbinden, Widgets in der Benachrichtigungs-Zentrale nutzen oder Dritt-Keyboards einrichten,  was mindestens einmal etwas Zeit kostet (mehr im Artikel iOS 8: Was mir gefällt und was noch besser werden muss). Auch Windows Phone 8 baut seine Funktionen aber immer weiter aus. Damit steigt die Komplexität und der Aufwand auch für die Nutzer, die ihr Gerät nicht oft wechseln, sondern einfach weiter nutzen.

Dass diese Feinheiten durchschnittliche Nutzer mittlerweile überfordern, sieht man oft genug an den „hässlich“ eingerichteten Geräten, deren Funktionen nur zum Bruchteil bekannt und genutzt werden. Egal von welcher Seite man es betrachtet: Smartphones brauchen mittlerweile mehr Pflege, Einarbeitung und Aufmerksamkeit als zu Beginn ihrer Marktverbreitung. Smartphones sind teilweise zu ausgewachsenen kleinen Management-Projekten geworden.

Sind alle Systeme gleichermaßen betroffen?

Sind dabei alle Betriebssysteme gleichermaßen betroffen? Im Grunde ja, wenngleich es gewisse Unterschiede gibt. Sowohl Android, iOS als auch Windows Phone 8 bieten von VPN über Cloud-Dienste bis zu App-Einstellungen genug Bereiche, in denen man ohne eine gewisse Einarbeitung und Einrichtung nicht weiter kommt.

Allerdings versuchen iOS und Windows Phone 8 immerhin den Wechsel oder das Neuaufsetzen von Geräten dadurch zu erleichtern, dass ein BackUp auch die Anordnung der Apps auf dem Homescreen sichert. Seit Windows Phone 8.1 speichert das Online-BackUp von Microsoft auch die Anordnung der Kacheln auf dem Homescreen und bei iOS kann man über das Offline-BackUp in iTunes schon seit Langem praktisch ein komplettes Systemabbild erstellen. Der Wechsel oder das Neuaufsetzen von iOS Geräten ist derart einfach, dass regelrecht das „Ich hab was Neues“-Gefühl geschluckt wird.

Mikromanagement2

Unnötig kompliziert: Benachrichtungs-Management unter Android

Google sehe ich derzeit beim Mikromanagement an hinterer Stelle, weil die Einstellungen so verstreut sind, dass man fast glauben könnte, Android lege einem absichtlich Steine in den Weg. Während iOS und Windows Phone 8 eine zentrale Anlaufstelle für Benachrichtigungen bietet, müsste man bei Android in den Einstellungen jede einzelne App raussuchen und manuell die Benachrichtigungen abschalten. Ein großes Ärgernis ist auch die Angewohnheit vieler Android Apps, sich mit einem permantenten Icon in der Statusleiste festzusetzen, was oft auch nur nach Langem Suchen der Deaktivierungsoption behoben werden kann; und zwar für jede Apps einzeln in dessen spezifischen und unterschiedlichen Einstellungen. Die BackUp-Funktion von Android sichert zudem auch nur rudimentäre Einstellungen und wer einmal sein Gerät zurücksetzen muss, darf im Grunde das gesamte Gerät neu einrichten.

Insgesamt halte ich Apples und Microsofts Betriebssystem damit grundsätzlich für die intuitiveren Systeme, aber dort ist lange nicht alles Gold, was glänzt. So toll das Offline-BackUp über iTunes etwa ist: Als Apple mit iOS 7 eine zusätzliche Verschlüsselung einführte (genannt: „Data Protection“, mehr in meinem Artikel über Smartphone Verschlüsselung), ließ man alle Daten aus iOS 6-BackUps schlicht unverschlüsselt. Hier half dann nur das nochmalige Anlegen des gleichen BackUps aus iOS 7 heraus. Die Frage, die sich mir deshalb stellt: Ist ein mobiles Betriebssystem ohne Mikro-Management überhautp möglich? Oder anders herum: Macht es Sinn, die Komplexität der Systeme derart zu reduzieren, dass Mikromanagement unnötig wird?

Ist Mikromanagement unverzichtbar?

Damit kommen wir eigentlich zur Kernfrage des Ganzen: Smartphones sind nicht nur komplexer und anspruchsvoller geworden, sie sind vor allem auch viel potenter geworden, was ihre Funktionen und Fähigkeiten angeht. So sehr all die Tiefen modernen Smartphones normale Nutzer überfordern: Ohne ein Mindestmaß an Management der Funktionen sind Smartphones doch gar nicht möglich, oder? Mehr Funktionen gehen automatisch mit mehr Komplexität einher, richtig? Jein! Mikromanagement ist im Grunde ja kein Smartphone-only Problem. Selbst gewöhnliche Smart-TVs kommen mittweile mit derart vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten daher, dass man glauben könnte, ein Diplom der Informationstechnologie sei Voraussetzung, um Fernsehen zu schauen. Die Zeiten des „Plug And Play“ scheinen jedenfalls vorbei.

Ich glaube aber, dass es dabei zwei Seiten gibt. Es gibt schlechtes Mikromanagement und gutes Mikromanagement.

Schlechtes Mikromanagement ist das Resultat von Faulheit, Dummheit oder Frechheit von Programmierern. In diese Kategorie fallen all die nervigen und unnötigen Ärgernisse, die ich oben angesprochen habe. Google könnte die Verwaltung der Benachrichtigungen in Android problemlos übersichtlich zentralisieren, Microsoft könnte ohne Weiteres die sinnlose Aneinanderreihung seiner unübersichtlichen Einstellungen in Windows Phone 8 besser ordnen und auch Apple könnte so manche zu tief versteckte Einstellung zugänglicher platzieren. Schlechtes Mikromanagement ist unnötig, ärgerlich und kostet Zeit. Sicher ist es nicht einfach, die moderne Komplexität von mobilen Betriebssystemen auf 5 Zoll sinnvoll abzubilden, aber das ist keine Ausrede dafür, es nicht zu versuchen. Das Resultat bleibt ansonsten, dass 90 % der Nutzer nicht wissen, wie sie bei iOS die „besuchten Orte“ deaktiveren oder in Android dafür sorgen, dass ihre Statusleiste nicht irgendwann aussieht wie die Windows 7 Taskleiste von Omas PC.

Toll: Zentrale Einstellungsmöglichkeiten

Gutes Mikromanagement dient dem Nutzer

Dann ist da aber auch gutes Mikromanagement. Allein das Thema Datenschutz verlangt von mobilen Betriebssystemen, dass der Nutzer Kontrolle und Transparenz über die verarbeiteten Daten erhält. Aus diesem Grund lobe ich immer und immer wieder das Rechtemanagement von iOS und Cyanogenmod, das es erlaubt, nachträglich die Zugriffsrechte einzelner Apps zu besschränken und zu erweitern. Diese Art von Mikromanagement ist notwendig und sinnvoll. Viel zu oft ziehen sich die Hersteller darauf zurück, die Betriebssysteme nicht zu kompliziert machen zu wollen. Vielleicht erinnert sich jemand an Android Version 4.3, das „aus Versehen“ eine Art Rechtemanagement enthielt. Dieses Rechtemanagement wurde von Google in Android 4.4 wieder herausgeworfen. Die Begründung war damals, dass der nachträgliche Rechteentzug die Funktionsfähigkeit vieler Apps behindere. Mit anderen Worten: Werbeanzeigen konnten nicht mehr angezeigt werden. Derart vorgeschobene Gründe rechtfertigen den Verzicht auf gutes Mikromanagement nicht.

Selbstverständlich will ich die Fähigkeiten moderner Smartphones nicht mehr missen. Ich kann und will aber nicht akzeptieren, wenn moderne Betriebssysteme den Nutzer dabei im Stich lassen. Mikromanagement ist in gewissem Maße notwendig geworden, weil sich Smartphones von „Telefonen mit Internetbrowser“ zu komplexen Allround-Helfern weiterentwickelt haben. Die große Herausforderung wird es von nun an sein, die Komplexität der Smart-Devices benutzerfreundlich zu verpacken. Ein erster Schritt wäre dabei, das vorhandene unnötige Einstellungen-Wirrwarr zu verbessern. Als nächster Schritt würde ich mir wünschen, dass die Voreinstellungen so gesetzt werden, dass ich nicht manuell jede App bändigen muss, sondern mich darauf verlassen könnte, dass die Grundeinstellungen Datenschutz- und Nutzerfreundlich sind. Auf kurz oder lang wird es aber unvermeidbar sein, dass sich die Entwickler neue Konzepte überlegen, um trotz zunehmender Vielfalt unerfahrene Nutzer nicht auf der Strecke zu lassen.

Was sind eure nervigsten Mikromanagement Erlebnisse? Welche Lösungen seht ihr, mehr Komplexität mit guter Nutzererfahrung zu vereinen? Oder führt letztlich nichts an einem „Smartphone-Führerschein“ vorbei?

See you in the comments!

 

7 Kommentare

Artikel kommentieren

Dein Kommentar wird in der Regel sofort veröffentlicht. Bei erhöhtem Spam-Aufkommen kann es aber zu Verzögerungen kommen. Hab dann bitte einfach Geduld. Zur Erkennung von Spam verwendet das Blog ein Plugin, das den Inhalt des Kommentars, seine Uhrzeit sowie einige weitere Daten, wie zB enthaltene URLs, berücksichtigt. Bitte beachte deshalb die Datenschutzhinweise zur Kommentarfunktion.

Notwendige Felder sind mit * markiert.