Material, Metro und Flat-Design: Wer hat Lust auf den Einheits-Look?
|Früher war die Welt einfach: Jedes Betriebssystem hatte seinen einzigartigen Look. Bei iOS grüßte Skeomorphismus, bei Android dominierte Tron-Style und bei Windows Phone erfreuten Kacheln samt Panorama-Look. Die Zeiten scheinen vorbei, die Grenzen verschwimmen und ich frage mich: Sind wir auf dem Weg zum Einheits-Design? Und gefällt mir das?
Eine Design-Bestandsaufnahme
Aktuell sieht die Situation noch recht ermutigend aus. Die Betriebssysteme unterscheiden sich durchaus noch wahrnehmbar. Eine Design-Bestandsaufnahme zu iOS, Android und Windows Phone:
Seitdem Apple mit iOS 7 seinen alten antiquierten Look über Board warf und sein gesamtes Betriebssystem modernisierte, haben sich auch die Apps verändert. Wo früher optische Anleihen an Dinge des Alltags benutzt wurden, finden sich heute abstrahierte Schaltflächen, viel Text und Transparenz. Vorbei sind die Zeiten des grünen Filz, das im Game Center an ein Casino erinnern sollte oder des Tape-Recorders in der Podcast-App. Mit iOS 8 hat Apple dieses Design weiter verfeinert und aktuell finde ich Apples Look durchaus attraktiv, jedenfalls wenn man von dem ewig gleichen Muster an statischen Apps absieht.
Das aktuell verbreiteste Betriebssystem ist Android. Lange gab es wenig, was man ernsthaft als eigenes Design bezeichnen konnte. In den Anfängen zu Zeiten von Froyo (Android 2.2) und Gingerbread (Android 2.3) gruselte Android wahlweise mit einer schlechten Imitation von Apples Oberfläche oder einem hässlichen Gebräu aus grellen Farben und Grauschattierungen. Erst mit Ice Cream Sandwich (Android 4.0) beziehungsweise Honeycomb (Android 3.0 auf Tablets) entwickelte sich so etwas wie ein Android-Look. Mittlerweile hat Google sein System mit Android Lollipop (Android 5) und dem Material Design völlig neu gestaltet und meiner Meinung nach das derzeit eleganteste Mobile-Design am Wickel: Der Mix aus Pastelfarben, vielen Animationen und dem Fokus auf klare optische Hierarchien haben – zu Recht – viel Lob bekommen.
Windows Phone 8 ist im Bunde der großen Drei sicherlich das Betriebssystem mit dem eigenständigsten Design. Bemerkenswert ist dabei, dass Microsofts moderner Look nicht das Ergebnis einer langsamen Evolution ist, sondern bereits mit dem Start von Windows Phone 7 Ende 2010 von Anfang an etabliert wurde. Die bunten Kacheln, die Betonung von Text anstelle von Icons und die Panorama-Hierarchie gelten zu Recht als Vorreiter des Flat-Designs.
Erste Anzeichen des Einheits-Look?
Aktuell wäre es also noch übetrieben, zu behaupten, alle Syteme sähen gleich aus. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass die Unterschiede immer subtiler werden. Auf Betriebssystem-Ebene bieten beispielsweise alle System mittlerweile eine Benachrichtigungszentrale, die von oben heruntergewischt wird. Und seit iOS 7 sieht der App-Switcher von iOS dem von Windows Phone zum Verwechseln ähnlich.
Was auf OS-Ebene noch recht schleichend voranschreitet, ist auf der App-Ebene kaum noch zu leugnen: Die offensichtlichsten Ähnlichkeiten sind seit jeher zwischen Android und iOS auszumachen. Das liegt vor allem daran, dass Entwickler lange Zeit ihre iOS-Apps unverändert auf Android portierten. Die Design-Entwicklung verlief hier also lange Zeit praktisch parallel, weshalb Android-Apps nicht selten den iOS-Schwestern wie ein Ei dem anderen gleichen. Erst seit Android Lollipop habe ich das Gefühl, dass der spezifische Android Look anfängt, auch iOS zu infizieren: Das Material Design der Google Apps ist beispielsweise auch bei den iOS-Varianten unverkennbar.
Vor allem aber beginnen viele große Anbieter, ihre Apps für alle Plattformen optisch anzugleichen. Die Spotify App ist eines der prominentesten Beispiele für diesen Trend und wurde von mir diesbezüglich bereits kritisch kommentiert.
Wir sind also unverkennbar auf dem Weg zu einer Art Universal-Design. Die Frage ist: Welches Design setzt sich durch? Momentan scheint Googles Material Design sich einiger Beliebtheit bei den App-Designer zu erfreuen, während ich es immer schwerer finde, beispielsweise noch einen konkreten iOS-Einfluss auszumachen. Die große Unbekannte ist für mich Windows 10 Mobile. Der von mir so geliebte Panorama-Look wird mit Windows 10 weitgehend begraben, stattdessen formt sich etwas, das in der Community als „Microsoft Design Language 2“ bezeichnet wird. Was daraus wird, ist für mich noch immer nur schwer vorhersehbar. Ob „MDL2“ eine ähnliche Vorreiterrolle wie beim Flat-Design einnehmen wird, bleibt abzuwarten.
Was macht ein Betriebssystem besonders?
Ich kann jeden Entwickler verstehen, der sich die Arbeit ersparen will, sich in die jeweiligen Designvorgaben von Apple, Google und Microsoft einzuarbeiten. Die einmal programmierte App soll möglichst einfach für andere System verfügbar gemacht werden. Für mich als Nutzer stellt sich dabei aber doch die Frage: Was macht eine Plattform, ein Ökosystem oder ein Betriebssystem aus, wenn nicht dessen Apps und deren Look? Was bleibt als Grund für oder gegen eine bestimmte Plattform, wenn die Apps überall gleich aussehen?
Mit persönlich wäre das zu langweilig. Ich habe es geliebt, mein iPhone zur Seite zu legen und mit einem Griff zum Microsoft Lumia in eine völlig andere Bedienwelt abzutauchen. Genauso mochte ich es, Android zu verlassen und die hochstilisierten sauberen iOS-Apps zu benutzen. In letzter Zeit holt mich aber immer öfter das Gefühl ein „Hier war ich doch eben schon?!“.
Was nach einem Paradebeispiel für ein First World Problem klingt, hat durchaus weitreichende Folgen. Wenn Apps und Betriebssysteme sich immer weiter angleichen, entscheidet sich der Kampf um Marktanteile auf einer anderen Ebene: Der Qualität und dem Preis der Hardware. Das soll nicht heißen, dass mir günstige und gute Smartphones ein Dorn im Auge wären, ganz im Gegenteil. Einen auf dieser Ebene ausgetragenen Preiskampf können aber nicht viele Hersteller aushalten. Am Ende schadet die fehlende Vielfalt im Design der Apps und der Betriebssysteme auch der Vielfalt in der Gerätewahl. Der einzigartige Look von Windows Phone mag sich wirtschaftlich nicht ausgezahlt haben, aber er hat für einen kreativen Schub weit über Microsofts eigenes System hinaus gesorgt. Auch der Fokus auf Nutzerfreundlichkeit und Bedienerlebnis der iOS-Apps hatten weitreichende Folgen und letztlich auch Android dazu getrieben, sein Ökosystem aufzupolieren.
Für derartige kleine und große Geniestreiche bleibt aber wenig Raum, wenn letztlich ein Einheits-Look regiert. Ich habe keine Lust auf dieses Universal-Design. Mir würden die kreativen Experimente fehlen. Für mich ist das Bedienerlebnis und die Optik eines Smartphones Teil des Gesamtprodukts. Ich hoffe daher, dass der aktuelle Trend zur Einheits-App nicht von Dauer sein wird und kann nur hoffen, dass iOS 9, Android M und Windows 10 Mobile hier wieder für mehr Abwechslung und einen gesunden Konkurrenzkampf um das beste Design sorgen. Was meint ihr?
See you in the comments!
Ich bin Malte, der Chefredakteur hier bei DeathMetalMods.de. Ich bin beruflich als Jurist tätig und lebe in diesem Blog meine Lust an Technik, digitaler Welt und Gadgets aus. Ich schreibe hier die meisten Artikel und organisiere die Arbeiten im Hintergrund. Ihr findet mich auch privat bei Mastodon und Twitter.
Was ein OS von einem anderen unterscheidet bzw. unterscheiden wird? Seine Performance, seine Benutzerführung, seine einzigartigen Funktionen und die Qualität der Apps sowie die der Einbindung ins gesamte Ökosystem. Die Screenshots der Spotify-App z. B. zeigen doch schon, dass Windows Phone mal wieder Funktionen fehlen.
Und wenn ich auf die Androiden meiner Arbeitskollegen schaue, sehe ich auch immer wieder starke Unterschiede (Android schneidet schlecht ab) gegenüber iOS – selbst bei (teilweise) gleicher GUI. Die Microsoft Office-Apps sind hierfür gute Beispiele. Oder man betrachte nur, wie Neuerungen im OS angenommen werden:
– Apple führt mit iOS 7 Widget von Drittanbietern ein und jeder entwickelt welche
– Apple Watch kommt auf den Markt und jeder hat seine Apps angepasst, obwohl man sich bei der Entwicklung nur auf einen Emulator verlassen konnte 😉
Neben der Hardware/Größe sind das die Punkte, welche den Ausschlag geben könnten. Ebenso Kundenservice, Verarbeitungsqualität, Wiederverkaufswert & Update-Zeitraum. Wenn nicht sowieso jeder nen iPhone oder Samsung kaufen würde 😉
Bei den Widgets muss es natürlich iOS 8 heißen, sorry. Aber ich blogge ja auch nicht 😉
Hallo Tim,
ja, es gibt noch Unterschiede und ja, gerade Dinge im Hintergrund wir Support und Softwareupdates spielen ein Rolle. Aber genau das sage ich ja: Auf der Ebene können nicht alle mitspielen … kreative Konzepte wie Jolla oder eben auch die Metro-UI von WP gehen tendenziell verloren, weil einzigartige Bedienkonzepte nichts wert zu sein scheinen. Stattdessen gibt es Einheitsdesign und „hübsche Hardware“.
Und dass du nicht bloggst, ist durchaus schade. Du scheinst, was zu sagen zu haben 😉
Danke für die Blumen 😉
Jolla und wie sie alle heißen sind und bleiben „Nerd-Spielzeuge“ – um die tut es mir nur bedingt leid. Hinter einem OS muss (leider – nach der Sichtweise?) ein großes Unternehmen mit ausreichend Manpower & Kapital stehen, wenn daraus was werden soll. Der 0815-Kunde kauft keine Visionen, Bedienkonzepte oder Philosophien, sondern ein (bezahlbares) Produkt, was lediglich funktioniert. Und bei Smartphones heißt das: WhatsApp Facebook, Instagram, Candy Crush & Clash of Clans :p Und am besten das Gerät/OS, was der „Technik-Spezi“ in der Familie hat, damit dieser bei Problemen helfen kann.
Microsoft verfügt ansich über diese Resourcen, ist aber nicht gewillt, weiterhin ein eigenständiges Konzept zu verfolgen. Überrascht mich nicht. Allerdings denke ich nicht, dass der Richtungswechsel die erwünschte Rettung bringen wird.
PS: Und ja, auch wenn das Anpassen der GUI überschaubare Arbeit macht, ginge ich als Entwickler ebenfalls den einfachen Weg, wenn ich mehrere Plattformen unterstützen würde.
Schöner Artikel.
Die Betriebssysteme, die ich bis jetzt am schönsten finde:
– iOS 7 (+ iOS 8, eigentlich das gleiche Design; das Design gefällt mir viel besser als das von iOS x-6)
– Android 4-4.x (hat mir einfach besser gefallen als das von Android 5)
– zu Windows Phone kann ich nichts sagen, da ich bis jetzt kein kompatibles Gerät hatte
– Windows Vista + Windows 7 (den Look ab Windows 8 finde ich zwar nicht schlimm, aber es ist sehr gewöhnungsbedürftig imho)
Ich finde es in gewisser Weise schade, dass sich jedes Betriebssystem in die gleiche Richtung bewegt.
Dazu habe ich mal einen gut geschriebenen Kommentar auf einer News-Seite gelesen.
Dort wurden Windows XP, Vista und 7 mit Windows 10 verglichen bzw. das Design. Während zum Beispiel die Icons bei den zuerst genannten Betriebssystemen einfach besser zur Geltung kommen (erst recht bei „guten“ Monitoren), werden bei Windows 10 einfach zweidimensionale wenigfarbene Icons benutzt.
Ich bin mal gespannt, in welche Richtung sich das entwickelt.
Ich bin jedenfalls froh, dass viele Konzepte nicht realisiert werden. Wenn ich mir so die Konzepte für iOS 8 und Windows 9 (bzw. Windows 10) von damals ansehe.. *würg* … 😀
Naja, das das Design von iOS 7 (und 8) dem von iOS 6 überlegen ist, dürfte die Untertreibung des Jahres sein. Wenn ich bedenke, wie lange uns Apple diesen antiquierten Look von iOS 2 bis 6 zugemutet, kriege ich das Schütteln.
Aber dass du KitKat tatsächlich Lollipop vorziehen würdest? Ich bin ein riesen Fan des Material Design. Lollipop selber war eine kleine Performance-Katastrophe, aber das Design? Das würde ich aktuell sogar als das beste mobile Design der Gegenwart bezeichnen.
Über Windows und die Entwicklung des Desktop Designs muss ich mir noch eine abschließende Meinung bilden, aber von Windows 10 bin ich bisher sehr angetan.
Also ich finde das Material Design ist richtig grottig schlecht, einfach hässlich. Einheitsbrei.
Klare Strukturen hat es ja, aber es sieht halt richtig trivial aus. So als hätte ein Praktikant das erste Mal in seinem Leben eine UI programmiert – simple einfarbige Hintergründe und Schrift drauf geknallt. Null Akzente gesetzt, keine optischen Leckerbissen… Ich halte mich von Material Design fern und betrauere, dass immer mehr App-Developer drauf setzen, wie jetzt z.B. WhatsApp.
Moin SteBu,
so kritische Stimmen hört man selten. Aber da ist natürlich immer viel persönlicher Geschmack mit drin. Einig sind wir uns wohl darin, dass auch ICH nicht möchte, dass bald alles wie Material Design aussieht 😉
Gruß
DMM