Huawei Nexus 6P Testbericht: Android hat einen neuen König

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Für Fans handlicher Smartphones war die Vorstellung der neuen Nexus-Geräte wahrlich kein Grund zur Freude. Auf das letztjährige Motorola Nexus 6 folgte letztes Jahr das Huawei Nexus 6P und abermals ist das aktuelle Google-Flagschiff ein unhandlicher Riese. Gleichwohl wird das Nexus 6P seit seiner Vorstellung von praktisch jedermann über den grünen Klee gelobt. So steht nun jeder Android-Fan – gezwungenermaßen – vor der Frage: Ist das neue Nexus 6P wirklich zu groß oder kann man sich angesichts der vielen Stärken vielleicht doch mit dem 5,7 Zoll-Ungetüm anfreunden? Meine persönlich Antwort auf diese Frage gibt es in diesem Testbericht.

Übersicht

1. Nexus 6P: Weshalb all der Hype?
2. Ist das Nexus 6P zu groß?
3. Ist das Nexus 6P unangemessen teuer?
4. Überzeugt das kontroverse Design?
5. Ist die Kamera der erhoffte Sprung?
6. Sonstige Eindrücke nach vier Wochen Nutzung
7. Qualitätsschwankungen: Die alte Nexus-Plage
8. Fazit: Android hat einen neuen König

1. Nexus 6P: Weshalb all der Hype?

Seit dem 29. September 2015 ist das Nexus 6P offiziell Teil der Nexus-Familie. Und kaum veröffentlicht, überschlugen sich praktisch alle Tech-Journalisten, Blogger und Youtuber mit Lobgesängen. Kaum ein Best-Of-2015, das das Nexus 6P nicht zum Besten zählte, was das vergangene Smartphone-Jahr zu bieten hatte. Woran aber liegt es, dass dem Nexus 6P dieser fast messianische Empfang bereitet wird?

Die Antwort liegt in der Geschichte der Nexus Familie. Seit dem HTC Nexus One sind die Vertreter von Googles Vorzeigeserie immer ein Kompromiss. Technisch oft auf Augenhöhe mit dem Besten von Samsung, Motorola oder LG hatte jedes Nexus Gerät stets doch irgendeinen Haken. Unterdurchschnittliche Akkulaufzeit, klapprige Verarbeitung, hoher Preis oder enttäuschende Kameraqualität: Kein Vertreter der Nexus Familie hat bisher das Rundum-Glücklich-Paket geliefert, das Google Fans sich erhofft haben. Stattdessen war es stets vor allem die Aussicht auf schnelle Updates und pures Android, die den Reiz der Nexus-Geräte ausmachte.

Mit dem neuen Nexus 6P, designt von Google und gefertigt von Huawei, scheint dies nun erstmals anders zu sein. Erstklassige Technik, hochwertiges Design, konkurrenzfähige Kamera und lange Akkulaufzeit? All das wollen Google und Huawei diesmal tatsächlich zusammen auf die Beine gestellt haben.

Das Nexus 6P im Überblick
Displaygröße 5,7 Zoll
Auflösung 2560 x 1440 Pixel (518 PPI)
Gehäuse 159,3 x 77,8 x 7,3 Millimeter (178 Gramm)
Prozessor Qualcomm Snapdragon 810 (4 x 2 GHz und 4 x 1,6 GHz)
Grafik Adreno 430
Arbeitsspeicher 3 GB
verbauter Speicher 32, 64 oder 128 GB, nicht erweiterbar
Kamera 12,3 MP Rück- und 8 MP Vorderseite, Dual-LED-Blitz
Akku 3450 mAh (fest verbaut)
Farben Schwarz, Aluminium, Graphit
Datennetz LTE Cat. 6
WLan WLAN 802.11a/b/g/n/ac, 2 x 2 MIMO, Dual-Band (2,4 GHz, 5,0 GHz)
Bluetooth Bluetooth 4.2
GPS GPS und GLONASS
NFC Ja
Betriebssystem (Stand: 03.01.2016) Android 6.0.1
Preis (UVP) ab 649 €

Zusammen mit der Garantie, bei Software-Updates immer zu den Ersten zu gehören, ist es also kein Wunder, dass die Android-Szene sich vor Begeisterung überschlägt. Da ich mit meinem Testbericht recht spät dran bin, möchte ich meinen üblichen Aufbau etwas anpassen und mich in diesem Testbericht zunächst auf diejenigen Fragen konzentrieren, die wohl viele Käufer umtreiben: Für mich war vor allem die Größe ein – wie passend – großes Fragezeichen. Aber auch das gewöhnungsbedürftige Design, der hohe Preis und die Frage, ob die Kamera wirklich hält, was überall versprochen wird, haben mich vor meinem Kauf zögern lassen. Natürlich werde ich aber auch ein paar Worte zu Software und Bediengefühl sagen, bevor ich zu meinem Fazit komme.

2. Ist das Nexus 6P zu groß?

Beobachtet man die Gespräche in Foren und sozialen Netzwerken, dann stößt man früher oder später auf Kommentare der Art „Das Nexus 6P ist sehr verlockend, aber einfach zu groß“. Mit 5,7 Zoll Display und einer Gehäusebreite von fast 78 Millimetern gibt es da auch wenig zu beschönigen. Ich selbst bin seit jeher ein glühender Verfechter handlicher und kompakter Smartphones. Egal ob das anachronistisch winzige iPhone 5S, die Compact-Reihe von Sony oder mein geliebtes LG Nexus 5: Ich war nie ein Freund von Phablets und Smartphones oberhalb der 5 Zoll Marke. Genau deshalb hatte ich auch große Hoffnung in das OnePlus X gesetzt, das mich zwar mit seiner kompakten edlen Hardware verzücken konnte, aber softwareseitig enttäuschte.

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Kompakt war früher: Das Nexus 6P macht Schluss mit Einhand-Bedienung

Wie ist es mir nun mit dem riesigen 5,7 Zoll Gerät ergangen? Tatsächlich erstaunlich gut! Zwar macht nichts von dem was ich jetzt sage das Nexus 6P kleiner, aber immerhin ist es mit seinen geraden Seiten angenehm griffig und mit 178 Gramm für seine Größe verhältnismäßig leicht. Nach nun über einem Monat mit dem Gerät, muss ich einfach auch zugeben, dass man sich durchaus an die Größe gewöhnen kann und ein großes Display schlicht unbestreitbare Vorteile hat. Zusammen mit den wirklich hervorragenden Stereo-Front-Lautsprechern kann ich beispielsweise auf Reisen gut auf mein sonst mitgeschlepptes Tablet verzichten, was abendliche Netflix-Sessions betrifft. Auch meine digitale Comicbuchsammlung und das Lesen meiner Newsfeeds profitieren von dem großen Display.

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Bei jeder Art von Medienkonsum ist das große Display ein Genuss (Rechte an den abgebildeten Figuren bei DC Comics)

Aber das heißt nicht, dass ich mir nicht trotzdem wünschen würde, Google hätte sich mit einer halbwegs Ein-Hand-tauglichen Größe zufrieden gegeben. Denn all die oben genannten Vorteile ändern eben nichts daran, dass das Nexus 6P größer und schwerer als viele andere Smartphones ist. Trotz überdurchschnittlicher Körperlänge verschwindert das Nexus 6P beispielsweise nicht in jeder meiner Hosentaschen. Bei einhändiger Bedienung ist das obere Displaydrittel ohne Umgreifen kaum zu erreichbar. Und wer einhändig Fotos im Querformat schießen möchte, muss schon etwas Balance aufbringen, um das Gerät zu stabilisieren und gleichzeitig den Auslöser zu bedienen.

Ist das Nexus 6P also zu groß? Ja, natürlich! Jedenfalls wenn man erwartet, es wie ein Smartphone der 5 Zoll Kategorie bedienen zu können. Aber die Größe ist nicht ohne Mehrwert und alles in allem habe ich das Gefühl, dass es mir erstaunlich leicht fällt, das Nexus 6P in meinen Alltag zu integrieren. Ob ich einem anderen Gerät auch die Chance gegeben hätte, mich von den Vorteilen riesiger Displays zu überzeugen? Vermutlich nicht! Das Nexus 6P ist schlicht ein derart gelungendes Smartphone, das mir die übrigen Stärken den Kompromiss bei der Handhabung erstmals wert sind.

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Unterwegs kommt das Riesen-Handy in ein Adore June Sleeve

Zu diesen Kompromissen gehört dabei insbesondere ein veränderter Umgang beim Transport. Ein Gerät dieser Größe ist eben nicht schnell in jede Tasche gesteckt, sondern muss öfter in Jacken- oder Rucksacktaschen Platz finden. Das ruft mehr denn je nach gewissen Schutzvorkehrungen. Allerdings empfinde ich Cases und Hüllen eher als störend. Diese würden das ohnehin schon sehr stämmige Nexus 6P nur noch schwerfälliger in der Handhabung machen. Stattdessen habe ich beim Nexus 6P wieder zu meiner Standard-Kombo aus Displayschutzfolie und Adore June Sleeve gegriffen. Diese Kombo schützt mein Nexus 6P beim Transport in Taschen, Jacken und Rucksäcken schlicht und gut verarbeitet, ohne dem schicken Metall-Design abträglich zu sein. An der Stelle herzlichen Dank an das Team von Adore June, das mir für diesen Artikel kurzerhand das schwarze Klassik Sleeve zur Verfügung gestellt hat. Warum ich im Zweifel zu den Adore June Sleeves aus Hamburg greife, lest ihr übrigens in meinem gesonderten Artikel dazu.

3. Ist das Nexus 6P unangemessen teuer?

Die zweite häufige Kritik am Nexus 6P ist der in Europa unerwartet hohe Startpreis von 649 €. Die 64 GB Version schlägt mit noch einmal 50 € extra zu Buche. Zwar konnte man im Rahmen einer kurzen Google-Werbeaktion noch einen kostenlosen Chromecast (2. Generation) mitnehmen, aber trotzdem ist das Nexus 6P spürbar teurer als etwa in den USA. Im US-amerikanischen Google Store beginnt das Nexus 6P in der 32 GB Version nämlich bereits bei 499 US-Dollar, also umgerechnet derzeit nur 459 €.

Allerdings relativiert sich diese Preisdifferenz etwas, wenn man die 19 % Mehrwertsteuer und sonstige Abgaben hinzurechnet, die im deutschen Markt berücksichtigt werden müssen. Der derzeit schwache Dollars hat zudem auch nicht nur Goolge dazu gezwungen, die Preise für den europäischen Markt grundsätzlich anzuheben. Der Blick auf Sonderangebote in europäischen Nachbarländern zeigt zudem, dass man das Nexus 6P durchaus schon für unter 600 € bekommen kann. Für mich spielt bei der Frage des Preises außerdem weit mehr eine Rolle als der reine Hardware-Gegenwert. Wie viel beispielsweise ein guter Kundenservice wert ist, hat mir jüngst meine schlechte Erfahrung mit dem Oneplus-Support gezeigt. Der Google Service hingegen ist erstklassig und sein Geld wert.

Ist das Nexus 6P also unangemessen teuer? Nach meinem Empfinden nicht wirklich. Der Gegenwert entspricht dem, was für derartige Smartphones üblich ist und der gute Google Support ist mir durchaus einen Aufpreis wert. Auch sind die 64 GB und 128 GB Versionen mit je nur 50 € Aufpreis verhältnismäßig günstig. Abzüglich des kostenlos mitgelieferten Chromecast, hat mein 64 GB Gerät etwa 670 € gekostet. Vergleicht man das mit einem 64 GB iPhone 6S Plus, das mit gut 900 € zu Buche schlägt, bin ich mit dem europäischen Preis des Google Flagschiffs doch wieder etwas versöhnt.

4. Überzeugt das kontroverse Design?

Schließlich wäre da noch das kontroverse neue Design rund um den „Glasbuckel“ auf der Rückseite, in dem sich Kamera, Laser-Fokus, Dual-LED-Blitz sowie allerlei Funkantennen verbergen. Zu Zeiten als das Nexus 6P nur ein Gerücht war, konnte ich wenig Gefallen an dem breiten Buckel finden und kaum glauben, dass Google seinem Flagschiff einen derart unüblichen Look verpassen würde. Nach nun gut einem Monat, den ich das Gerät tatsächlich in Händen halte, muss ich das jedoch ausdrücklich zurücknehmen und das Gegenteil behaupten. Vorbehaltlich aller Geschmacksfragen wirkt das Nexus 6P meiner Meinung nach im persönlichen Eindruck ausgezeichnet. Die leicht hervorstehende Sensorleiste ist deutlich unauffälliger als es auf den geleakten Fotos aussah und lässt das 6P eher futuristisch als hässlich wirken. Dass die Kameralinse nicht ganz zentriert im Ring sitzt, soll übrigens daran liegen, dass der NFC-Chip den Platz benötigt.

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In dem Glasbucken verbergen sich allerlei Sensoren und Antennen

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Endlich ein Nexus, das auch optisch ein Leckerbissen ist

Der Rest des Nexus 6P ist – wenn ihr mich fragt – ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Das Vollmetallgehäuse fühlt sich ausgezeichnet und angenehm rau an, die angeschliffenen Kanten verleihen dem ganzen Design einen edlen Glanz und die Metalltasten haben einen angenehm präzisen und harten Druckpunkt. Das ehemals kontroverse Design hat sich für mich also vom Störfaktor zu einem großen Pluspunkt entwickelt. Wo das LG Nexus 5 zweckmäßig schlicht und das Motorola Nexus 6 absurd klobig wirkten, ist das Nexus 6P ein echter Hingucker. Endlich, endlich schließen sich edler Look und reiner Android-Genuss nicht mehr aus.

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Einziger Kritikpunkt: Der seitliche Displayrahmen könnte noch einen Hauch schmaler sein

Mein einziger Kritikpunkt wäre hinsichtlich des Designs wohl, dass der seitliche Rand um das Display nicht ganz so schmal ist, wie es machbar wäre. Das Samsung Galaxy Note 5 quetscht sein ebenfalls 5,7 Zoll großes Display beispielsweise in ein noch schmaleres Gehäuse. Im Vergleich zum iPhone 6(S) Plus holt das Nexus 6P aus seinem Gehäuse wiederum vergleichsweise viel raus. Apple schafft es nur, ein 5,5 Zoll Display in das ähnlich große Gehäuse seines Riesen-iPhones zu verbauen.

5. Ist die Kamera der erhoffte Sprung?

Wer es bisher nicht geglaubt hat, dem kann ich es hiermit nur noch einmal bestätigen: Ja, die Kamera des Nexus 6P ist der erhoffte Befreiungsschlag. Mit knapp 13 Megapixel, einer weiten f/2.0 Blende und extra großem Sensor hat Google endlich die nötige Hardware in petto, um richtig gute Fotos zu liefern. Bei guten Lichtbedingungen sind die Fotos sehr klar, fartreu und scharf. Details werden durch eine gute Kompression erhalten und es gibt wenig Bildrauschen. Mit der Blendenöffnung von f/2.0 ergibt sich zudem schnell ein schöner Bokeh-Effekt bei Makroaufnahmen. Die Kamera des Nexus 6P muss sich selten vor dem Besten verstecken, was Smartphone-Kameras derzeit zu bieten haben, allen voran dem Galaxy S6. Im Vergleich etwa zur Kamera des Xperia Z5 Compact, die laut Sony zu den Besten zählt, die derzeit in einem Smartphone zu finden ist, würde ich dem Nexus 6P klar den Vortritt geben.

Zusammen mit der Schnellstartfunktion über einen Doppelklick auf die Stand-By-Taste ist die Kamera auch angenehm flink gestartet und für spontane Schnappschüsse einsatzbereit. Ganz so fix und komfortabel wie der Schnellstart beim Galaxy S6 ist die Kamera allerdings nicht. Die Kamera-App selbst ist Google-typisch recht spartanisch, aber für mich zählt ohnehin eher die Qualität im Automatik-Modus, als dass ich in komplexe manuelle Einstellungen eintauchen möchte. Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn man mit manuellem Fokus oder Weißabgleich noch mehr aus seinen Motiven herausholen könnte. Wenn die Resultate aber so gelungen sind, wie die vom Nexus 6P, dann kann ich das Fehlen dieser Profi-Einstellungen verzeihen.

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Die neue Google Kamera-App ist einfach und funktional

Glänzen kann die Kamera auch in ungünstigen Lichtbedingungen. Der besonders große Lichtsensor holt zusammen mit diversen Softwaretricks auch aus Umgebungen, die für Smartphone-Kameras eher eine Herausforderung sind, noch beeindruckend detaillierte und klare Bilder heraus. Selbst Gegenlicht macht dem Nexus 6P nicht viel aus, da der sehr gute HDR+ Modus für eine hohe dynamische Reichweite sorgt.

Die 8 Megapixel-Frontkamera ist ebenfalls ein willkommenes Upgrade und auch 4K-Videoaufnahme ist vorhanden, wird von mir mangels Abspielgerät aber nicht genutzt. Insgesamt liefert Google endlich das ab, was für mich Voraussetzung für eine gute Smartphone-Kamera ist: Schnelle Einsatzbereitschaft, intuitive Kamera-App und verlässlich hohe Fotoqualität in allen Lebenslagen. Was bisher nur die iPhones und erstmals das Galaxy S6 geschafft haben, gilt jetzt auch für ein Nexus-Smartphone: Ausgezeichnet!

6. Sonstige Eindrücke nach vier Wochen Nutzung

Nach nun vier Wochen mit dem Nexus 6P fallen mir beim besten Willen auch keine sonstigen Kritikpunkt ein. Das Display ist baugleich mit dem Galaxy Note 5 und gehört zum Besten, was derzeit zu haben ist. Einzig der bei Samsung vorhandene Sonnenlicht-Outdoor-Boost fehlt ihm, aber ansonsten ist das Display extrem scharf, blickwinkelstabil und typisch Amoled-Display knallbunt und kontrastreich. Trotz des großen und hochauflösenden 5,7 Zoll Displays komme ich übrigens regelmäßig auf 4,5 bis 5 Stunden Display-On-Time. Und das trotz dauerhaft gekoppelter Smartwatch. Der 3450 mAh große Akku verrichet also beste Arbeit und ist dank Schnellladefunktion auch binnen 80 – 90 Minuten wieder randvoll geladen. Leider nutzt Google dabei aber nicht den Quick Charge Standard von Qualcomm, sondern kocht seine eigene Schnelllade-Suppe.

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Die Akkulaufzeit lässt keine Wünsche offen

Geladen wird das Nexus 6P über den mittlerweile etwas etablierteren USB-C Stecker an der Unterseite. Ich gebe zu, der beidseitig steckbare Anschluss ist komfortabel, aber es wird sicher noch dauern, bis sich USB-C bei mir durchsetzt. Wie schon das OnePlus 2 bietet der USB-C Anschluss übrigens nicht das Maximum des technisch Möglichen, sondern läuft intern nur mit USB 2.0 Geschwindigkeit.

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Geladen wird via USB-C Port

Sehr schnell ist hingegen der rückseitig verbaute Fingerabdruckleser. Über seine Positionierung kann man streiten, aber aufgrund der dünnen Bauweise hätte ein entsprechender Scanner weder an der Seite Platz gefunden noch wäre er mir an der Front unterhalb des Displays lieber, da diese Position Schwerpunkt-Probleme bei der Bedienung provoziert. Stattdessen macht der Sensor auf der Rückseite in natürlicher Nähe zum Zeigefinger durchaus Sinn. Seit Android 6.0 „Marshmallow“ hat Google seinem Betriebssystem zudem endlich auch eine Schnittstelle für die softwareseitige Einbindung von Biometrieerkennung spendiert. Grundsätzlich nutzt Google dabei ein ähnliches Verfahren, wie es das Vorbild von Apple vormacht: Speicherung als gehashtes Template, lokale Verschlüsselung und begrenzte Auslesemöglichkeit durch Dritt-Apps. Wer sich für Details interessiert, dem empfehle ich Folge 38 des Android Developers Backstage Podcast. Dank der offiziellen Unterstützung für Fingerabdruck-Technik, kann der Abdruck auch nicht nur zum Entsperren des Geräts, sondern für alle sonstigen Funktionen genutzt werden, die im Betriebssystem sonst nur durch PIN- oder Kennworteingabe zugänglich wären. Von alledem unbeeinflusst bleibt aber natürlich das grundsätzliche Problem, dass der eigene Fingerabdruck mit Leichtigkeit für Dritte zugänglich ist, während eine PIN oder ein Kennwort unsichtbar im Gedächtnis liegen.

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Der Scanner ist schnell und gut platziert

Zu guter Letzt bleibt dann noch die wahre Königsdisziplin der Nexus-Serie. Wie auf allen Nexus Smartphones läuft auf dem Nexus 6P unverändertes, pures Android und Updates sowie Sicherheitspatches kommen direkt von Google. Genau deshalb kauft man schließlich ein Nexus. Beim Nexus 6P erhält man so nichts anderes, als das schnellste und flüssigste Android-Erlebnis, das derzeit auf einem Smartphone zu bekommen ist. Das Gefühl bei der Nutzung ist schlicht tadellos. Der Snapdragon 810, das perfekt von Google angepasste Android-System und die 3 GB Arbeisspeicher machen insgesamt eine erstklassige Figur. Gern hätte ich – einfach aus Prinzip – auch 4 GB Arbeitsspeicher gesehen, aber das ändert nichts daran, dass das Nexus 6P genau das liefert, was man von einem aktuellen Nexus Flagschiff erwartet: Referenz in Sachen Softwareperformance. Natürlich sind auch all die neuen Android Marshmallow Funktionen vorhanden, die ich bereits in meinem ausführlichen Android M Artikel zusammengefasst habe. Zusätzlich zu dem neuen Rechte-Management, der beschriebenen Fingerabdruck-Unterstützung oder der überarbeiteten Lautstärke-Regelung ist mittlerweile zudem auch das (etwas unheimliche) Google Now on Tap verfügbar.

7. Qualitätsschwankungen: Die alte Nexus-Plage

Leider sind Nexus-Smartphones seit jeher auch noch für etwas anderes bekannt, nämlich gewisse Schwankungen bei der Verarbeitungsqualität. Mein geliebtes Nexus 5 beispielsweise musste einmal wegen defektem Vibrationsmotor und zweimal wegen rasselnden Tasten ausgetauscht werden. Was ich damals aufgrund des guten Preis-/Leistungsverhältnis des Nexus 5 recht entspannt hingenommen habe, hat mir beim Nexus 6P etwas spürbarer die Laune verdorben.

Mein erstes Nexus 6P verärgerte mich nämlich binnen Tagen nach Lieferung mit einem auffällig losen Displayglas. Reproduzierbar knarzte und knackte das Glas aufgrund des deutlich wahrnehmbaren Spiels am Rahmen (bei Youtube dokumentiert). Der von mir bereits gelobte Google Support hat das Erstgerät allerdings anstandslos, binnen Tagen und ohne Kosten für mich ausgetauscht. Das danach erhaltene Austauschgerät ist nun zwar in Sachen knarzendem Displayglas weitgehend unauffällig (wenn auch nicht perfekt), weist dafür aber eine recht lockere Lautstärke-Wippe auf (auch dieses Ärgernis habe ich auf Youtube in einem Video festgehalten). Zwar haben die Tasten den oben gelobten knackigen und präzisen Druckpunkt, aber weshalb die Lautstärke-Wippe ein so auffällig seitliches Spiel hat, wissen wohl nur Huawei und Google.

Nun ist ein gewisses Spiel bei Metalltasten keine Seltenheit. Auch mein iPhone 5S hat seit seinem Kauf einen recht klapperigen Standby-Button, aber bei einem Neupreis von fast 700 € bin ich dann doch pingelig. Für mich können solche Details schnell zum Spielverderber werden. Wenn ich mich in Szene-Foren umschaue, dann scheine ich mit beiden Mängeln auch keine absolute Ausnahme zu sein. Allerdings will ich meine Erfahrungen auch nicht zu einem grundsätzlichen Problem aufbauschen. Ob ich mich auch wegen der lockeren Lautstärke-Wippe noch einmal an den Kundenservice wenden werde, überlege ich aktuell noch. Update: Was daraus wurde, lest ihr hier.

8. Fazit: Android hat einen neuen König

Wären die gerade beschriebenen kleinen Störfaktoren nicht gewesen, hätte ich sofort und ohne zu überlegen in den Chor eingestimmt, der das Nexus 6P so einstimmig lobt. Denn abgesehen von der Größe gibt es tatsächlich nichts, was das Nexus 6P nicht richtig macht: Es ist irre schnell, sieht verflixt gut aus, hat einen langen Akku-Atem und schießt erstklassige Fotos. Und das alles wird versüßt durch das gute Gefühl, in absehbarer Zeit nicht auf Updates warten zu müssen. Kann ein kleines Detail wie eine etwas lockere Taste an diesem Gesamteindruck wirklich etwas ändern? Eigentlich nicht! Und deshalb will ich mich auch nicht zu sehr auf diese Details stürzen, sondern das Nexus 6P anerkennen als das, was es ist: Der neue König der Android-Smartphones.

Dieser Titel ist aber natürlich angreifbar. Wer auf zeitnahe Updates und pures Android verzichten mag, kann viel Geld sparen. Gerade das Galaxy S6 schafft es, bis auf seinen schmalen Akku und Samsungs trägen Softwaresupport, in vielen Punkten mit dem Nexus 6P gleichzuziehen und bietet obendrein das deutlich kompaktere Format. Auch mag die Kamera des Galaxy S6 noch eine Spur besser sein und Konkurrenten wie das Oneplus 2 oder das Moto X Style bieten klar das bessere Preis-/Leistungsverhältnis. Für mich sind Android-Smartphones ohne Nexus-Software-Support aber keine Option mehr. Kurzfristig locken Samsung, LG oder Sony mit toller Hardware und guten Preisen, aber langfristig habe ich mich immer geärgert, auf Softwareupdates warten zu müssen. Dass ich nun mit dem Nexus 6P auch ansonsten allerfeinste Technik erhalte, versüßt mir das Android-Leben ungemein und dafür bin ich tatsächlich bereit, derart tief in die Tasche zu greifen. Für alle, die sich vor dem 5,7 Zoll Riesendisplay nicht scheuen, ist das Nexus 6P deshalb die konsequente Wahl. Trotz des leichten Dämpfers durch die Verarbeitungsdetails steht mein Entschluss fest: Das Nexus 6P wird mein neuer Alltagsbegleiter und das Nexus 5 darf nach 2 Jahren in den wohl verdienten Ruhestand gehen.

See you in the comments!

P.S.: Falls euch interessiert, wie ich ein halbes Jahr später über das Nexus 6P denke, lest doch hier meinen Langzeittest.

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