HTC One (M8) for Windows: Was will uns Microsoft mit diesem Deal sagen?

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Ach, mein liebes Windows Phone. Was muss ich da lesen: Die Absatzzahlen sinken und der Marktanteil schrumpft mal wieder? Ich habe es schon oft betont: An Windows Phone 8 ist so viel Gutes dran, dass ich mir die Smartphone-Landschaft ohne es nicht vorstellen möchte. Aber was helfen all diese Beteuerungen der Fachpresse, wenn unsere Begeisterung nicht bis zu den Verkaufstresen der Einzelhändler herüberschwabbt? Damit wären wir auch direkt beim Thema: Die Verkaufstresen sind nämlich – jedenfalls in den Vereinigten Staaten – um ein WP8 Schmuckstück reicher, das HTC One (M8) für Windows. Die Frage: Warum hat Microsoft nach dem Lumia 930 erneut den Weg über Exklusiv-Partner gewählt und was soll uns dieser Deal sagen?

Andere Länder, andere Sitten

Werfen wir kurz einen Blick zurück: Bereits das europäische Lumia 930 wurde ein halbes Jahr vor dem Marktstart bereits im Frühjahr als „Lumia Icon“ auf dem amerikanischen Markt vorgestellt. Es war und ist exklusiv beim US-Provider Verizon erhältlich. Mein Plädoyer, in dem ich vehement dafür eintrat, dass Europa unbedingt auch ein Lumia Icon braucht, wurde zwar erhört, als Microsoft auf der Entwicklerkonferenz „Build“ das Lumia 930 auch für Europa vorgestellt hat. Trotzdem gilt der ganze Start des Lumia Icon/930 weitgehend als Disaster. Von der Ankündigung bis zum quälend späten Verkaufsstart gingen Monate ins Land. Dieser gänzlich vergeigte Produktstart soll hier aber nicht Thema sein und wurde zudem bereits angemessen frustriert von den Kollegen von TheWPHub aufgearbeitet. Mein Thema ist vielmehr: Was treibt Hersteller, und diesem Fall, Microsoft überhaupt zu diesen Exklusiv-Deals, die die Verfügbarkeit von begehrten Produkten künstlich auf einzelne Märkte und Provider beschränken?

Um dieses Phänomen zu verstehen, muss man sich klar machen, dass der Smartphone Markt in den Vereinigten Staaten noch immer anders funktioniert als in Europa und insbesondere Deutschland. Während es hier durchaus üblich ist, Smartphone direkt zu kaufen und dann nach Belieben Verträge und SIM-Karten zu wechseln, ist dieses Verhalten in den USA noch nicht sehr ausgeprägt. Die tatsächlichen Kosten eines Smartphone, also etwa die UVP zum Marktstart ist dort eher Nebensache. Viel relevanter ist die Frage, wieviel das Gerät „On Contract“ kostet. Vielen Amerikanern ist kaum bewusst, dass sie nicht bloß $199 für ein Smartphone zahlen, sondern $600 und mehr und diesen Preis lediglich über monatliche Raten als Teil des Vertrags abzahlen. Kurz gesagt: Die Provider sind in Amerika in viel größerem Maße am Absatz der Smartphones beteiligt und sind ein viel wichtigerer Partner, wenn es darum geht, Endkunden zu erreichen. Verizon als größter US-amerikanischer Provider ist damit eines der wichtigsten Zugangstore zu den Brieftaschen der US-Kunden.

Vor diesem Hintergrund muss man Microsofts derzeitige Lage betrachten. Windows Phone 8 lag im amerikanischen Markt laut comscore im März bei knapp über 3 Prozent. Das Interesse der Käufer ist also eher dünn gesäht. Damit ist auch der Anreiz für die Provider gering, die begrenzte Auslage und Werbefläche für derartige „Ladenhüter“ zu „verschwenden“. Neben der Samsung- und Apple-Ecke ist oft einfach kein Platz für unbegehrte Underdogs. Was tut man als einer dieser Underdogs in solchen Situationen? Man schmeißt mit Geld um sich! Genau das hat Microsoft mit allergrößter Wahrscheinlichkeit getan. Sowohl HTC als auch Verizon haben es sich sicherlich fürstlich bezahlen lassen, das HTC One (M8) für Windows herzustellen und ins Sortiment aufzunehmen. Ganz deutlich: Wer glaubt, dass Verizon oder HTC ihrerseits Microsoft angefleht hätten, auch eines der „heißbegehrten Windows Phone 8 Geräte“ vertreiben zu dürfen, ignoriert die traurige Realität: Niemand reißt sich um Windows Phone 8.

„Lege dein Geld weise an, mein Kind“

Nun ist ja erstmal nichts verkehrt daran, sich mit Finanzkraft Zugang zu Märkten zu verschaffen. Auch Apple musste bei den ersten Generationen so einige unheilige Allianzen mit AT&T und auch dem örtlichen Magenta-Riesen eingehen, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ich selbst habe an vielen Stellen dafür plädiert, dass Microsoft einfach mal einen riesen Berg Geld in die Hand nehmen sollte und sich eben Marktanteile erkaufen muss. Trotzdem hat das HTC One (M8) for Windows mir keine Freudenschreie entlockt.

Warum? Weil ich das Gefühl habe, dass Microsoft hier aufs falsche Pferd setzt. Wenn sich eine Erkenntnis aus allen Reviews, Testberichten und Rezensionen von Windows Phone Geräten ableiten lässt, dann dass sie – selbst im unteren Preisbereich – hervorragende Verarbeitungsqualität liefern. Es liegt schlicht nicht an fehlender toller Hardware, dass Microsofts Betriebssystem nicht in den Puschen kommt. Stattdessen scheint Microsoft nach wie vor daran zu scheitern, die Käufer von den Vorteilen des Betriebssystems, also der Software zu überzeugen. Solange sich die Microsoft Spots oft darin erschöpfen auf „Office ist vorinstalliert“ zu verweisen, geht das Marketing eben an der Lebenswirklichkeit der Nutzer vorbei. Und solange Instagram weiter sein peinliches Beta-Stadium fristet, Spotify mir den Zugriff auf meine Bibliotheken verweigert oder Freunde von Watchever, Sky Go oder ähnlichem ohnehin völlig in die Röhre gucken, hängt Windows Phone 8 auch immer noch der alte Makel vom „App Gap“ nach. In der App-Situation geht es zwar voran, aber auch dem glühendsten Freund von Windows Phone 8 dürfte klar sein, dass die neuen, hippen, freshen und coolen Apps eben noch immer zuerst auf iOS und Android erscheinen.

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Wäre es bei dem all nicht vielleicht klüger gewesen, die Unsummen, die Verizon und HTC erhalten haben dürften, in die Verfeinerung des Marketing, das weitere Aufpolieren des Ökosystems und das Feilen an den letzten rauen Ecken von Windows Phone 8.1 zu investieren? So hätten alle Windows Phone Nutzer davon profitiert und die Attraktivität des Gesamtsystems wäre gesteigert, anstatt nur ein paar schnelle Käufer mit dem schicken Alu Design des HTC One (M8) zu locken. Dabei will ich gar nicht davon anfangen, was für eine Nachricht Microsoft mit dem Gerät sendet. Wollen wir lieber Hardware, die speziell für Windows Phone 8 gemacht ist, oder die alten Kleider der großen System-Brüder recyclen? Mir kommt die gesamte Aktion im Endeffekt leider so vor, als wolle man einem Kind Spinat unterjubeln, indem man es unter Schokolade versteckt. Auf den ersten Blick mag man den Nachwuchs überzeugen, aber Spinat bleibt Spinat. Am Ende verdirbt man den Käufern eher noch die Lust auf HTC Smartphones, als dass man sie für Windows Phone 8 begeistert.

Was will uns Microsoft sagen?

Letztlich ist mir aber natürlich jedes neues Windows Phone 8 Flagschiff eine willkommene Ergänzung. Und mit dem Lumia 930, das technisch dem Nexus 5 von Oktober 2013 entspricht, ist das aktuelle Flagschiff-Angebot nicht mehr all zu frisch. Von daher macht es durchaus Sinn, dass Microsoft sich die Wartezeit bis zum „wahren“ Windows Phone 8 Flagschiff mit diesem Android-Flirt vertreibt. Trotzdem: Mir würden da einige andere Sachen einfallen, für die ich das Geld ausgegeben hätte, und ich frage mich, warum Microsoft sich gerade da Schlachtfelder auf der Hardware-Ebene wählt. Natürlich hat Microsoft mehr als genug Reserven, um sich solche Spielchen zu leisten. Ich wäre auch viel nachsichtigter, wenn das HTC One (M8) for Windows nur ein Beispiel von Microsofts Geldschleuderei wäre und im gleichen Maße auch in die Entwickler investieren würde. Statt aber auf allen Fronten mit derartigen Vorstößen zu glänzen, habe ich das Gefühl, dass Microsoft den Softwarepart vernachlässigt und sein Heil sehr einseitig in dieser Android-Flagschiff-Leihe sucht. Jedenfalls höre ich von keinen Plänen, eine gleich hohe Summe an z.B. die 100 Top Apps und deren Entwickler aus dem Google Play Store zu verschenken, um sich mehr Apps zu erkaufen. Ich frage mich einfach: Was will uns Microsoft mit diesem Deal sagen? Die 4 MP Kamera der Android Version kann in Sachen Bildqualität kaum mit der 20 MP Kamera des Lumia 930 mithalten und gute Verarbeitung bieten die Nokia-Geräte ebenfalls schon. Braucht Windows Phone 8 das HTC One (M8) for Windows? Wofür?

So bleibt am Ende der Eindruck, dass Microsoft nach wie vor nicht genau versteht, warum die eigene Plattform so kränkelt. Oder viel schlimmer: Microsoft selbst scheint sich nicht sicher zu sein, welche Stärken von Windows Phone 8 es marketingmäßig verwerten kann, um Kunden zu gewinnen. Die Flucht in die Arme von HTC wirkt da wie der Versuch, Kunden zu blenden, ohne die Probleme der Plattform tatsächlich an der Wurzel anzugehen. Es läuft auf die Frage hinaus: Gibt es für jemanden, der bisher seine Vorbehalte gegenüber Windows Phone 8 hatte, nun einen Grund, zum HTC One (M8) für Windows zu greifen? See you in the comments!

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