Halbzeit: Das Goolge Pixel 2 XL nach sechs Monaten im Test

Seit Oktober 2017 sind das Pixel 2 und das Pixel 2 XL die Speerspitze von Googles Versuch, sich einen eigenen Namen als Android-Hersteller zu machen. Das Pixel 2 hatte ich seit November 2017 täglich in Benutzung und kann den positiven Eindruck aus meinem Testbericht im Dezember nur in jeder Hinsicht bestätigen: Die Kamera ist fantastisch, das pure Android so flink wie am ersten Tag und der Softwaresupport erfreut mich jeden Monat, wenn die Sicherheitspatches verlässlich eintreffen.

Im Laufe der vergangenen Wochen schlich sich dann allerdings die übliche Technikblogger-Routine ein und die Lust auf etwas Neues ließ mich auf einen Gerätewechsel schielen. Vor allem aber stieß ich an die Grenzen des (nur) 64 GB großen Speichers in meinem Pixel 2. Aufgrund der vielen positiven Nachfolge-Artikel diverser Technikblogs und -Youtuber zu dem großen Bruder, dem kontroversen Google Pixel 2 XL, reifte dann in mir der Entschluss, dem großen Pixel noch eine Chance zu geben. So kam ich Mitte März bei eBay an ein 128 GB Pixel 2 XL im Pinguin- bzw. Panda-Look. Sechs Monate nach dem Verkaufsstart befinden wir uns nun also auf halber Strecke zur nächsten Pixel-Generation: Beste Gelegenheit für einen Testbericht zur Halbzeit.

Erleichterung beim Display

Wenn ich das Pixel 2 XL als „kontrovers“ bezeichne, meine ich natürlich vorrangig das Display. Was habe ich nicht alles für Horrorstorys gelesen. Blauschleier, Einbrennen, gedämpften Farben, usw.: Ich war mehr als vorgewarnt und hatte mich auf das Schlimmste eingestellt. Zu meiner Erleichterung kam es dann doch längst nicht so schlimm, wie befürchtet. Mein versiegeltes, aber von privater Hand bei eBay gekauftes, Pixel XL 2 zeigte nur wenige der befürchteten Schwächen. Das Einzige, was ich tatsächlich sofort bemerkt habe, war der unverkennbare Blauschimmer beim seitlichen Betrachten. Den sieht man wirklich deutlich.

Das Display: Halb so schlimm, wie befürchtet …

Direkt nach dem Auspacken habe ich das Gerät eingeschaltet und auf dem weißen Hintergrund des Google-Setup-Prozesses ist der Blaustich zweifelsohne schon bei minimalen Neigungen wahrnehmbar. Auch bei normaler Benutzung ist der Effekt zu sehen und zwar auch deutlicher als bei den anderen beiden Geräten mit OLED-Displaytechnik, die ich gerade hier habe: dem Pixel 2 und dem Oneplus X. Wer Derartiges bei einem Premium-Gerät für ein No-Go hält, der hat damit direkt seine Antwort: Das Pixel 2 XL kann diesbezüglich nicht mit anderen Flaggschiffen mithalten.

Wer aber Sorge hatte, dass das Display ein Totalausfall wäre, kann meiner Ansicht nach beruhigt sein: Ich war mit dem Display ansonsten vollkommen zufrieden. Mehr sogar: Abseits des Blauschimmers, den ich – so platt es klingen mag – schnell vergessen habe, bin ich ein großer Fan von der natürlichen und realistischen Farbwiedergabe. Ich gehöre zu der Gruppe von Nutzern, die z.B. auch die Samsung Galaxy S Displays immer auf den „Natürlich“-Modus umstellt. Gegenüber dem Pixel 2 ist der „Natürlich“-Modus beim P-OLED des 2 XL sogar noch ein Spur blasser nüchterner. So weit ich das sehe, ist das  dem sehr farbtreu kalibrierten DCI-P3 Farbraum geschuldet. Ich finde das ehrlich gesagt wahnsinnig angenehm. Mein Fazit also: Das Display ist zwar nicht perfekt, aber wäre für mich kein Grund, von dem Pixel 2 XL Abstand zu nehmen.

Gewöhnungsbedarf bei der Haptik

Die für mich größte Hürde auf dem Weg, mit dem Pixel 2 XL warm zu werden, war natürlich seine Größe. Wer dieses Blog eine Weile verfolgt hat, wird wissen: Ich bevorzuge kleine Smartphones (wie z.B. das knuffige iPhone SE). Trotzdem habe ich auch lange Zeit sehr zufrieden das tolle Huawei Nexus 6P genutzt und bin mir durchaus im Klaren darüber, dass große Phones ihre Vorteile haben. Beim Pixel 2 XL kommt erleichternd hinzu, dass das Gerät dank des 18:9 Display-Verhältnisses zwar mit seinem 6 Zoll Display auf dem Papier unhandlich groß klingt, aber in den Ausmaßen tatsächlich schmaler als das 5,7 Zoll große Nexus 6P ist. Wer deshalb erwartet, mit dem Pixel 2 XL eines dieser futuristischen Geräte mit fast vollständig vom Display ausgefüllter Front zu bekommen, der könnte allerdings enttäuscht werden. Zwar nimmt das Display unzweifelhaft mehr Platz auf der Front ein, seitlich und auch an der Ober- und Unterseite ist trotzdem noch spürbar viel Rahmen vorhanden. Mein Ersteindruck von Look und Haptik war daher eher: Etwas pummelig.

Mehr Display an der Front, aber auch etwas pummeliger im Look (Pixel 2 XL rechts und Pixel 2 links)

Gerade im Vergleich zum kantigeren Pixel 2 wirkt das Pixel 2 XL weniger markant und fast etwas disproportional. Die sehr betonte Wölbung des Displayglases verstärkt diesen Eindruck noch. A pro pro: Ich hatte auch den Eindruck, dass sich das Display des Pixel 2 XL „hohler“ anfühlt, als das des kleineren Pixel 2. Im Netz liest man, dass das wohl daran liegt, dass beim von LG gefertigten Pixel 2 XL das Glas nicht ganz so nah ans Display laminiert ist. Es kann aber auch daran liegen, dass das Gerät schlicht größer ist und damit einen größeren Resonanzkörper bietet. Ansonsten finde ich den Mix aus Schwarz-Weiß-Panda-Look und grell-orangem Standby-Button aber ziemlich klasse. Zum Glück zieht das Pixel 2 XL seinen rundlichen Look auch nicht überall durch. Die flachen Seitenränder des Rahmens bieten im Vergleich zu rutschigen Geräten wie dem iPhone X mehr Halt in der Hand und dank des griffigen Lack um das Alu-Gehäuse gelingt die Handhabung auch ansonsten verhältnismäßig gut.

Der grell-orange Standby-Button ist ein witziges Detail

Ich musste mich trotzdem erst einmal erheblich umgewöhnen, denn eine Einhandbedienung ist beim großen Bruder ausgeschlossen. Nach einigen Tagen kamen mir die 6 Zoll dann aber mehr und mehr normal vor und gelegentliche Kontrollgriffe zum Pixel 2 ließen den kleinen Ableger direkt winzig wirken. Als Youtube-Fan habe ich mich auch schnell an die native 18:9 Videounterstützung gewöhnt bzw. an die Möglichkeit 16:9 Videos bildschirmfüllend zu zoomen. Sei es in meinem Twitter-Client, in der E-Mail-App oder im RSS-Reader: Überall bietet das längere Display im 18:9 Format mehr Platz, mehr Inhalt und mehr Content. Das gefällt mir wie schon beim LG G6 ausgesprochen gut.

Nach nun knapp 10 Tagen Alltagsnutzung habe ich mich also eindeutig an die Größe gewöhnt und würde sogar sagen: Ich ziehe das große Modell dem kleinen Pixel 2 vor.

Überraschung beim Akku

Mein Herz endgültig erobert hat das Pixel 2 XL mit seinem Akku. Der ist mit 3520 mAh deutlich größer und führt im Verhältnis zum Pixel 2 bei mir zu deutlich längerer Akkulaufzeit. Trotz täglichem WLan-Tethering, viel Bluetooth-Streaming und reichlich Social Media und Web-Browsing schaffte es das Pixel 2 XL bei mir stets auf um die 5 Stunden Display-On-Time samt komfortabler Restladung zum Feierabend. Das Pixel 2 hingegen musste in aller Regel spätestens nachmittags wieder an die Steckdose.

Überraschend starke Akkulaufzeit

Dass das Pixel 2 XL trotz der deutlich höheren Diplayauflösung so eine Laufzeit auf die Reihe bekommt, ist in der Tat beeindruckend. Selbst, wenn ich morgens nur 50 % Ladung übrig habe, mache ich mir mittlerweile kaum noch Gedanken und starte auch längere Dienstreisen ohne beim Spotify-Streaming ständig Angst um die purzelnde Akkuladung haben zu müssen. Für mich ist die Laufzeit daher klar die positivste Überraschung!

Gewohntes im Übrigen

Ansonsten gibt es wenig Neues zu sagen. Das Pixel 2 XL holt aus dem Snapdragon 835 und seinen 4 GB RAM eine traumhaft smoothe Bedienung heraus und das System läuft stabil und zuverlässig. Wie schon der kleine Ableger profitiert auch das große Pixel 2 XL davon, dass Google erstmals drei, statt nur zwei, Jahre Plattform-Updates verspricht. Das bedeutet, dass ein heute (gebraucht oder neu) gekauftes Pixel 2 oder Pixel 2 XL nicht im kommendne Jahr schon das letzte große Android-Update erhält, sondern nach Android P und Q auch Android R im Jahr 2020 samt Sicherheitspatches bis 2021 bekommen wird. Das tut nicht nur den Gebrauchtpreisen gut, sondern macht das Pixel 2 (XL) ein halbes Jahr nach Start auch zu einer deutlich sorgloseren Anschaffung als es der Vorgänger zum gleichen Zeitpunkt war.

Unverändert grandios ist zudem natürlich die Hauptkamera. Andere Kameras mögen mit reichlich Detaileinstellunen oder drei separaten Linsen hier und da mittlerweile bessere Bilder auf die Reihe bekommen, aber mit dem Google Pixel 2 und 2 XL habe ich in den letzten Monaten in fast allen Situationen mühelos phantastische Fotos produziert: Point, Shoot, Enjoy! Für Fans von purem Android gibt es daher zu recht derzeit keine besseren Phones als die Pixel 2 Geräte. Wer bereit ist, die etwas sperrigere Handhabung und ein nicht ganz perfektes Display in Kauf zu nehmen, gewinnt beim Pixel 2 XL (im Verhältnis zum kleineren Pixel 2) vor allem eine grandiose Akkulaufzeit und einen etwas modernen Look mit dem 18:9 Display.

Auf der Schattenseite bleibt allerdings auch beim Pixel 2 XL die fummelige Kleinarbeit, die man investieren muss, wenn man nicht jeden Aspekt seiner Smartphone-Nutzung Google anvertrauen will. Bei allen Vorteilen von Stock-Android ist es doch bemerkenswert, wie intensiv Google sich mittlerweile in alle Aspekte der Smartphone-Benutzung einschaltet. Nicht einmal Erinnerungen kann man diktieren, ohne den neugierigen Google-Assistant zu aktivieren und mit seinem Google-Konto zu koppeln.

Why, Google? Why?!

Die ersten Stunde verbrachte ich deshalb auch beim großen Pixel 2 XL damit, dem Betriebssystem all die unnötigen Datenerfassungen abzugewöhnen, die man bei Stock-Android abstellen kann: Kontakte und Kalender hoste ich selbst via CardDAV auf einem heimischen Server, Goolge Assistant und Now habe ich deaktiviert und bei Standorterfassung und Werbeprofil alles deaktivert, was ich nicht benötige. Ob all das überhaupt etwas ausmacht und wie ich insgesamt derzeit zu Stock-Google-Android stehe, schildere ich gern nochmal im Einzelnen in einem anderen Beitrag. Es ist und bleibt leider ein Kompromiss: Wer auf pures Android mit direkten (Sicherheits-) Updates von Google wert legt, muss sich noch immer arrangieren mit den tief ins System verwurzelten Zugriffsmöglichkeiten von Google. Apple schlägt hier meines Erachtens nach weiterhin den besseren Mittelweg zwischen smarten Funktionen und datensparsamer Nutzbarkeit ein.

Das bleibt dann für mich auch beim Pixel 2 XL das wohl entscheidende Fazit: Wenn Google es mit Apple in Sachen Edel-Hardware aufnehmen will, sollte es nicht nur seine Fertigungsmuskel trainieren, sondern auch anfangen, sich wie Apple aus den Daten der Nutzer herauszuhalten. Zwar verkauft Google nun erstmals auch teure und konkurrenzfähige Hardware-Produkte, der Käufer bleibt aber parallel (weit mehr als bei Apple) auch selbst das Produkt.

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