Das Surface Phone wäre das Ende von Windows Mobile (nicht dessen Rettung)

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Microsoft strampelt, Microsoft kämpf, aber so sehr es sich bemüht (oder vorgibt, sich zu bemühen), so sehr muss man seine Bemühungen im Mobilbereich bisher als vergeblich ansehen. Wo Windows Phone 8.1 immerhin noch einen tollen Charme und einige Alleinstellungsmerkmale vorweisen konnte, ist Windows 10 Mobile aktuell für viele ein Schatten seiner vergangenen Größe. Trotz fleißiger Updates über das Insider-Programm scheint das, was Käufer von Windows 10 Mobile Smartphones bisher erhalten, noch immer mehr Baustelle als fertiges Produkt zu sein. Aber selbst wenn man die Bugs und das einfallslose neue Design des Betriebssystems außen vor ließe, bleibt das alte Kernproblem: Das mangelnde Interesse der Entwickler und das Fehlen vieler, vieler Apps.

Als Ausweg aus dieser Misere hofft die Szene nun seit einer ganzen Weile auf das sogenannte Surface Phone. Ein mythisches Wesen, das Microsofts wahres Ass darstellen soll und nicht nur die glanzlosen Lumia 950 Geräte optisch in den Schatten stellen, sondern vor allem auch endlich eine Antwort auf die drängenden Ökosystem-Probleme geben soll. Meiner Meinung nach wirft das Surface Phone aber mehr Fragen auf, als es Antworten liefert. Ich gehe sogar soweit, dass – nach allem, was bisher vom Surface Phone erwartet wird – damit nicht die Rettung von Windows Mobile naht, sondern dessen Ende eingeläutet werden könnte.

Was ist das Besondere am Surface Phone?

Das Surface Phone soll derzeit unter Leitung des CVP Panos Panay, dem Chef der Gerätesparte bei Microsoft, entwicklet werden und wird mal für Mitte, mal für Ende 2016 erwartet. Sehr viele Hoffnungen richten sich dabei auf das Design, das der Designsprache der Surface Convertibles nachempfunden sein soll. Das appetiterregende Konzept am Anfang dieses Artikels stammt übrigens von PhoneDesigner.eu, die mir freundlicherweise die Nutzung des Bildes gestattet haben. Ich selbst zähle mich zu den absoluten Fans des Surface 3 und dessen hinreißendem Design und würde mich natürlich sehr über ein Smartphone freuen, dass diese Optik aufgreift. Aber der eigentliche Fortschritt des Surface Phone soll nicht dessen Äußeres sein. Ein frischer Anstrich ist nicht das, was das krankende mobile System von Microsoft braucht – obwohl man den treuen Windows Phone Fans auch das mehr als schuldet. Nein, der Kern des Surface Phone soll seine x86 Kompatibilität sein.

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Mit x86 ist die Prozessor-Architektur gemeint, die noch immer den Kern moderner Prozessoren von Intel und AMD ausmacht. Diese Architektur ist die Grundlage für alles, was wir heute als „Desktop-System“ bezeichnen, also vor allem PCs, Desktops, Laptops, Tablets und Convertibles mit den üblichen Windows oder Mac OS X Versionen. Im Gegensatz dazu laufen alle aktuell verbreiteten mobilen Betriebssysteme, also iOS, Android und auch Windows Phone 8 bzw. 10 Mobile auf Basis der ARM-Architektur, die mit den Befehlssätzen der x86-Architektur nicht kompatibel ist. Ein normales Windows Programm läuft genauso wenig auf einem Windows Phone, wie ein Mac OS X Programm auf einem iPad. Das Problem: Während iOS und Android über eine immense Auswahl an ARM-basierten Apps in ihren Appstores verfügen, herrscht zwischen der Anzahl der x86 Programmen für Windows und den ARM-Apps für Windows Phone eine gigantische Lücke.

Trügerische Universal Apps

Die Idee hinter dem Surface Phone ist also, die ARM-Architektur zu verlassen und ein Telefon zu bauen, das ebenfalls auf die x86 Architektur setzt. So würde auf einen Schlag die große weite Welt der Windows Programme offen stehen und das „Appgap“ wäre Geschichte. Natürlich weiß Microsoft, dass niemand ein Smartphone benutzen möchte, auf dem die reine Desktop-Version von Windows 10 samt Explorer und fummeliger Maussteuerung läuft. Genauso wenig kann das Ziel sein, eine unveränderte Desktop-Version von Firefox, Skype oder Photoshop auf dem Smartphone zu benutzen. Stattdessen hat Microsoft seit Windows 8.1 die Universal Windows App (UWA) Plattform zur Hand. Teil dieser Universal Apps Idee ist es, dass Programme deutlich variabler dargestellt werden und je nach Bildschirmgröße sowohl auf dem Desktop als auch auf dem Telefon bedienbar bleiben.

Diese UWA Strategie ist dabei genau das, was meiner Meinung nach die Existenz von Windows Phone, wie wir es heute auf Basis der ARM-Architektur kennen, in Frage stellt. Denn obwohl die Universal Apps den verführerisch allgemeinen Titel tragen, ist eine Universal App zunächst eben immer noch an die Architektur geknüpft, für die sie programmiert wurde. Eine x86 Universal App, die es in den Windows Desktop Store schafft, ist nun einmal nicht automatisch auch im Windows Phone Store verfügbar. Stattdessen muss ein Entwickler seine „universelle“ App bewusst auch für ARM-Systeme anpassen und im Windows Phone Store anbieten. Das soll zwar mittlerweile sehr viel einfacher sein, als es noch unter Windows (Phone) 8.1 der Fall war, aber trotz allem noch immer kein Automatismus. Man müsste die Universal Apps daher wohl besser als „easier-to-make-universal“-Apps bezeichnen. Das Resultat ist jedenfalls, dass es UWAs gibt, die trotz ihres Namens nur im Windows Store verfügbar sind, einfach weil der Entwickler bisher den (so klein er mittlerweile auch sein mag) Aufwand scheut, die App für die ARM-Architektur anzupassen. Ein Beispiel dafür ist die neue Sky Online App, die trotz UWA-Natur zunächst nur im Desktop Store verfügbar war.

Ereilt Windows 10 Mobile das Schicksal von Windows RT?

Warum ist all das schlecht für Windows Phone und Windows 10 Mobile? Die Antwort liegt in der Vergangenheit. Schon einmal hat Microsoft gehofft, die x86- und die ARM-Architektur zu vereinen. Bekannt ist dieses gescheiterte Experiment unter dem Namen Windows RT. Windows RT und seine beiden Vertreter, das Surface RT und das Surface 2, arbeiteten ebenfalls auf Basis der ARM-Architektur und sahen dem vollwertigen Windows zwar zum Verwechseln ähnlich, waren aber unfähig, klassische Windows x86 Programme zu starten. Stattdessen hatte Microsoft auch damals schon gehofft, über das damals noch junge UWA-Modell Entwickler dazu zu bringen, universelle Apps zu schreiben, die sowohl für x86 als auch für ARM Systeme verfügbar wären. Diese Rechnung ging nicht auf. Die Entwickler scheuten die Mühen, vorhandene x86-basierte Universal Apps für den ARM-basierten Windows RT Store anzupassen. Windows RT ist deshalb zurecht mit dem Surface 3 beerdigt worden.

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Windows RT ist seit dem Surface 3 Geschichte

Ein Surface Phone könnte nun den gleichen Effekt haben. Warum sollten Entwickler sich die Arbeit machen, ihre mühsam für x86 programmierte UWA auch noch für den Windows Mobile Store und die ARM Architektur anzupassen und zu supporten, wenn mit dem Surface Phone ein mobiles Windows Gerät existiert, das diese Mühen obsolet macht.

In einer Welt, in der auch auf Smartphones ein x86 Windows läuft, gibt es keinen Platz mehr für Lumias und ihr altes ARM-basiertes Windows Mobile System. Die Mehrarbeit, die bisher noch immer nötig ist, um Universal Apps in den Windows Mobile Store zu bringen, wäre schlicht nicht mehr zu rechtfertigen. Damit wäre ein Surface Phone mit mobilem x86 Windows nicht die Rettung für Windows Mobile, sondern dessen Ende. Windows 10 Mobile, wie es aktuell auf dem Lumia 950 und 950 XL vorinstalliert ist, könnte damit Ende dieses Jahres genauso zum Relikt werden, wie es Windows RT schon lange ist.

Das bedeutet natürlich nicht das Ende von Microsoft-Smartphones, sondern nur das Ende von Microsoft-Smartphones mit ARM-Betriebssystem. Allerdings besteht Microsofts spärlicher Marktanteil derzeit nun einmal zu 100 % aus Smartphones mit ARM-Betriebssystem. Alle aktuell verfügbaren Lumias wären mittelfristig noch unattraktiver für Entwickler, als sie es jetzt schon sind. Microsoft müsste stattdessen in kürzester Zeit nicht nur ein Surface Phone, sondern ein ganzes LineUp an x86 Smartphones anbieten, um den gesamten Low-End, Business und High-End-Markt abzudecken. Microsoft würde damit sein mobiles Ökosystem zusätzlich fragmentieren und müsste – wie zu Surface RT Zeiten – frustrierten Käufern erklären, warum für das eine Smartphone eine App verfügbar ist und für das andere nicht. Vor allem aber müsste Microsoft abermals anfangen, sich einen Marktanteil zu erobern und alte wie neue Kunden dazu bringen, auf dieses „Windows Mobile for x86“ umzusteigen.

Fraglos hätte ein Surface Phone auf x86 deutlich mehr Reiz für Entwickler von Universal Apps, aber ob der möglicherweise vernichtende Einfluss auf das existierende Windows Phone ARM-Ökosystem diesen Schritt wert ist, muss man hinterfragen.

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