Apple Watch Series 1 im Test: Überzeugt Apples Smartwatch im zweiten Anlauf?

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Zu behaupten, die erste Apple Smartwatch hätte mich enttäuscht, wäre eine Untertreibung. Als Smartwatch-Fan der ersten Stunde hatte ich mir von ihr einfach mehr erhofft, nämlich etwas Ähnliches wie das, was das erste iPhone für das Smartphone geleistet hatte: Eine komplette Neudefinition des Machbaren. Aber diese Revolution blieb aus. Bis zur ersten Apple Watch waren Smartwatches ein Sammelsurium aus Anwendungsmöglichkeiten ohne klares Konzept, ohne Killer-Feature: Ein Spielzeug für Nerds. Und nach der ersten Apple Watch? Genau das Gleiche.

Auch die erste Apple Watch scheiterte dabei, der Smartwatch-Kategorie eine klare Richtung zu geben. Fitness? Benachrichtigungen? Apps? Fernbedienung? Schmuck? Medizingerät? Die Apple Watch war alles ein bisschen und nichts richtig. Zudem litt sie lange unter mauer Akkulaufzeit, verwirrender Bedienung und träger Software. Während das erste iPhone zu Recht gefeiert wird, weil es auf fast unheimliche Art und Weise die Touchbedienung zum natürlichsten Ding der Welt machte, haftete der ersten Apple Watch nichts von diesem genialen Flair an. Die Apple Watch war schlicht nicht der erhoffte Zündfunke für den Smartwatch-Markt.

Getreu dem Motto „Kaufe niemals ein Erste-Generation-Produkt“ habe ich die erste Apple Watch deshalb auch bewusst an mir vorbeiziehen lassen und mich stattdessen an Konkurrenz-Uhren, wie der 2015er Moto 360 und besonders der Pebble Time Steel, erfreut. Meine heimliche Hoffnung: Der Nachfolger würde es schon richten, all die Schwachstellen der ersten Generation ausbügeln und endlich zeigen, dass Apple doch eine Vision für seine Smartwatch-Bemühungen hat. Ob das gelungen ist, möchte ich in diesem Testbericht zur neuen zweiten Generation der Apple Watch klären. Viel Spaß!

Endlich ein (oder zwei?) Nachfolger

Erst zwei Jahre nach der Vorstellung der ersten Generation gibt es nun also eine Nachfolgerin. Vorgestellt wurde sie zusammen mit dem iPhone 7 auf dem Apple Event im September 2016. Wobei das nicht ganz richtig ist. Im Grunde gab es zwei: Die „Series 1“ und die „Series 2“. Anders als die Namensgebung aber vermuten lässt, ist die Series 1 nicht nur eine umgetaufte erste Generartion, sondern tatsächlich die Nachfolger-Version, in der ein schnellerer Chip arbeitet, der eine bessere Performance, längere Akkulaufzeit und flottere Appbedienung verspricht. Parallel hat Apple aber auch die Series 2 vorgestellt, die zusätzlich zu den Verbesserungen der Series 1 ein eingebautes GPS, ein helleres Display und erhöhte Wasserdichtigkeit mitbringt. Das Gehäuse der Series 2 ist dafür allerdings auch nochmal etwas dicker geworden.

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Die Apple Watch Series 1: Optisch gleicht sie der Vorgängerin

Diese begriffliche Unterscheidung zwischen Series 1 und Series 2 ist unnötig verwirrend. Ginge es nach mir, hätte Apple einfach nur den Namen Series 2 nutzen können und stattdessen das Modell mit GPS etc. „Series 2 Plus“ oder „Series 2 Outdoor“ genannt. Genauso geht Apple schließlich auch bei den iPhones vor, die trotz teilweise deutlicher Hardwareunterschiede (das Plus Modell hat z.B. meist das bessere Display, die bessere Kamera oder mehr RAM) auch nur durch einen Namenszusatz unterschieden werden, nicht jedoch durch abweichende Nummerierung. Die jetzt Series 2 getaufte Version ist nun einmal vor allem eine Outdoor Uhr und richtet sich primär an diejenigen, die das GPS zum Joggen, die Wasserdichte zum Schwimmen oder das hellere Display für viel Betätigung im Freien brauchen.

Damit sollte auch klar sein, warum ich zur Series 1 gegriffen habe. Sie ist nicht nur günstiger als die Series 2, sondern vermeidet das (etwas) dickere Gehäuse der Series 2 und bietet trotzdem den gleichen Performance-Sprung. Tatsächlich erschöpft sich der Unterschied zwischen der ersten Apple Uhr und ihrer Series 1-Nachfolgerin auch in dem neuen schnelleren Prozessor. Das Gehäuse, das Display und die Anordnung der Tasten sind unverändert. Man könnte den Nachfolger – Apple typisch – also auch mit mit gutem Grund einfach „Apple Watch S“ nennen. Die erste Generation der Apple Watch ist hingegen aus dem Sortiment verschwunden und wird von Apple offiziell nicht mehr verkauft.

Design und Hardware im Detail

Äußerlich hat sich bei der neuen Apple Watch also erst einmal nichts geändert. Und damit bleibt meine Kritik von damals weitgehend bestehen. Auch die Apple Watch Series 1 sieht kaum nach Uhr aus, sondern mehr nach Kieselstein, den man sich ums Handgelenk schnallen kann. Aus gewissen Perspektiven schafft es Apple zwar, ein edlen Charme zu vermitteln, aber im Großen und Ganzen ist die Apple Watch ein eher klobiges und zweckmäßiges Ding. Selbst die Pebble Time Steel muss sich optisch kaum vor ihr verstecken und die Moto 360 (2015) geht für mich weiterhin als Design-Sieger aus dem aktuellen Smartwatch-Lineup hervor.

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Optisch kann sich die Apple Watch auch in Generation 2 nicht von der Konkurrenz abgrenzen.

Natürlich ist die Apple Watch Series 1 aber gewohnt hochwertig verarbeitet. Die Tasten sind präzise im Druckpunkt, die digitale Krone hat genau den richtigen Widerstand im Drehmoment und Spaltmaße zwischen Displayglas und Metalkörper sucht man vergebens. Aber es gibt nun einmal einen Unterschied zwischen hochwertiger Verarbeitung und Eleganz. Was dem Ziel des eleganten Designs meiner Meinung nach besonders im Weg steht, ist der Keramikbuckel auf der Unterseite. Anders als etwa die Pebble Time Steel (die zusätzlich dünner ist), ist die Apple nicht entlang der natürliche Rundung des Handgelenks gebogen, sondern hebt sich mit seinem nach außen gewölbten Buckel auf der Unterseite auch noch wahrnehmbar vom Handgelenk ab. Das Ergebnis ist ein insgesamt eher dominanter Uhrenkorpus am Handgelenk.

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Über Geschmack lässt sich streiten, aber dezent ist die Apple Watch auch in Generation 2 nicht.

Gut gefällt mir dafür, dass die Armband-Anschlüsse der Apple Watch grundsätzlich innen liegen und viele Armbänder dies umsetzen. Die Uhr wirkt damit im Gesamteindruck  etwas kleiner. Das gilt allerdings nicht für alle Armbänder. Gerade Uhren von Drittanbietern (siehe unten) und teilweise Apple selbst verlängern die Anschlüsse hin und wieder mit klassischen Stegen, um dort dann wie gewohnt klassische Armbänder anzulegen. In solchen Fällen wirkt der ohnehin nicht dezente Apple Watch Korpus dann zusätzlich verlängert.

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Die innen liegenden Anschlüsse lassen die Uhr kleiner wirken.

Erstaunt war ich auch, dass die original Apple Nylon Armbänder keinen Bandanstoß in Gehäusefarbe haben, sondern sich mit buntem Kunststoff in den Metallkorpus fügen. Um das zu vermeiden, hätte man zwar Armbänder passend zu jeder Gehäusefarbe verkaufen müssen, aber angesichts der saftigen Preise, die Apple für seine Nylon Armbänder verlangt, scheint mir das nicht übertrieben anspruchsvoll. Bei den Metallarmbändern macht Apple es schließlich genauso. Abgesehen davon trägt sich das original Nylon Armband aber extrem bequem ist im Vergleich zu allen bisher von mir probierten Armbändern diverser Smartwatches klar mein Favorit.

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Das bequeme Nylon Armband gefällt mir ausgezeichnet.

In Sachen Hardware kann die Apple Watch in einer Hinsicht dann noch richtig glänzen, nämlich beim Display. Ein besseres habe ich bisher bei keiner Smartwatch gesehen. Mit 312 x 390 Pixeln (bei der 42 mm Version), knackigem Schwarzwert und leuchtenden Farben ist das Display noch immer genauso klasse wie bei der ersten Generation. Die im Vergleich zur Series 2 geringere maximale Helligkeit von „nur“ 450 Nits habe ich in meinen gut 4 Wochen Nutzung ebenfalls stets als ausreichend wahrgenommen.

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Das Display ist grandios!

Das Display fügt sich dank des guten Schwarzwertes fast nahtlos in die dunke Displayabdeckung ein und reagiert auch auf Touch-Eingaben zuverlässig. Im Vergleich zu den teilweise etwas trüben Displays bei der Android-Wear-Uhren und dem unbestreitbaren Retro-Look der Pebble Uhren ist das Display für mich mit Abstand das deutlichste Positivmerkmal der Apple Watch Hardware.

WatchOS 3 und die Bedienung im Alltag

Die Series 1 wird (genauso wie die Series 2) mit watchOS 3 ausgeliefert und erhielt während meiner Testzeit auch das Update auf Version 3.1. Nach allem, was ich über die erste Apple Watch bisher gelesen habe, scheint watchOS 3 ein wahrer Segen zu sein. Version 1 und 2 des Uhren-Betriebssystem haben selbst Apple-Enthusiasten meist als kompliziert und uninituitiv kritisiert. Version 3 der Software hingegen wird von der Fachpresse gar als Neustart gefeiert. Ich habe nie eine Apple Watch mit älterer Software längere Zeit genutzt und kann daher nicht viel dazu sagen, aber watchOS 3 macht auch auf mich jedenfalls einen weitgehend guten Eindruck. So eingängig, wie ich es mir wünschen würde, ist die Bedienung aber trotzdem noch nicht.

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Über die „digitale Krone“ lassen sich Funktionen ohne Touchscreen nutzen (hier: Lautstärke regeln)

Zunächst zu etwas Positivem. Die „digitale Krone“, das kleine Drehrädchen an der Seite, macht wirklich Spaß. Ich bin ehrlicherweise kein großer Fan von Touchscreens auf Smartwatches. Zu schnell schmiert man sich das Display mit den Patschefingern voll und zu fummelig ist mir oft die Bedienung. Die Krone hilft hier ein ganzes Stück weiter. Das Scrollen durch empfangene Nachrichten, die Lautstärkesteuerung oder das schnelle Querlesen durch die Twitter-Timeline gehen so viel entspannter. Das wirklich exzellente Drehmoment spielt hier beim Bedienerlebnis ein große Rolle. Neben dem Display halte ich die Krone daher für das zweite große Positivmerkmal der Uhr.

Die restliche Bedienung kann dann leider nicht ganz mithalten. Noch immer gibt es viel zu viele Eingabemöglichkeiten: Die Krone fungiert gleichzeitig als Homebutton und Zugang zur App-Übersicht. Hält man sie gedrückt, aktiviert sie Siri und betätigt man sie gar zweimal, öffnet sich die zuletzt genutzte App. Die unter der Krone liegende Power-Taste öffnet bei einmaliger Betätigung die Multitasking-Übersicht, in der man auf angepinnte und zuletzt geöffnete Apps zugreifen kann und führt bei Gedrückthalten ins Shutdown- bzw. Notruf-Menü. Shutdown- und Notruf-Slider liegen übrigens so nah beieinander, dass ich tatsächlich einmal den örtlichen 112-Notruf angerufen haben, als ich die Uhr ausschalten wollte (!). Aber immerhin: Dank des verbauten Lautsprechers kann man tatsächlich Telefonate von der Uhr aus führen, solange die Umgebung nicht zu laut ist.

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Force Touch, Multi Touch, Long Press, Swipe … nicht immer ist die Bedienung intuitiv.

Zu alledem gesellt sich dann natürlich noch der Touchscreen, den man mit den üblichen Multi-Touch-Gesten (Wischen, Tippen, Gedrückhalten) sowie über Force Touch bedienen kann. Auch nach mehreren Wochen habe ich bezüglich Force Touch noch immer nicht raus, wann ich denn durch ein druckvolles Pressen auf das Display tiefer liegende Funktionen aufrufen kann und wann nicht. Zufallsfunde in Apps sind für mich daher immer noch üblich. Am häufigsten benutze ich Force Touch beim Ziffernblatt und in der Benachrichtigungsübersicht. Ein kräftiger Druck auf das Ziffernblatt verschafft z.B. Zugriff auf die einzelnen Unter-Anzeigen („Komplikationen“ für die Anzeige von Kalender, Wetter, Batterieladung usw.) und in der Benachrichtigungsübersicht kann man alle Mitteilungen auf einmal löschen. Ihr ahnt es aber: So richtig überzeugend finde ich Bedienung der Apple Watch noch immer nicht. Für meinen Geschmack sind Pebble und auch Android Wear hier eingängiger und intuitiver. Und das ist für Apple, den vermeintlichen König des Nutzererlebnisses, schon ein starkes Stück.

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Siri direkt am Handgelenk ist schon praktisch.

Im Alltag genutzt habe die Apple Watch Series 1 vor allem als Anzeige für meine Benachrichtigungen, als Schnellzugriff auf Siri zum Stellen von Timern und Erinnerungen sowie als Fernsteuerung für Musik. Das „Hey, Siri“ Erkennungswort erkennt die Uhr allerdings oft nicht beim ersten Versuch und wer – wie ich – zuhause nur ein 5GHz WLan nutzt, der muss stets auf die Bluetooth Verbindung zum iPhone achten. Die Apple Watch Series 1 kann nämlich wie ihre Vorgängerin nur mit 2,4 GHz funken. Großes Lob verdient aber der Vibrationsmotor, der unter dem Marketing-Begriff „Taptic Engine“, extrem präzise und trotzdem sanfte Vibrationen produziert. Eingehende Benachrichtigungen fühlen sich also eher wie ein Stupsen am Handgelenk an, als wie ein nörgelndes Zerren. Die vielen Fitnessfunktionen hingegen waren für mich eher nebensächlich. Die periodischen Updates über Stehzeiten, Schritte und verbrauchte Kalorien sind zwar nett, aber bei meinem persönlichen Fitness-Workout hilft die Apple Watch wenig, da sie eher auf Ausdauer-Sportarten ausgelegt ist (Joggen, Radfahren, Stepper).

Enttäuscht hat mich das Angebot an Ziffernblätter. Apple lässt es noch immer nicht zu, dass Drittentwickler eigene Ziffernblätter für die Apple Uhr designen. Stattdessen installiert Apple eine eigene Auswahl an Ziffernblätter auf jeder Uhr vor. Das Angebot ist dabei recht limitiert. Neben Gimmicks wie dem Mickey Mouse Ziffernblatt oder Ziffernblättern mit Foto-Hintergrund gibt es eigentlich nur zwei Arten von Ziffernblättern: Filigrane Analog-Imitationen und Fitness-optimierte. Gerade eine Smartwatch wie die Apple Watch, die meilenweit davon entfernt ist, wie eine echte mechanische Armbanduhr auszusehen, kann es sich eigentlich nicht leisten, so massiv auf Analog-Ziffernblätter zu setzen. Mir fehlen defintiv ein paar moderne abtrakte digitale Ziffernblätter.

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Exemplarische Auswahl der Ziffernblätter

Zwar gibt es mit „X-Large“ ein ganz hübsches, aber dort sind die Möglichkeiten für Komplikation fast nicht vorhanden. Will ich – wie ich es bei einer Smartwatch erwarten würde – nicht nur die Uhrzeit, sondern auch kommende Kalendereinträge, Wettervorhersage oder laufende Timer sehen, dann muss ich zwangsweise zu den analogen Ziffernblätter greifen. Die wirken auf dem eckigen Display aber etwas unnatürlich. Nicht hundertprozentig natürlich ist auch die stets nötige Handgelenkdrehung, um das Display samt Ziffernblatt dann auch sehen zu können. Grundsätzlich ist das Display nämlich aus. Trotz AMOLED Display bietet Apple keinerlei Standby-Anzeige, mit der man aus jedem Winkel zumindest die Uhrzeit hätte ablesen könnte. Zwar funktioniert die automatische Aktivierung des Display weitgehend gut, auf dem Fahrrad oder unauffällig in einer Besprechung erblickt man dann eben doch nur das schwarze Nichts des deaktivierten Displays, wenn man auf sein Handgelenk schielt.

Wirklich positiv überrascht wurde ich von der Akkulaufzeit. Ich kann nicht sagen, ob es der neue effizientere Chip in der Series 1 ist oder ob das Update auf watchOS 3 hier der entscheidende Schritt war, aber ich komme mit der Apple Watch ganz problemlos auf zwei Tage Laufzeit, in der Regel sogar drei. Die Laufzeit hat sich bei mir derart verlässlich gezeigt, dass ich auf zwei- oder dreitägigen Reisen teilweise auf mein Ladekabel verzichtet haben. Bemerken muss ich dazu allerdings, dass ich die Uhr nachts komplett ausschalte und nicht zum Schlaftracking o.ä. nutze.

Geheimwaffe 1: Apps?

In meinem letzten Beitrag zur Apple Watch habe ich gesagt, dass Apple es sicher schneller als andere Hersteller schaffen wird, eine nennenswerte Zahl an Apps für die Apple Watch zusammen zu kriegen. Und das hat sich weitgehend auch bewahrheitet. Sei es die App der deutschen Bahn oder diverser Fluggesellschaften: In aller Regel kommen Smartwatch-Apps immer zuerst oder sogar nur für die Apple Watch heraus. Zwar brauchen die Apps beim ersten Starten noch immer recht lange, aber einmal gestartet sorgen die Optimierungen in watch OS 3 dafür, dass die Apps beim zweiten Mal praktisch sofort zugriffsbereit sind. Trotzdem halte ich die App-Vielfalt der Apple Watch nicht für den ultimativen Pluspunkt. Es ist dabei weniger die Qualität oder Anzahl der Apps, die mich zweifeln lässt. Es ist viel mehr ihr kaum vorhandener Mehrwert.

Natürlich kann ich meine Twitter-Timeline auf der Uhr durchscrollen, meine Bestellungen im Apple Store ansehen oder durch meine iTunes Biobliothek stöbern. Aber das kleine Display und die wenigen darstellbaren Informationen machen es meist zu einem furchtbar fummeligen Erlebnis. Selten habe ich es als Mehrwert gegenüber dem Smartphone in der Hosentasche wahrgenommen. App-Entwickler versuchen hier noch zu sehr, die Nutzungsszenarien eines Smartphones auf die Smartwatch zu übertragen. Meiner Meinung nach ist eine Smartwatch aber dann am Besten, wenn sie das Phone ergänzt. Steuerung von Musik, Mitteilungen über eingehende Nachrichten und schneller Zugriff auf Erinnerungen und Timer sind im Alltag viel praktischer als eine fast vollwertige Amazon-Shopping-App am Handgelenk.

Seltsamerweise sind es dann auch genau diese Ergänzungsfunktionen, in denen die Apple Watch Series 1 unerwartete Schwächen zeigt. Die Musiksteuerung zum Beispiel erreicht man nicht über eine eigene App. Es gibt stattdessen nur eine iTunes App, mit der sich aber nicht jede Wiedergabe auf dem iPhone steuern lässt. Stattdessen muss man auf dem iPhone Spotify, Pocket Casts oder irgendeine andere Fremd-Wiedergabe starten, damit in der Multitasking-Übersicht der Uhr eine Wiedergabesteuerung erscheint. Diese muss man dann manuell anpinnen und kann sie so über den Standby-/Multitasking-Button später wieder aufrufen. Android Wear und Pebble lösen das für meinen Geschmack deutlich einfacher. Dort ist die Musiksteuerung teilweise sogar einhändig möglich. Störend kommt hinzu, dass iOS seit eh und je nicht in der Lage ist, eine laufende Spotify Connect Wiedergabe zu erkennen. Habe ich zum Beispiel vom Macbook eine Wiedergabe auf meinem Soundsystem gestartet, bekommt das iPhone davon – trotz installierter – Spotify App nichts mit und ich kann die Wiedergabe nicht steuern. Eine eigene Spotify Connect App steht daher seit Langem ganz oben auf der App-Wunschliste der Apple-Watch- und Spotify-Szene.

Geheimwaffe 2: Zubehör?

In Sachen Zubehör hingegen trumpft die Apple Watch im erwarteten Maße auf. Tatsächlich war das extrem vielseitige Angebot an Drittanbieter Zubehör für mich auch einer der Gründe, bei der zweiten Apple Watch Generation herein zu schnuppern. Apple schafft es stets, im Zubehörmarkt extremes Echo hervorzurufen. Von Armbändern über Ladestationen bis Reise-Akku-Schalen gibt es keine Smartwatch für die sich so einfach und so vielfältig Zubehör findet.

Das gilt zu allererst auch für die Armbänder, die Apple selbst verkauft. Die sind zwar unverschämt teuer, aber Armbänder wie das Milanese-Loop, das magnetische schließende Leder-Looparmband oder die neuen Nylonbänder haben binnen kürzester Zeit Nachahmer gefunden. Bestimmt fand man all das auch schon ähnlich vorher, aber Apple schafft es eben immer wieder, Dinge erstmalig im Mainstream zu etablieren, die es vorher zwar schon gab, aber kaum beachtet wurden. Ein Nylon Armband ist z.B. nichts Neues, aber versucht man für normale Uhren mit Stegen ähnliche Armbänder zu finden, merkt man schnell, dass das nicht leicht ist. Ganz im Gegenteil: Durch das herrlich weiche und bequeme Apple Nylon Armband inspiriert, habe ich mich bei Amazon, eBay & Co. auf die Suche nach einer ähnlich guten Variante mit regulärem 22mm Anschluss (für meine Pebble) gemacht. Bisher Fehlanzeigen. Tipps nehme ich gerne in den Kommentaren entgegen.

Für den ganzen Markt der Drittanbieter möchte ich hier exemplarisch auf ein Lederarmband von Lopoo UK und den Ladeständer von Nomad verweisen. Beide haben mir auf Anfrage ein Probeexemplar zur Verfügung gestellt. Das Lederarmband kopiert wie viele Drittanbieter Uhren den Schnellwechsel-Anschluss der Apple Watch. Das Armband selber ist sehr angenehm zu tragen, muss aber wie jedes Lederarmband erst „weichgetragen“ werden. Die Anschlüsse hingegen sind eine etwas andere Geschichte. Während die Anschlüsse der original Apple Armbänder bombenfest im Uhrenkorpus sitzen, hat jedenfalls einer der Anschlüsse bei meinem Lopoo Lederarmand etwas Spiel. Aber irgendwoher muss der Preisunterschied zwischen den Drittanbieter-Armbändern (hier z.B. 13 € versus 160 € bei Apple) ja herkommen.

Der Nomad Ladeständer ist dann schon eher ungewöhnlich, jedenalls insofern als dass derartiges Deko-Zubehör für alle anderen Smartwatches eben schlicht keinen Markt findet. Ich gehe fest davon aus, dass sich ein Zubehörhersteller rein aus wirtschaftlichen Gründen oft auf Zubehör für die Apple Watch konzentriert, weil dort nicht nur auf Dauer verlässliche Formfaktoren herrschen (Apple ändert seine Produkte äußerlich eher selten), sondern die zahlungskräftige Käuferschaft einer Apple Watch im Zweifel auch eher noch einen weiteren Euro für elegantes Zubehör über hat. So dürfte auch das Team von Nomad gedacht haben, die mit dem Ladeständer ein wirklich elegantes schlichte Design-Stück entwickelt haben, in das man den Standard-Apple-Ladepuck einsetzt. Das Kabel wird auf der Rückseite des Ständers nach unten weggeführt und so bietet der Ständer ein sehenswert schlichtes Utensil zum Laden und Präsentieren der Apple Watch Series 1.

Fazit: Kaum neue Argumente für Skeptiker

Kann die Series 1 nun also all die Skeptiker überzeugen, die bisher weder mit Smartwatches im Allgemein noch der Apple Watch im Speziellen etwas anfangen konnten? Die Antwort lautet meiner Meinung nach ganz klar: Nein! Auch die zweite Generation der Apple Watch verlangt noch immer nach den bekannten Kompromissen. Die Uhr muss alle paar Tage geladen werden, das Display ist die meiste Zeit aus und so richtig hat auch die Apple Watch noch nicht entschieden, was sie sein will. Wer bisher ohne Smartwatch auskam, wird auch bei der zweiten Generation keine neuen überzeugenden Gründe für deren Unverzichtbarkeit finden.

Wer aber mit der Apple Watch liebäugelt und klugerweise bei der ersten Generation ausgesetzt hat, der hat meiner Meinung nach bei der Series 1 keinen Grund mehr zu zögern. Der Akku hält deutlich länger, die Bedienoberfläche ist verständlicher geworden und mit seinem tollen Display, der präzisen Verarbeitung sowie dem reichhaltigen Zubehörmarkt macht die Apple Watch Series 1 jetzt auf jeden Fall Spaß.

Trotzdem zeigt die Apple Watch Series 1 doch deutlich, dass der Smartwatch-Hype vorbei ist. Das Marketing von Apple konzentriert sich praktisch nur auf die Series 2, die Fitness-Variante, und seinen Mehrwert für Sportler. Die zweite Generation hat schlicht keine weiteren echten neuen Features bekommen, von denen man sich neue Impulse für den Smartwatch-Markt erhoffen würde. Apple selbst scheint es bei einer zurückhaltenden Modellpflege belassen zu wollen und hat keine weiteren visionären Nutzungsszenarien in der Schublade. Es bleibt für mich deshalb dabei, dass Smartwatches „nice to have“ sind und für mich auch längst ihren praktischen Nutzen bewiesen haben. Aber wer bisher immun gegen diese Argumente war, darf sich ruhigen Gewissens auf andere Trends stürzen. Bei den Smartwatches jedenfalls verpasst man derzeit nichts. Die aktuellen Absatzzahlen scheinen das übrigens zu bestätigen.

Ich persönlich bin nach meiner Testphase selbst unschlüssig. Mir gefällt besonders das bequeme Armband, der schnelle Zugriff auf Siri und das tolle Display. Gleichzeitig lauert am Horizont aber auch der Nachfolger zur gelungenen Pebble Time, den ich bereits vorbestellt habe. Mit ihrem größeren und besseren Display und allen bekannten Pebble-Stärken wird die kommende Pebble Time 2 wahrscheinlich ab Anfang 2017 schnell alle Konkurrenten von meinem Handgelenk vertreiben. Momentan stehen die Chance daher nicht schlecht, dass ich meine Apple Watch Series 1 in den nächsten Wochen wieder zu Geld mache (Update: Mittlerweile ist die Uhr längst wieder verkauft). Schade, aber Versuch macht klug.

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