Anonymer Login: Gesinnungswandel bei Facebook?
|Ich erinnere mich noch gut an meinen alten Lateinlehrer, der mit uns einmal alle möglichen literarischen Stilmittel besprach. Besonders lustig fand ich (vor allem wegen des komischen Namens) das „Oxymoron“. Bei dieser Stilfigur werden widersprüchliche Worte zu einem gemeinsamen Begriff verbunden, zum Beispiel: „Die lebenden Toten“ oder „Hassliebe“. Seit Kurzem gibt es in der Technikwelt ein neues Exemplar dieser Oxymoren (Oxymoronen? Oxymori?): Den anonymen Login bei Facebook.
Friert jetzt die Hölle zu?
Facebook gilt nicht zu Unrecht als die Datenkrake schlechthin. Mit Ausnahme von Google tummeln sich wohl nirgendwo sonst derart viele Menschen und produzieren geldwerte Selbstentblößungen am Fließband wie bei Facebook. So ganz genau weiß natürlich niemand, was Facebook eigentlich mit den Daten anstellt, die die Nutzer dort tagtäglich hinterlassen. Klar ist jedenfalls, dass Facebook nicht von Spenden lebt, sondern von Werbung. Gute Werbung zielt exakt auf die Bedürfnisse der Nutzer ab. Schlechte Werbung dagegen bietet Oma Lisa Medikamente zur Familienplanung an. Schlechte Werbung verkauft sich schlecht.
Man tut Facebook daher kaum Unrecht, wenn man annimmt: Je mehr Daten, um so besser! Nichts anderes steckt ja schließlich auch hinter dem Kauf von Whatsapp. Vor diesem Hintergrund sorgt eine Meldung der letzten Zeit für ordentlich Schlagzeilen. Facebook will jetzt einen anonymen Login anbieten! Anonym? Also wie in: Ohne Personenbezug? Das klingt nach einem Schwimmbad, das Tauchkurse anbietet, bei denen man nicht nass wird.
Was heißt eigentlich anonym?
Die Enttäuschung lässt dann auch nicht lange auf sich warten: Der anonyme Login ist nämlich NICHT für das soziale Netzwerk selbst gedacht, sondern nur für Apps, die die Facebook Login Schnittstelle nutzen. Das heißt: Der anonyme Login verheimlicht meine Identität nur gegenüber der Seite, auf der ich mich einlogge. Statt wie üblich, bei jedem Login via „Facebook-Login“ mein Alter, Name, E-Mail-Adresse, Freundesliste und Profilbild zu übermitteln, erfährt der Seitenbetreiber bzw. der Appanbieter beim „anonymen Login“ nichts über mich. Stattdessen soll der Nutzer sogar die Wahl bekommen und manuell den Zugriff auf bestimmte Daten freigeben können.
Facebook hingegen schreibt unverändert fließig mit. Das Surfverhalten und die Interessen werden also nach wie vor genau so an Facebook übertragen, wie beim normalen Login. Der Begriff „anonymer Login“ ist damit nichts weiter als Marketing und hat mit der datenschutzrechtlichen Defintion von Anonymität nichts zu tun. Dafür wäre es nämlich Voraussetzung, dass niemand (oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand) auf die Person hinter dem Login schließen kann. Da Facebook aber nach wie vor alles mitbekommt, kann von Anonymität keine Rede sein.
Es wäre im Übrigen aber auch völlig realitätsfremd, anzunehmen, Facebook würde einen echten anonymen Login erlauben, denn das würde Facebook den entscheidenden Rohstoff entziehen, auf dem das gesamte System fußt: Wissen über die Nutzer.
Wozu das Ganze?
Was aber soll der „anonyme Login“ dann für einen Sinn haben? Die Antwort liegt vermutlich irgendwo zwischen Imagegewinn, Nutzen für die Entwickler und vor allem: Nicht-Teilen-Wollen.
Der Imagegewinn ist allerdings fraglich. Wer vorher skeptisch auf Facebooks Datensammelei reagiert hat, wird kaum ein positiveres Bild von Facebook kriegen. Zu leicht ist das System zu durchschauen. Wer hingegen bisher die Kröte geschluckt hat, wird sie auch weiter schlucken.
Der Nutzen für die Entwickler ist ein zweischneidiges Schwert. Zwar sinkt die Hemmschwelle für neue Nutzer, da die App ohne Preisgabe von zu vielen Daten ausprobiert werden kann. Allerdings sind Testnutzer kein (Werbe-) Geld wert, bis diese nicht vollen Zugriff auf die Facebookdaten erlauben. Um die Nutzer zu mehr Datenpreisgabe zu bewegen, muss man Vorteile bieten, deren Programmierung Geld kostet. Geld, das ohne Gewinn aus Datenverkäufen fehlt. Willkommen im Kreislauf.
Nein, der anonyme Login hat vor allem für Facebook Vorteile. Denn die wertvollen Nutzerdaten werden nicht mehr in jedem Fall mit dem Appentwickler geteilt. Nur Facebook erfährt, wo sich die Nutzer herumtreiben und kann seine Profile erweitern. Die Appentwickler hingegen gehen leer aus. Facebook will seine Daten also schlichtweg nicht mehr teilen. Und noch einen Effekt hat der anonyme Login: Statt wie bisher gleichberechtigt neben dem Google-, Twitter- oder Yahoo-Login (gibt es sowas?) zu stehen, bietet Facebook nun zwei Login-Möglichkeiten zur Auswahl an. Das ist vor allem auf kleinen Smartphonedisplays nicht zu unterschätzen, wo man ohne Scrollen oft nur die ersten zwei oder drei Login-Möglichkeiten angeboten bekommt. Marktmacht durch Displayherrschaft. 😉
Im Ergebnis verdreht der neue Login das Verständnis der Nutzer und infiziert den Begriff „anonym“ mit drei Fehlvorstellungen:
- Anonym ist, wenn nur Facebook weiß, was ich tue.
- Ich habe Kontrolle über meine Privatsphäre, auch wenn Facebook alles lesen kann.
- Der anonyme Login schützt mich, weil nur Facebook weiß, was für Apps ich mir ansehe.
Ich persönlich halte daher wenig von dem „anonymen“ Facebook-Login. Der Begriff erweckt völlig falsche Assoziationen mit dem Konzept der Anonymität. Ich bin der erste, der sich freut, wenn Nutzer mehr Kontrolle über die Preisgabe ihrer Daten haben. Solange so ein Konzept am Ende statt zu mehr Anonymität nur zu noch mehr Datenkonzentration führt, wird aber exakt das Gegenteil von Datenschutz erreicht. Die ungleiche Machtverteilung zwischen Facebook und seinen Nutzern wird damit nämlich nicht im Geringsten verhindert.
Wäre es mir lieber, Facebook würde seine Daten stattdessen weiterhin mit den Apps teilen? Nein, natürlich nicht. Mir wäre es am Liebsten, wenn Facebook transparent machen würde, welche Daten wofür genutzt werden, sich klaren Kontrollen unterwirft und Konzepte entwickelt, die mich nicht zum gläsernen Nutzer machen. Dann würde ich sogar wieder Facebook nutzen …
See you in the comments!

Ich bin Malte, der Chefredakteur hier bei DeathMetalMods.de. Ich bin beruflich als Jurist tätig und lebe in diesem Blog meine Lust an Technik, digitaler Welt und Gadgets aus. Ich schreibe hier die meisten Artikel und organisiere die Arbeiten im Hintergrund. Ihr findet mich auch privat bei Mastodon und Twitter.