WWDC 2014: Erst Ernüchterung, dann Spannung

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Die WWDC 2014 dürfte eines der absoluten Highlights im Kalender eines jeden Technikfreundes sein. Jedenfalls, wenn man kein verbohrter Fanboy aus den konkurrierenden Lagern ist. Mittlerweile hat jedermann seine Zusammenfassungen, Vergleiche und Meinungen getwittert, gepodcastet, geyoutubed und gebloggt. Während vielerorts die Enttäuschung dominiert, dass es keine neue Hardware gab, habe ich die Eindrücke etwas sacken lassen und merke, wie mein zunächst verhaltenes Bauchgefühl nach und nach einem Gespanntsein weicht. Der Reihe nach:

Ich werde keine mehr oder weniger sortierte Liste meiner Lieblingsneuheiten runterrattern. Nur soviel: Es gab kein iPhone 6, kein Macbook Air Retina, kein iPad Pro und keine iWatch. Stattdessen ging es 2 Stunden lang um nichts anderes als Software, Entwickler und Entwicklertools. Am Ende der 2 Stunden fehlte damit die unmittelbare Befriedigung, die Apples Keynotes oft nachfolgt. Keine Termine für einen Verkaufsstart, keine neuen Leistungsdaten oder Displaygrößen zum Vergleichen mit alter Hardware. Stattdessen nur Demos von neuen Software-Features. Diesmal ist also etwas Vorstellungsvermögen gefragt, um die Bedeutung der einzelnen Neuheiten einordnen zu können. Ich habe genau das versucht und denke, die vorgestellten neuen Softwarefeatures sind für die Zukunft von Apple bedeutender, als es eine möglichst frühzeitige Smartwatch ist.

1. Apple öffnet sich, jedenfalls ein bisschen

Eine echte Revolution ist für mich die schiere Anzahl der angekündigten API, also der Möglichkeiten, durch die Entwickler, eigene Inhalte in Apples mobiles Betriebssystem iOS integriereren können. Allen voran die Möglichkeit, eigene Tastaturen nachzuinstallieren, bricht mit Apples jahrzehnte altem Mantra, jeden Aspekt des Betriebssystem eisern selbst kontrollieren zu wollen. Nicht minder verwundert war ich, als die geplanten Widgets zur Sprache kamen. Zwar finden diese erst einmal nur in der Benachrichtigungszentrale Platz, aber nachdem was zum Beispiel mit eBay demonstriert wurde, bin ich erstaunt, wie viel Entfaltungsmöglichkeit Apple Drittentwicklern in diesen Kern-iOS-Gebieten zugesteht.

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iOS 8: Wird Apple jetzt offen?

Das im Vorfeld als Hauptfeature angepriesene Healthkit (ehemals Healthbook) wurde erstaunlich schnell abgehandelt. Auch hier aber war die Überraschung für mich viel mehr, dass Apple auch diesen Bereich Drittanbietern von Hardware überlässt. Die neuen Möglichkeiten, die Apple auch der Kommunikation zwischen Apps eröffnen will, dürften das Benutzungsgefühl in Zukunft deutlich mehr prägen als die Frage, ob das nächste iPhone ein 4,7 oder 4,8 Zoll Display. Ich hoffe nur, das bisher sehr sichere Sandboy-System wird dadurch nicht konterkariert.

Schließlich wird auch der Fingerabdruck-Sensor geöffnet und eine API zur Verfügung gestellt, die es praktisch jedem Entwickler erlaubt, den Sensor zur Verifizierung in seinen Apps zu nutzen. Zwar trage ich mich auch hier mit Bedenken wegen der Sicherheit der gespeicherten biometrischen Daten, aber auf lange Sicht wird diese Technik für Apple sicher ein wichtiges Standbein im erst langsam aufblühenden Markt der mobilen Bezahlsysteme.

2. Continuity: iOS X oder iOS 10.10?

Auf der Mac Seite der WWDC 2014 gab es mit OS X 10.10 „Yosemite“ nicht nur ein überfälliges optisches Refresh, sondern vor allem den bisher deutlichsten Schritt hin zu einem einheitlichen „Apple OS“. Natürlich sind Funktionen wie geräteübergreifende Telefonate oder SMS nicht neu. Ich meine, so etwas gab es sogar bei Windows Mobile bevor Microsoft mit Windows Phone 7 die Axt anlegte. Diese Verschmelzung von Optik und Funktionen sowie die nahtlose Mitnahme der gerade getätigten Arbeiten waren aber bisher nie so nahtlos integriert, wie es bei Apple der Fall zu sein scheint.

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Wieviel iOS steckt mittlerweile in OS X?

Damit wandert Apple aktuell auf exakt dem gleichen Weg, den Microsoft mit seinen drei Betriebssystemen Windows 8, Windows RT und Windows Phone 8 beschreitet. Microsoft scheint mir hier in einigen Bereichen, zum Beispiel den Universal Apps bereits etwas weiter, aber der Hauptvorteil von Apple ist der immense größere Mitnahmeeffekt, den die iPhones und iPads haben. Windows ist meinem Eindruck nach immer noch vor allem ein Betriebssystem zum Arbeiten. Windows ist nicht sexy und die wenigsten Windows Phone 8 Nutzer dürften durch ihre Erfahrung mit Windows 8 zum Kauf eines Windows Phones animiert werden. Anders bei Apple, das dafür bekannt ist, dass iPhone Erstkäufer dank der starken Marke viel öfter auch zu Mac-Zweitkäufern werden. Die Continuity Funktionen in Mac OS X 10.10 „Yosemite“ sind für Apple damit ein wichtiger Schritt, seine mobile Marktmacht in Desktop-Anteile zu erweitern, während Microsoft eher darum kämpft, die schrumpfende Desktop-Macht in den mobilen Bereich hinüber zu retten.

3. Metal macht alles schneller

Auch die neue Metal-Schnittstelle dürfte in Zukunft bedeutende Früchte tragen. Dank der nach wie vor eng verstrickten Hard- und Softwareabteilungen von Apple ist der mit Metal einhergehende Anstieg in der Grafik-Leistung von iOS deutlich effektiver einzusetzen, als etwa die hochgradig fragmentierte Hardware von Android. Die nervigen Seitenhiebe auf Android während der Keynote gingen mir zwar auf die Nerven und wir müssen erstmal sehen, was Apple auf der Google I/O im Sommer vom Stapel lässt, aber die Ausgangsposition von Apple ist hier erst einmal ungleich besser.

Die reduzierte Resourcenverschwendung von Open GL ähnelt den aktuellen Vorhaben von AMD (Mantle“) und Microsoft (Direct X 12) und könnte unser Verhältnis zu mobilen Spielen nachhaltiger verändern als neue Apple Hardware es gekonnt hätte. Ich sehe am Horizont bereits einen Apple TV 4 mit integrierter Spielekonsole für iOS Games.

4. Home Automation

Ebenfalls im Vorfeld extrem heiß gehandelt wurde Apples forcierter Einstieg in die Welt der Heimautomation. Auf der Keynote selbst wurde auch dieser Aspekt eher flott abgehandelt, aber gerade im Land der Freiheit und automatischen Garagentüren sehe ich imenses Potential für Apples Einstieg in diesen Bereich. Allerdings ist Google hier teilweise mit dem Kauf von Nest bereits ein Stück weiter und wird sich darüber hinaus sicher bemühen, Android in diesem Bereich zu pushen. Trotzdem besteht ein großer Unterschied zwischen dem Kauf eines Termostatherstellers und der Bereitstellung von Schnittstelle, wie sie Apple auf der WWDC 2014 vorgestellt hat.

Wenn Apple mit seinem Marketing im Bereich der Heimautomation auch nur halb so erfolgreich wird, wie es das mit der Verbreitung von iPod und iPhone Docks ist, dann wage ich zu behaupten, dass Apples Schnittstellen auch im Bereich der Heimautomation zum de facto Standard werden wird. Der Vorteil für Apple: Keine Kosten für Hardwareentwicklung, sondern nur Softwarepflege und Lizenzgebühren. Hohe Lizenzgebühren.

5. Einfachere Programmiersprache: Swift

Ein echter Bombenschlag war für mich am Ende dann die Vorstellung der neuen Programmiersprache „Swift„, die das betagte und als kompliziert geltende Objective C ablösen wird. Anders als Google und Microsoft, die ebenfalls an der Fortentwicklung ihrer Programmiersprachen für die eigenen System arbeiten, dürfte Swift aber in Windes Eile zum neuen Standard bei Apple werden.

Die bisherigen Rückmeldungen bestätigen die Versprechen von Apple: Swift scheint vor allem schneller, einfacher und leistungsfähiger als Objective C. Das bedeutet, mehr Anfänger können bessere Apps für Apple Ökosystem und Lizenzschlund schreiben als bisher. Zusammen mit dem ohnehin nach wie vor umsatzstärksten App-Ökosystem von Apple wird auch Swift Apples Position im mobilen Bereich sicherlich fördern.

Mein Fazit:

Die Neuheiten in iOS 8 sind vordergründig nicht mit dem radikalen iOS 7 zu vergleichen. Zu ähnlich wirkt die neue Version äußerlich und zu lahm sind die neuen Gimmicks. Siri ohne Tastendruck aktivieren zu können ist nett, aber weit entfernt von einer Neuheit. Das dezente Upgrade des Multitasking-Menüs macht mich auch nicht gerade wild und die aufgebohrte Spotlightsuche wird nichts daran ändern, dass ich diese Funktion bisher schon kaum nutze. Das optische Upgrade von Mac OS X macht mich da schon eher gespannt auf den Herbst. Trotzdem: Die wahren Highlights waren diesemal die Änderungen im Hintergrund. Sie dürften auf viel längere Zeit für Wirbel sorgen.

Vor allem aber glaube ich, dass alle mobilen Betriebssystem mittlerweile ein Level an Perfektion erreicht haben, das bemerkenswert ist. Es geht nicht mehr darum, wer welches Feature zuerst hatte, sondern darum, dass sich alle System nurnoch in Details gegenseitig befruchten. Android hat durch iOS gelernt, das Ruckeln abzustellen. Das konservative iOS wird durch Androids Innovationsdruck ebenfalls mit vorangetrieben und hat gemerkt, dass Custom Tastaturen und Widgets doch garnicht so weh tun. Am Ende profitieren wir, die Nutzer.

Ich werde diesmal übrigens abwarten und mir weder iOS 8 noch OS X 10.10 in einer Beta besorgen. Aber was meint ihr? Und wie schätzt ihr die Neuheiten der WWDC 2014 ein? See you in the comments!

 

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