Testbericht zum LG Nexus 5X: Ein Dilemma für Android-Puristen (Update)

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Es gibt Android-Nutzer, die schauen auf Design, Leistungsdaten oder Preis und entscheiden dann, welches Smartphone sie sich kaufen. Das dürfte die absolute Mehrheit sein. Diese Mehrheit freut sich dann über ihr todschickes Galaxy S6 oder handliches Xperia Z5 Compact und geht ihrer Wege. Es gibt daneben aber auch diejenigen Nutzer, die vor allem auf eines scharf sind: Reines Android und Updates direkt von Google. Diese Minderheit (zu der auch ich mich zähle) hat derzeit keine andere Wahl, als sich auf Nexus-Geräte zu beschränken. Momentan bedeutet das, entweder tief in die Tasche und zum eleganten (aber sehr großen) Huawei Nexus 6P zu greifen oder sich das günstigere LG Nexus 5X anzuschauen. Dank LG konnte ich besagtes Nexus 5X nun zwei Wochen im Alltag nutzen und mache mir in diesem Testbericht Gedanken über das Dilemma, das das LG Nexus 5X für Android-Puristen bedeutet.

Inhaltsübersicht

1. Das Nexus 5X im Überblick
2. Hardware: Ein Schritt vor, zwei Schritt zurück
3. Software und Bediengefühl
4. Die Kaufargumente zusammengefasst
5. Fazit: Enttäuschend, aber ohne Alternative für Puristen

Update des Testberichts am 14.03.2016

1. Das Nexus 5X im Überblick

Das Nexus 5X hat einen klaren Auftrag. Es ist der kleinere und günstigere Bruder zum edlen Nexus 6P. Ob es zusätzlich auch ein Nachfolger zum kultigen Nexus 5 sein soll, würde ich so deutlich gar nicht sagen wollen. Denn jedenfalls in Deutschland ist der Kaufpreis dafür zu hoch und auch optisch besteht wenig Ähnlichkeit zum 2 Jahre alten Nexus 5.

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Das Nexus 5X (Mitte) zwischen seinen Verwandten: Links dem großen Nexus 6P und recht dem vermeintlichen Vorgänger, dem Nexus 5

Die einzigen Ähnlichkeiten zum vermeintlichen Vorgänger sind das Vollplastikgehäuse und die mittlerweile spärliche Speicherausstattung von nur 2 GB RAM. Trotzdem drängt sich der Vergleich natürlich auf, weil Google zum ersten Mal seit Ende 2013 ein verhältnismäßig kleines Nexus-Smartphone verkauft. Nach dem letztjährigen astronomisch großen Motorola Nexus 6 und dem aktuell nur wenig kleineren Huawei Nexus 6P ist das Nexus 5X mit seinem 5,2 Zoll Display eben am Ehesten das, was wir von einem Nachfolger zum Nexus 5 erwarten würden.

Welche Argumente sprechen derzeit für die Anschaffung des Nexus 5X und welche Kröten muss man dieses Jahr für ein kompaktes Nexus-Erlebnis schlucken? Bevor ich mich diesen Fragen zuwende, gibt es hier erst einmal die technischen Daten zum Nexus 5X im Überblick:

Das Nexus 5X im Überblick
Displaygröße 5,2 Zoll
Auflösung 1980 x 1080 Pixel (424 PPI)
Gehäuse 147,0 x 72,6 x 7,9 Millimeter (136 Gramm)
Prozessor Qualcomm Snapdragon 808 (2 x 2 GHz und 4 x 1,5 GHz)
Grafik Adreno 418
Arbeitsspeicher 2 GB
verbauter Speicher 16 oder 32 GB, nicht erweiterbar
Kamera 12,3 MP Rück- und 5 MP Vorderseite, Dual-LED-Blitz
Akku 2700 mAh (fest verbaut)
Farben Anthrazit, Quarz, Eisblau
Datennetz LTE Cat. 6
WLan WLAN 802.11a/b/g/n/ac, 2 x 2 MIMO, Dual-Band (2,4 GHz, 5,0 GHz)
Bluetooth Bluetooth 4.2
GPS GPS und GLONASS
NFC Ja
Betriebssystem (Stand: 24.01.2016) Android 6.0.1
Preis (UVP) ab 429 €

 

2. Hardware: Ein Schritt vor, zwei Schritt zurück

Rein äußerlich lässt sich das Nexus 5X vielleicht am Besten als ein plattgedrücktes Motorola Moto G (2014) beschreiben. Mir gefällt das Nexus 5X optisch aber durchaus. Der große Radius der Gehäusekanten gibt dem Nexus 5X einen modernen Look und die flachen Seiten verleihen ihm den typisch spartanischen Nexus-Charme. Einzig die etwas einfallslose Kamera-Warze auf der Rückseite hätte mehr Liebe zum Detail verdient. Dank des schmalen Displayrahmens erreicht das Nexus 5X zudem mit seinem 5,2 Zoll Display eine Gehäusebreite von „nur“ 72,6 Millimeter und ist damit ähnlich „schmal“ wie das Galaxy S5 oder Moto X (2014). Dass der Lautsprecher nach vorne gewandert ist, nehme ich ebenfalls wohlwollend zur Kenntnis, auch wenn mal wieder nur der untere Grill tatsächlich einen solchen beherbergt.

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Schlicht, aber hübsch

Technisch muss man das Nexus 5X aber leider als eine ungünstige Mischung aus Fortschritt, Stillstand und Rückschritt beschreiben. Fangen wir mit dem Fortschritt an. Die Kamera ist identisch zu der des großen Bruders und eine reine Freude. Egal ob bei guten oder schlechten Lichtverhältnissen, die f/2.0 große Blende und der lichtstarke Sensor schießen zuverlässig ausgezeichnete Fotos (Details findet ihr im Nexus 6P Review). Auch der rückseitige Fingerabdrucksensor ist ein deutlicher Pluspunkt. Wie beim großen Bruder reagiert er schnell, zuverlässig und ist dank der Standardisierung durch Google auch ein Stück weit vertrauenswürdiger als es Fingerabdruckscanner unter Android bisher waren. Da das Nexus 5X auch ein Stück kürzer als das Nexus 6P ist, liegt der eigene Zeigefinger zudem noch natürlicher auf dem Scanner.

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Unverändert stark: Die Kamera und der Fingerabdruckscanner

Ebenfalls sehr willkommen ist die Schnellladefunktion, die den Akku in etwa 70 Minuten über USB-C volltankt. Langsam aber sich erobert weiterhin auch der reversible USB-C Stecker mein Herz. Auch noch als Fortschritt würde ich übrigens das Display bezeichnen. Das ist dank gleicher Auflösung auf größerer Fläche zwar weniger scharf, zeigt aber keine der typischen Mängel, die noch das Nexus 5 quälten. Lichthöfe sucht man vergebens und Ausleuchtung, Kontrast sowie Farbdarstellung gehen in jedem Fall in Ordnung.

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Komfortabel: USB-C mit Quick Charging

Stillstand herrscht hingegen beim Arbeitsspeicher und bei der Akkulaufzeit. Die Entscheidung, das Nexus 5X Ende 2015 noch mit 2 GB Arbeitsspeicher auf den Markt zu bringen, halte ich für einen Fehler. Vor allem angesichts der steilen UVP von zunächst knapp 480 € (für die 16 GB Variante, wohlgemerkt) wären für mich zwingend 3 GB RAM zu erwarten gewesen. Auch der Akku ist mit nur 2700 mAh kein Leistungswunder. Die Laufzeiten pendelten bei mir auf dem mauen Niveau des Galaxy S6 und des Nexus 5 und überstiegen selten die 3 Stunden Display-On-Time Marke. Bei meinem Nutzungsszenario (viel Streaming, gekoppelte Smartwatch, Surfen, Social Media etc.) musste ich deshalb meist zum frühen Nachmittag wieder an die Dose.

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Bei der Akkulaufzeit lässt das 5X eher zu Wünschen übrig

Als klaren Rückschritt empfinde ich schließlich die Verarbeitungsqualität. Mein Testgerät jedenfalls knarzt und knackt bei der Bedienung als hätte man es mit leergefutterten Haribo-Tüten vollgestopft (auf Youtube habe ich eine kleine Demonstration dazu hochgeladen). Das erinnert leider in denkbar schlechtester Art an die Klapperhandys, für die Samsung lange Zeit berühmt war. Und das obwohl die Rückseite verklebt und nicht wechselbar ist. Die Tasten gehören auch eher zu schlappen Sorte und lösen mit weichem Druckpunkt und ordentlich Spiel bei der Lautstärkewippe wenig Freude aus.

3. Software und Bediengefühl

Den durchwachsenen Eindruck bezüglich der Hardware kann das Nexus 5X bei der Software leider nicht völlig wettmachen. Das gesamte Bediengefühl erinnert hinsichtlich Geschwindigkeit und Flüssigkeit verflixt an das Nexus 5. Das mag an dem ordentlichen Boost liegen, den Android 6.0 „Marshmallow“ dem alten Nexus 5 verpasst hat, an den nur 2 GB Arbeitsspeicher oder an dem verbauten Snapdragon 808 Prozessor, aber im Ergebnis ist es doch ernüchternd, zu sehen, dass 2 Jahre technischer Fortschritt sich im Softwareeindruck kaum leistungsverbessernd niedergeschlagen haben.

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Android Marshmallow läuft auf dem Nexus 5X gut, aber nicht spürbar schneller als auf dem Nexus 5

Natürlich kann man diesen Stillstand auch einfach als Anerkennung für das Nexus 5 sehen und sich damit zufrieden geben, dass das Nexus 5X immer noch ein sehr angenehm flüssiges und reaktionsschnelles Bediengefühl bietet. Trotzdem: Ein Hauch Enttäuschung dürfte bei denjenigen nicht ausbleiben, die vom 2 Jahre alten Nexus 5 wechseln. Gegenüber dem großen Bruder ist der Leistungsunterschied jedenfalls mehr als spürbar was das Starten von Apps und das Wechseln zwischen ihnen angeht.

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Nexus-Qualität: Aktuelle Software samt Sicherheits-Patches

Gerettet wird das Nexus 5X schließlich von seinen Nexus-Genen. Wie üblich läuft auf dem Nexus 5X reines, pures Android. Das bedeutet, dass man sich derzeit über Android Marshmallow in der Version 6.0.1 und Sicherheitspatch-Niveau „Januar 2016“ freuen darf. Vor allem aber genießt man als Käufer des Nexus 5X die Gewissheit, mindestens bis Mitte 2017 direkt von Google mit Updates versorgt zu werden. Das alte Nexus 5 hat den typischen Zeitraum von 18 Monaten, für den Google Softwaresupport garantiert, hingegen längst überschritten.

4. Die Kaufargumente zusammengefasst

Das Nexus 5X sollten sich derzeit vor allem zwei Kategorien von Käufern ansehen: Erstens diejenigen, die ihr altes Nexus Gerät hinter sich lassen (müssen). Für alle, die noch mit einem Nexus 4 oder Nexus 5 unterwegs sind, bietet das aktuelle Nexus 5X ein extrem lohnenswertes Kamera-Upgrade sowie gute Details wie USB-C und den Fingerabdrucksensor. Wer auf beides verzichten kann, der hat hingegen wenig Grund, zu wechseln. Jedenfalls solange das Nexus 5 noch mit Updates versorgt wird, bietet das 5X bezüglich der Software kein schlagendes Argument für einen Wechsel.

Zweitens richtet sich das Nexus 5X natürlich an alle, die von Samsungs, LGs und Sonys trägem Software Support enttäuscht sind und endlich ein Smartphone möchten, das die kommenden 2 Jahre zuverlässig und zügig mit Updates versorgt wird. Für diese Gruppe gilt es im Grunde nur zu überlegen, ob die maue Akkulaufzeit und die mitunter mäßige Verarbeitungsqualität Ausschlusskritierien darstellen.

5. Fazit: Enttäuschend, aber ohne Alternative für Puristen

Die 2015er Nexus-Generation wird mir wohl in sehr wechselhafter Erinnerung bleiben. Ähnlich wie das Nexus 6P verlangt das Nexus 5X seinen Interessenten einige Kompromisse ab. Gemeinsam ist ihnen der angesichts des Gebotenen hohe Preis und eine gewisse Neigung zu Qualitätsmängeln. Wo das Nexus 6P aber seinen Preis jedenfalls mit spitzenmäßigem Bediengefühl und hochwertigem Look rechtfertigen kann, ist das Nexus 5X für das Gebotene derzeit schlicht und ergreifend zu teuer. Egal, wie man es dreht und wendet, mehr als 400 € ist für ein derartiges Plastikgerät mit mauer Akkulaufzeit einfach nicht vertretbar.

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Die 2015er Nexus-Geräte: Sie machen es einem nicht leicht

Selbst Android-Puristen und Fans der Nexus Reihe sollten warten, bis das Nexus 5X in der 32 GB Version unterhalb dieser Preisgrenze ankommt. Dort angekommen ist das 5X dann allerdings (trotz aller Kompromisse) die derzeit beste Lösung für diejenigen, die ein kompaktes Gerät mit reinem Android-Betriebssystem suchen. Trotzdem: Wenn das Nexus 5X tatsächlich als Nachfolger des kultigen Nexus 5 geplant war, dann haben Google und LG dieses Ziel meiner Meinung nach verfehlt. Selbst als Nexus-Fan kann ich es nur schwer rechtfertigen, für das Nexus 5X Summen aufzuwenden, für die etwa das Samsungs Galaxy S6 mit einem ungleich hochwertigeren Gesamteindruck zu haben sind.

Manchmal denke ich, es wäre Zeit, dass Google das Konzept der Google Play Editionen wiederbelebt und die oft sehr hochwertige Fertigungskunst der Dritthersteller mit hauseigenem Softwaresupport kombiniert. Oder es wird einfach Zeit, dass sich jemand neues an einem Nexus Gerät versucht. Gerüchten zufolge soll ja HTC dieses Jahr seine Chance bekommen. Das lässt hoffen.

See you in the comments!

Update (14.03.2016):

Dank einer Dauerleihgabe von LG Deutschland bin ich in der erfreulichen Lage, das Nexus 5X auch nach meinem ursprünglichen Testbericht weiter beobachten zu können. Und seit Ende Januar gibt es da tatsächlich einiges Positives zu berichten. Kurz gesagt: Preis und Performance (meine beiden größten Kritikpunkte) sind endlich da, wo sie sein sollten:

Der Preis pendelt seit Wochen konstant knapp oberhalb der 300 € Marke. Bei diesem Preis hätte das 5X meiner Meinung nach direkt starten müssen.

Zusätzlich hat Google dem Nexus 5X mit dem März Sicherheitsupdate auch einen gehörigen Performance-Boost verpasst. Und der Unterschied ist wirklich spürbar. Direkt nach dem Update ist das Gerät merklich flotter, flüssiger und reaktionsschneller. Apps starten schneller, Animationen stocken nicht mehr und insgesamt wirkt das Nexus 5X jetzt so, wie ich es vom Snapdragon 808 erwarten würde. Insbesondere steht es dem Moto X Style in Nichts mehr nach. Im dortigen Testbericht hatte ich mir nämlich noch verwundert die Äuglein gerieben, weil das Moto X Style trotz gleichem Prozessor so viel flinker wirkte.

Alles in allem gibt es jetzt für mich keinen Grund mehr, vom Nexus 5X abzuraten. Das titelgebende „Dilemma“ für Android Puristen hat sich damit glücklicherweise erledigt.

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